Auszug aus dem Bericht eines politischen Gefangenen
Stand 1985Am Rande der Bezirkshauptstadt Cotbus liegt die „Strafvollzugseinrichtung“ StVe Cottbus. Der Komplex besteht aus zwei großen Zellenhäusern, zwei Produktionsstätten, dem Gebäude für den Neuzugang, einer Baracke zur Esseneinnahme, einem kleinen Krankenrevier und einer separaten Untersuchungshaftanstalt.
Vor Ausbruch schützen Stacheldrahtzäune, Signaldrähte, Hundelaufanlagen, Wachtürme und eine ca. 5 m hohe Gefängnismauer.
Neuankömmlinge werden zuerst in die „Katakomben“ gebracht. Als Katakomben werden die Kellergewölbe eines Zellenhauses bezeichnet. Dort verbringt der neu Angekommene die ersten 24 Stunden in Cottbus.
Für die Nacht stehen Bettgestelle, Matratzen und Decken zur Verfügung. Alles ist sehr schmutzig.
Am nächsten Tag wird der Häftling „eingekleidet“ und in das Zugangsgebäude gebracht.
Ein Obermeister des Wachpersonals (Spitzname Roter Terror) bereitet ihn dort auf die Haftanstalt vor, indem er versucht, ihn einzuschüchtern und zu verunsichern.
Es ist die Regel, dass bei jeder Zwangsbelegung wenigstens ein Häftling geschlagen wird.
Die Häftlingskleidung besteht aus abgetragenen Armeeuniformen. Die Uniformen sind an den Ärmeln, auf dem Rücken und an den Hosenbeinen je mit einem langen, leuchtend gelben Streifen versehen.
Vom Zugang kommen die Häftlinge in der Regel nach 14 Tagen zu den Arbeitskommandos. Sie werden einem Erziehungsbereich (EB) zugeordnet. Ein EB ist ein abgeschlossener Flur mit 6 bis 8 Zellen. Für jeden EB ist ein Offizier als „Erzieher“ verantwortlich. Die Zellen werden fast ständig verschlossen gehalten.
Das Wachpersonal besteht aus Unteroffizieren, die mit Hunden, Gummiknüppeln und Knebelketten ausgerüstet sind. Ihre Verhaltensweisen sind sehr verschieden und meistens unberechenbar.
(Beispiel: Ein Häftling weigerte sich, Kartoffeln zu schälen. Daraufhin wurde er von vier Mann des Wachpersonals abgeführt und zusammengeschlagen.)
Einige versehen ihren Dienst in angetrunkenem Zustand. Bei Durchsuchungen der Zellen gehen sie ohne Rücksicht auf das Eigentum der Häftlingen vor. Bei Filzungen werden die Zellen regelrecht verwüstet.
Gearbeitet wird in drei Schichten in den Produktionsstätten von VEB Sprela und VEB Pentacon. Es handelt sich um sehr monotone Arbeiten an Bohr-, Stanz- und Fräsmaschinen und Drehbänken.
Weiterhin mussten Gussteile von Hand mit Feilen und Schabern entgratet werden.
Zum Teil fehlen Arbeitsschutzmittel und Vorrichtungen.
Bei Norm-Untererfüllung drohen dem Häftling Bestrafungen. Dieser Leistungsdruck erhöht zusätzlich das Unfallrisiko.
Fast jeder arbeitende Häftling ist Lärm und Staub auf extremste Art und Weise ausgesetzt. Beim VEB Pentacon werden Teile von Fotoapparaten hergestellt. So ist z.B. auch die „Praktika“, welche in der Bundesrepublik Deutschland verkauft wird, die Arbeit von politischen Häftlingen.
Durchschnittlich müssen sich elf Häftlinge eine Waschgelegenheit und 14 Häftlinge ein WC teilen. Die Waschgelegenheit besteht aus einer Spüle mit Kaltwasseranschluss. Nassrasur ist Vorschrift.
Einmal wöchentlich kann geduscht werden. Die Duschen sind aber in einem sehr schlechten Zustand, fehlende Duschköpfe, teilweise verstopft usw.
Meistens müssen sich mehrere Häftlinge einen Wasserstrahl teilen. Die Unterwäsche wird trotz Nummerierung in der Wäscherei vertauscht und nicht selten verschmutzt wieder ausgegeben.
Es musste niemand hungern, aber das Essen ist minderwertig und teilweise ekelerregend. Der Vitaminmangel hat zur Folge, dass jeder Häftling zumindest mit dem Verlust von Zähnen rechnen muss.
Nach einer Erkrankung können Wochen vergehen, ehe der Erkrankte dem Arzt vorgeführt wird. Die Behandlung ist dann auch noch häufig falsch oder wird ganz unterlassen.
Bei Notfällen, die auf den Zellen eintraten, konnten die Häftlinge nur versuchen, sich durch Klopfen und Rufen bemerkbar zu machen. Nachts waren diese Versuche meistens ohne Erfolg.
Besuch eines Angehörigen ist alle zwei Monate in der Haftanstalt möglich. Die Gespräche werden streng überwacht.
Gespräche über die Tat, den Rechtsanwalt und die Haft sind verboten.
Bei einem Verstoß gegen diese Regeln wird der Besuch sofort abgebrochen. Radios sind streng verboten.
Das Zentralorgan der SED „Neues Deutschland“ und die „Junge Welt“ der FDJ werden kostenlos verteilt. Der Bezug (Kauf) einer Heimatzeitung ist möglich. Eine kleine Bücherei kann einmal wöchentlich benutzt werden.
Das Erlernen von Fremdsprachen ist verboten.
Der Besuch von Filmveranstaltungen ist alle zwei Monate und Fernsehen ist maximal zweimal die Woche möglich. Diese Veranstaltungen sind immer nur einem begrenzten Kreis möglich.
Kleine ausgesuchte Gruppen dürfen einmal monatlich einen Plattenspieler benutzen.
In unregelmäßigen Abständen ist ein Volleyballspiel möglich. Sonst ist jede sportliche Betätigung verboten.
Auf jeder Zelle ist eine Bibel. Nur wer sich auf dem Zugang als konfessionsgebunden gemeldet hatte, durfte einmal im Monat an einem Gottesdienst im Speiseraum teilnehmen.
Der Erzieher kann Häftlinge aus disziplinarischen gründen vom Gottesdienst ausschließen.
Bestraft wird der Häftling bei Regelverstößen wie z.B.: keine Erfüllung der Arbeitsnorm, Arbeitsverweigerung, Weigerung am politischen Unterricht teilzunehmen, Kritik am Strafvollzug usw.
Folgende Strafen sind üblich: Einkaufsreduzierung, Paketsperre, Fernsehsperre, Isolationshaft oder Arrest. Meistens werden mehrere Bestrafungen gleichzeitig gegen den Häftling ausgesprochen.
(Nikolaus Fleck in der IGFM-Dokumentation: „Strafvollzug in der DDR. Hohene
ck, Brandenburg, Cottbus“, 1985)
Internet:
http://www.menschenrechte.de