Über Raritäten in der Versorgung der DDREin Bericht von Dr. Klaus-Dieter Schmidt, Leipzig
Dass die DDR die Gesellschaft des verwalteten Mangels war, ist ja nun historisch verbürgt und kann als gesicherte Tatsache gelten. Jeder war also bemüht, dieser Mangelgesellschaft ein Schnippchen zu schlagen. Dazu wurden die vielfältigsten Methoden entwickelt.
Dazu gehörten:
das Motto: „Beziehungen schaden nur dem, der keine hat!“
der Stammtisch in der Kneipe für die Vorbereitung von Warentransaktionen und Handwerkerdienstleistungen,
häufige Dienstreisen nach Berlin und
die Bezahlung mit Westgeld, Forumschecks (1) oder so genannten „blauen Fliesen“ (2), glücklich, wer darüber verfügen konnte.
Im Frühjahr 1981 lernte ich ( der Autor ) noch zwei weitere Möglichkeiten kennen und schätzen.Von November 1980 bis Juli 1984 war mein Arbeitsplatz in einer Baracke auf dem Gelände der Technischen Messe in Leipzig untergebracht. Das Messegelände beherbergte damals außer Ausstellungsflächen Büros mehrerer Betriebe und Institutionen, in meinem Fall eine Industriezweigleitung. Außerhalb der Messe hatten wir einen normalen Ausweis, vermittels dessen wir das Messegelände betreten konnten. In der Zeit von 2 Wochen vor Messebeginn bis 1 Woche nach Messeende durfte man außerhalb der offiziellen Messeöffnungszeiten nur mit einem Ausstellerausweis auf das Messegelände.
Und gerade der Ausstellerausweis hatte es in sich. Mit ihm durften wir auch alle Einrichtungen und Verkaufsstellen des Ausstellerservices betreten und dort gegen Mark der DDR einkaufen.
In den Einrichtungen des Ausstellerservice, die es in mehreren Messehallen gab, konnte man alles erwerben, was es sonst in der DDR nicht gab, und was es aber doch gab.
Dazu gehörten hauptsächlich Konserven wie Echtes Leipziger Allerlei, ein Mischgemüse mit Spargelstücken und echten Morcheln, Spargel in der Dose, Ungarisches Letscho, marinierte Paprika oder Apfelpaprika, gute Halberstädter Würstchen, Prager Schinken, Pfirsichhälften in der Dose, Ölsardinen, Thunfisch, gefragte Weinsorten wie der bulgarische Rosenthaler Kardarker und vieles andere mehr. Einen Teil der Konserven habe ich nie im allgemeinen Handel und auch nicht im Delikatladen (3) gesehen. Hier konnte man sich nun für ein halbes Jahr eindecken, und nach diesem halben Jahr fand ja eine neue Messe statt.Manche betrieben diesen Einkauf nun so intensiv, dass man meinen musste, sie würden die ganze Familie, die Hausgemeinschaft, das Wohnviertel und die UNO gleich mitversorgen. Besonders eifrig war da unsere Sachbearbeiterin für den Umweltschutz. Man sah auch die verschiedenen Garderobenfrauen und Toilettenfrauen, die für die Messe eine befristete Arbeit hatten, an den Tagen vor dem Tag der Messeeröffnung von früh 8 Uhr bis mittags 12 Uhr von Shop zu Shop ziehen. Sie wussten am besten, was es wann und wo gab. Ich gestehe auch, dass ich ein Fach meines Aktenschrankes voll von diesen Köstlichkeiten hatte, die ich dann schrittweise, wenn wir wieder mit unseren Autos in das Messegelände hineinfahren durften, mit nach Hause genommen habe.
Die zweite Beschaffungsaktion, die immer im April stattfand, galt Heringen. Heringe waren in der DDR ebenfalls ein ganz rarer Artikel. Matjes-Heringe gab es überhaupt nicht. Wenn man Glück und Beziehungen zu einem Fischladen hatte, erhielt man gelegentlich Salzheringe und Bismarck-Heringe. Das Essen in der Betriebsküche war, stand einmal „Marinierter Hering“ auf dem Speiseplan, meistens marinierte Schildmakrele. In dieser Situation nahm ich meine Arbeit auf der Technischen Messe auf.
Weiter mit der Heringsstory geht es hier:
http://research.uni-leipzig.de/fernstud ... /zz165.htm