Das Steuersystem in der DDR

Wie entwickelte sich die Wirtschaft der DDR, wie die der Bundesrepublik während der Teilung Deutschlands. Welche Anzeichen gab es für die Entwicklung? Was waren die Ursachen?
Hier der Bereich für alle wirtschaftlichen Themen.

Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon Interessierter » 27. April 2013, 17:27

Wie sah es denn überhaupt mit den Steuerabgaben in der DDR aus ? Für was wurden Steuern erhoben? Wie hoch waren Lohn- oder Einkommenssteuern ? Welche Steuern hatten Selbstständige zu errichten ? Gab es einen Lohnsteuerjahresausgleich ? Gab es Erbschafts- und Vermögenssteuer usw. ?

" Der Interessierte "
Interessierter
 

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon pentium » 27. April 2013, 17:35

Wie schön und einfach doch alles war: Es gab kein Finanzamt, die Steuer wurde von den Kollegen im Gehaltsbüro errechnet und weitergeleitet, man musste keine Steuererklärung abgeben - außer man war Freiberufler oder Selbständiger.

Und auch für die war das Steuersystem übersichtlich: Von jeder Mark behielt der Staat ein Fünftel für sich, so dass vom Honorar nur 80% ausgezahlt wurden.
Wen wundert's, dass Ostalgiker das Steuersystem der DDR schön reden und nicht müde werden, es für die Bundesrepublik als nachahmenswert zu empfehlen, weil es doch fairer und einfacher gewesen sei. War es das wirklich? Ist da tatsächlich was Übernehmenswertes dabei? War das DDR-Steuersystem wirklich ein paradiesischer Zustand, wie Ostalgiker im Nachhinein meinen? Oder hatte es auch seine Grausamkeiten?

Steuereinnahmen unter 5% des Etats
"Steuern sind die auf staatlichen Rechtsnormen beruhenden Abführungen der sozialistischen Produktionsgenossenschaften, der privaten Handwerks- und Gewerbebetriebe und der Bevölkerung an den Staatshaushalt", hieß der Grundsatz der Steuern- und Abgabenordnung. Den Großteil "zur Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe" führten die Volkseigenen Betriebe (VEB) ab, den geringsten Teil die Arbeiter, Angestellten und Gewerbetreibenden. So machen die Steuern nicht mal 5% des Etats aus.
Beispiel: Der DDR-Staatshaushalt 1988 in Höhe von 268,1 Milliarden Mark wies lediglich 11,6 Milliarden Mark Einnahmen an Steuern auf. Dazu kamen auf der Einnahmeseite 8,3 Milliarden Mark an Sozialversicherungsbeiträgen. Beides zusammen deckte nicht einmal zur Hälfte die im Etat ausgewiesenen Preissubventionen in Höhe von 49,8 Milliarden Mark.

Zwei Grundtarife
Die 1970 novellierten DDR-Steuergesetze erfassten zwei Steuertarife.
Für Arbeiter und Angestellte galt der Monatssteuergrundtarif G.

Bei einem Monatslohn von 200,00 bis 299,00 Mark bezahlte man 3,00 Mark Grundbetrag plus 15% auf den Betrag über 200 Mark. Bei einem Einkommen von 260,00 Mark entfielen so 12,00 Mark an Steuern. Bei einem Lohn von 500,00 bis 599,00 Mark fielen 62,00 Mark Grundbetrag plus 30% auf den Betrag über 500,00 Mark an - bei 560,00 Mark Monatslohn also eine steuerliche Belastung von 62,00 + 18,00 = 80,00 Mark.

Wer zwischen 700,00 und 1257,99 Mark verdiente, dessen Steuerlast betrug 126,00 Mark plus 22,5% des Betrages über 700,00 Mark. Bei einem Monatslohn von 900,00 Mark wurden demnach 126,00 + 50,00 = 176,00 Mark Steuern einbehalten. Für Unternehmer, Freiberufler, Gewerbetreibende galt der Einkommensteuer-Grundtarif K. Er ging vom Jahreseinkommen aus.

So kassierte der Staat bei einem Einkommen zwischen 4800,00 und 6000,00 Mark den Grundbetrag von 862,00 Mark plus 35% des Betrages, der über 4800,00 Mark lag. Verdiente ein Freiberufler 5800,00 Euro im Jahr, so betrug seine Steuerlast 862,00 + 350,00 = 1212,00 Mark.
Bei einem Jahreseinkommen von 15.000,00 bis 20.000,00 Mark waren 5356,00 Mark plus 69% auf den die 15.000,00 Mark übersteigenden Betrag fällig. Bei 18.000,00 Mark Jahreseinkommen lag die Steuerlast bei 5356,00 + 2070,00 = 7426,00 Mark.

Steuersätze bis 90 Prozent

Je mehr ein Unternehmer verdiente, umso linearer stiegen die Steuersätze an. Wer beispielsweise auf ein Jahreseinkommen zwischen 40.000,00 und 50.000,00 Mark kam, zahlte 25.200,00 Mark Grundbetrag plus 88% auf die Summe, die über 40.000,00 Mark lag. Bei einem Einkommen von 50.000,00 Mark betrug die Steuerlast 25.200,00 + 8.800,00 = 34.000,00 Mark. Von 50.000,00 verdienten Mark verblieben nur 16.000,00 - paradiesische Zustände sind etwas anderes. Aber es ging ja noch höher.
Wer ein Jahreseinkommen zwischen 400.000,00 und 500.000,00 Mark erzielte, war steuerlich mit 352.000,00 Mark plus 98% auf die Summe über 400.000,00 Mark dabei.
Und wer über 500.000,00 Mark Jahreseinkommen hatte, gab 90% davon an den Staat ab.

quelle:
http://www.steuer-wahnsinn.de/index.php ... euersystem

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon Interessierter » 27. April 2013, 17:47

Na toll, worin bestand denn dann noch der Anreiz sich selbstständig zu machen ? Für mich klingt das, als Aufruf an die Selbstständigen Schwarzarbeit zu betreiben, oder ?

Vielleicht kann Volker dazu ja einmal seine Erfahrungen einbringen?

" Der Interessierte "
Interessierter
 

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon pentium » 27. April 2013, 17:54

Siehe auch das Thema:
Das Private Handwerk in der DDR

mfg
pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 27. April 2013, 20:16

Hallo Wilfried,
der Pentium hat es schon sehr umfassend beschrieben. Die Steuersätze waren genauso, aber das ist nicht linear, nein, das nennt man progressiv. Die Steuer stieg nicht gleichmäßig auf einer Geraden an, nein, in einer steilen Kurve geschah dies.
Ich beschreibe ja immer wieder, dass ich bei fleißiger Arbeit rechtmäßig etwa das doppelte an Nettoeinnahmen verbuchen konnte. Also hatte ich etwa um die 1600.-Mark im Monat. Im ersten Jahr entnahm ich aber monatlich nur 480.-Mark. Den Überschuss nahm ich, um im 1. Geschäftsjahr meinen "Umlaufmittelkredit" von 7000.- komplett zu tilgen. Im gleichen Jahr hatte ich bereits soviel Plus erwirtschaftet, dass ich nie wieder Kredite aufnahm.

(Das hielt ich auch in der Marktwirtschaft so. Fing klein an und steigerte meine Leistung nur mit Eigenmitteln.
So brauchte ich nie Kredite tilgen und bekam statt dessen immer 4 % Skonto bei der Hörmann KG plus 2% bis 5 % Bonus.)

Der Kreis QLB zog durch einen von mir nicht zu benennenden Bezirksbeschluss jährlich von jedem Handwerker in Selbständigkeit 2000.-Mark wie einen Grundbetrag ein. Dann erst ging die Steuerrechnerei los. Wir Handwerker haben das auch in 1990 nicht klären können.
Mir wurden meines Erachtens nach in 5 Jahren unrechtmäßig 10.000.- Mark abverlangt.
Der Verantwortliche im Finanzamt Liebig konnte uns das nie erklären.

@Interessierter, Schwarz zu arbeiten wäre die logische Folgerung gewesen, aber: Es war bekannt, dass unsere Handwerkerlöhne subventioniert waren. Ich bekam 6,40 Mark je Stunde brutto. Davon zahlte der Kunde 4,80 Mark, also 75 %. Die Differenz beglich uns der Staatshaushalt über das Finanzamt. Das heißt, dass jede Rechnung im Finanzamt vorgelegt werden musste.
Auch wenn wieder einige die Nase rümpfen werden, ich machte mich selbständig, um etwas freier zu sein. Selbstbestimmt zu leben war mein Hauptanliegen. Das Geld war zweitrangig. Denn was ich mehr verdiente, ging zu mehr als 100% in meinem sinnlos-Aufbau des Fuhrparks unter. Kann jeder separat nachlesen. http://mein-ddr-leben.de/60.html
Ich habe es auch aufgeschrieben, weil solche unglaublichen Beschwernisse, beispielsweise einen Transporter zu ergattern, fast unmöglich war.
Wenn es da heute schon komisch klingt, aber nachvollziehbar geschildert ist, wie interessant mag dieser Mini-Geschichtsteil erst später mal wirken?

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon zonenhasser » 28. April 2013, 00:22

Interessierter hat geschrieben:Na toll, worin bestand denn dann noch der Anreiz sich selbstständig zu machen ?
"Sich selbständig machen" in der DDR - ein ungeheuerer Kampf mit den Behörden, den nur ganz wenige gewannen.

Im Jahr 1989 gab es in der DDR lediglich 185.000 Selbstständige, was einer Quote von etwa 1,8 Prozent bezogen auf die erwerbsfähige Bevölkerung (Personen zwischen 15 und unter 65 Jahren) entsprach.

Quelle
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
Bert Brecht
Benutzeravatar
zonenhasser
 
Beiträge: 2315
Registriert: 19. Juli 2012, 23:25
Wohnort: Leipzig

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon Edelknabe » 28. April 2013, 09:44

" Interessierter hat geschrieben:Na toll, worin bestand denn dann noch der Anreiz sich selbstständig zu machen ?"

"Sich selbständig machen" in der DDR - ein ungeheuerer Kampf mit den Behörden, den nur ganz wenige gewannen.

Siehe das vorstehende von Zonenhasser. So ungeheuer war dieser Kampf garnicht. Du brauchtest einen ordentlichen Abschluss egal ob Ingenieur, Facharbeiter usw. und dann wurde der Antrag beim Rat des Kreises gestellt.Gewerberaum konnte angemietet werden von Privat oder ein VEB für den du mit tätig wurdest stellte dir Räumlichkeiten(im Gegenzug für kleinere Leistungen) zur Verfügung und Rat des Kreises beauflagte dich, den Meisterbrief im bestimmten Zeitraum nachzuholen. Ingenieure brauchten dies so glaube ich nicht, deren Quali. reichte aus.

Über den Kredit in Höhe von im Schnitt maximal 10000,00 Mark der DDR (reichte vollkommen aus) von Volksbank,Sparkasse hatte Volker schon geschrieben, als Sicherheit wurde zum Beispiel der eigene (uralte) PKW akzeptiert oder eben massive Gartenbaulichkeiten. Wichtig war noch so ne Art Bilanz für das jährliche Material was geplant werden musste und der VEB, der dich damit belieferte bzw. wo du das Zeugs abholtest.Man war auch sehr erfinderisch, mein damaliger Chef ließ zum Beispiel kleinere Maschinen von einer Schlosserbude bauen oder baute sie mit uns gleich selber.

Rainer-Maria übrigens 10% Gewinn/Ertrag (abzgl. der 90% Steuern)von ner halben Mille waren immerhin 50 TDM. Verdiente nicht mal ein VEB-Direktor pa, geschweige denn einer vom MfS.

Einen guten Sonntag allen ins Forum
Benutzeravatar
Edelknabe
Grenztruppen
Grenztruppen
 
Beiträge: 16633
Bilder: 57
Registriert: 2. Mai 2010, 09:07

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 28. April 2013, 11:26

Edelknabe hat geschrieben:"

Rainer-Maria übrigens 10% Gewinn/Ertrag (abzgl. der 90% Steuern)von ner halben Mille waren immerhin 50 TDM. Verdiente nicht mal ein VEB-Direktor pa, geschweige denn einer vom MfS.


Stimmt, nur wer machte denn als Neugründer solche Gewinne?

Der Schlossermeister, der mir seinen Framo vermachte, war schon ewig im Geschäft und fertigte in "Großproduktion" Hubtisch-Metalluntergestelle für alle DDR-Wohnwagenmodelle. Der schaffte solchen Umsatz sicher.
Mein Steuerbüro war der "VEB Rechnungsprüfung und Wirtschaftsführung". Mir wurde der vom Finanzamt zugewiesen. Dort hat man aber eher für das Finanzamt gearbeitet. Gewisse "Steuerschlupflöcher" wurden dem Mandanten verschwiegen. Da musste man durch Erfahrung selbst drauf kommen, dass man beispielsweise sein Klopapier auch absetzen konnte.
Es darf ruhig geschmunzelt werden, aber einen Konz mit 1000 legalen Steuertricks gab es in der DDR nicht. Aber auf den Berufsgruppenversammlungen (Innung) unterhielten sich ja auch alte Hasen mit uns. Anschließend wurde ausgeschöpft, was irgend wie ging.
Eine Steuerprüfung hatte ich trotz VEB REWI jährlich. (Nach 1990 bis 2005 aber dafür keine einzige mehr.)

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Das Steuersystem in der DDR

Beitragvon tom-jericho » 28. April 2013, 17:39

Habe eine Ausbildung als Gehilfe in steuer - und wirtschaftsberatenden Berufen hinter mir.
Kurzform damals: Steuerfachgehilfe
Meine Lehrer kamen alle durch die Bank aus den alten Bundesländern.
Auch eine Zeit lang in einer Steuerkanzlei gearbeitet.

Erwähne ich heute diese Berufsbezeichnung, werde ich als Hilfsarbeiter abgestempelt! [laugh]

Also, wie schon gesagt, von dem Thema habe ich keine Ahnung.

[hallo]
tom-jericho
 


Zurück zu Wirtschaftliche Unterschiede

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste