Mängel, Macken, Misswirtschaft

Wie entwickelte sich die Wirtschaft der DDR, wie die der Bundesrepublik während der Teilung Deutschlands. Welche Anzeichen gab es für die Entwicklung? Was waren die Ursachen?
Hier der Bereich für alle wirtschaftlichen Themen.

Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Interessierter » 24. Januar 2019, 11:56

Planer und Lenker der DDR-Wirtschaft treffen sich regelmäßig zum Erzählsalon. Die Stimmung ist gelöst. Niemand muss sich rechtfertigen.
Ein Bericht aus 2013

Bild
Der ostdeutsche Trabi als Gegenstück zum westdeutschen Käfer: Im Berliner Erzählsalon treffen sich ehemalige DDR-Wirtschaftsbosse. Bild;dpa

Hans Modrow schaut freundlich drein. Der ehemalige SED-Chef des Bezirks Dresden sitzt zwischen anderen älteren Herren und hört aufmerksam zu. Die Herren und die wenigen Damen in dieser Runde lassen einander ausreden. Sie gehen höflich miteinander um. Doch als der Name Günter Mittag fällt, schimpft jemand halblaut: „Was für ein Arsch!“ Viele nicken. Günter Mittag hassen sie alle. Immer noch.

Günter Mittag saß in den obersten Gremien der SED. Im Herbst 1989 wurde er als einer der ersten DDR-Politiker seines Amts enthoben. Bis dahin hatte er in Wirtschaftsfragen mehr zu sagen als Hans Modrow, als alle Fachleute und Betriebsdirektoren des „Arbeiter-und-Bauern-Staats“ zusammen. Nur Erich Honecker hatte noch mehr Macht. Wenn ein Volkseigener Betrieb (VEB) den staatlichen Plan nicht erfüllt hatte, soll Günter Mittag den Generaldirektor nach Berlin einbestellt haben. Er schnauzte gestandene Männer so an, dass diese den Tränen nahe waren. An Günter Mittag ist so mancher Wirtschaftslenker verzweifelt.

Hans Modrow kennen die Anwesenden alle. Ständig wandern Blicke zu ihm, als müsse man sich versichern, dass er noch da ist. Nach dem Rücktritt von Erich Honecker im Wendeherbst 1989 wurde er Ministerpräsident der DDR. Nun trifft er sich mit anderen ehemaligen Wirtschaftslenkern der DDR zu einer dreistündigen Veranstaltung, die sich „Erzählsalon“ nennt. Von den Schriftstellern, Schauspielern und Eiskunstläuferinnen der DDR ist bekannt, was sie nach deren Ende taten und dachten. Von Günter Mittag ist bekannt, dass er 1994 starb und wenige um ihn trauerten. Von und mit den Wirtschaftslenkern hat jedoch kaum mehr jemand geredet.

Hier geht es weiter:
http://www.taz.de/DDR-Wirtschaft-und-DD ... /!5054420/
Interessierter
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 24. Januar 2019, 15:55

Aus heutiger Sicht grenzt es auch an ein Wunder, dass sich Modrow über die Wende retten konnte.
Er war ja doch der Hauptverantwortliche SED-Täter, der im und am Bahnhof Dresden rücksichtslos Demonstranten und einfach zufällig anwesende Reisende brutal zusammenknüppeln ließ. Mir scheint es so, als sei unser Volk zu vergesslich. Verziehen wird man ihm ja kaum haben.
Als SED-Bezirkschef hatte er aber unbestreitbar die Befehlsgewalt zu damaliger Zeit. Mir ist noch eine ältere Reisende erinnerlich, die auch zusammengedroschen wurde.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Interessierter » 9. Oktober 2020, 15:23

Die DDR wurde vom Westen ökonomisch völlig überschätzt.

Die Fakten und Gründe des Untergangs kann man in dem nachstehenden, längeren Bericht lesen, der mit zahlreichen Fotos unterlegt ist. Ewiggestrige und Fans der Planwirtschaft bekommen beim Lesen hoffentlich keine Schnappatmung?

http://www.lehrfilme.eu/wahl/ddr-ruinen.htm

[hallo]
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Nostalgiker » 9. Oktober 2020, 16:22

Ich möchte nicht wissen was du hattest nachdem du diese Seite gefunden hast Interessierter, Schnappatmung garantiert nicht,
es lohnt nicht sich über die teilweisen wirren Gedanken zu äußern, manchmal dachte ich sogar unser Experte für Planwirtschaft; am Freitagnachmittag gab es keine Tomaten im Konsum; hat teilweise die Feder geführt.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Kumpel » 9. Oktober 2020, 16:25

Eigentlich hatte nur eines gefehlt in der DDR.
Westgeld!
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Nostalgiker » 9. Oktober 2020, 16:35

Es gab viele die darüber Verfügten, zwar nicht üppig aber sie hatten.
Daran kann es also nicht gelegen haben.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Interessierter » 9. Oktober 2020, 16:42

@Nostalgiker:Ich hatte schönen heißen Tee und echte Nürnberger Lebkuchen. Gab es die auch für den Ottonormalverbraucher in der tollen Planwirtschaft der DDR im HO - Laden zu kaufen?
Schon in den fünfziger Jahren haben die so toll geschmeckt.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Nostalgiker » 9. Oktober 2020, 17:06

Schön für dich das du immer noch an den Nürnberger Lebkuchen aus den 50er Jahren knabberst. Hast wohl damals einen größeren Posten von deinen Eltern hamstern lassen?

Du solltest mal die echten Pulsnitzer Lebkuchen probieren. Aber die sind dir bestimmt zu Ostig .......
Tee gab es auch, ich meine den schwarzen Tee.

Anfang Oktober bereits Adventgebäck zu essen halte ich für absolut dekadent.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon augenzeuge » 9. Oktober 2020, 18:50

Nostalgiker hat geschrieben:Du solltest mal die echten Pulsnitzer Lebkuchen probieren.


Igitt. Nicht noch mal. Hat man mir schon mal mitgebracht.

Ess ich nie wieder. Viel zu hart. Sorry, aber kein Vergleich.

AZ
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Oktober 2020, 19:04

Mit den Lebkuchen, dass wusste der Interessierte schon von mir, Nostalgiker.
Die mir am besten schmeckten war ein Viererpack mit rechteckigen Pulsnitzer Lebkuchen. Nur ein hauchdünner Zuckerguss drüber. Da schmeckte man die Gewürze. Kosteten 80 DDR-Pfennige. Bessere habe ich nie wieder bekommen. Ob die nicht mehr nach den alten Rezepten produzieren?
Es war also nicht alles schlecht. Wobei ich aber zu bedenken gebe, dass die Pulsnitzer nach uralten Rezepten buken. Also lange vor der DDR. Sind vielleicht Kreationen aus Kaiser- oder Hitlerzeit gewesen. Wenn letzteres, bin ich dann ein Nazi?

Gruß Volker
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Nostalgiker » 9. Oktober 2020, 19:05

Dann wollte man dich ärgern was ich verstehen kann [zunge]
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon pentium » 9. Oktober 2020, 19:13

Wer Pulsnitzer Lebkuchen mag ein Tipp:

Pfefferkuchen gibt es aber trotzdem!
06. - 08. November 2020
START IN DIE PFEFFERKUCHENSAISON
Die Pulsnitzer Pfefferküchler und Einzelhändler laden zum gemütlichen Einkauf ein.
http://www.pfefferkuchenmarkt.de/
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Gerd Böhmer » 9. Oktober 2020, 19:22

Interessierter hat geschrieben:Die DDR wurde vom Westen ökonomisch völlig überschätzt.

Die Fakten und Gründe des Untergangs kann man in dem nachstehenden, längeren Bericht lesen, der mit zahlreichen Fotos unterlegt ist. Ewiggestrige und Fans der Planwirtschaft bekommen beim Lesen hoffentlich keine Schnappatmung?

http://www.lehrfilme.eu/wahl/ddr-ruinen.htm

[hallo]


Nabend,

Eine Schnappatmung bekomme ich als gelernter Grosshandelskaufmann beim Thema Planwirtschaft bestimmt nicht. Wenn es auch keine staatliche Planwirtschaft mehr ist, aber auch unsere heutige Wirtschaft betreibt immer noch eine Planwirtschaft und kommt nicht planlos daher.
Zu Deinem Eingangsbeitrag, der Ruf des Genossen Mittag war in der DDR schon vor 1989 sehr schlecht. "Was erwarten wir, wenn wir von Krüppeln regiert werden", so zu hören im März 1989 auf der Fahrt in einem Messesonderzug von Leipzig nach Berlin in bester Bierlaune von Handelsreisenden.
MfG Gerd Böhmer,
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Gerd Böhmer » 9. Oktober 2020, 19:30

Interessierter hat geschrieben:@Nostalgiker:Ich hatte schönen heißen Tee und echte Nürnberger Lebkuchen. Gab es die auch für den Ottonormalverbraucher in der tollen Planwirtschaft der DDR im HO - Laden zu kaufen?
Schon in den fünfziger Jahren haben die so toll geschmeckt.


Nabend,

Zumindest in den Delikatläden der DDR, auch Fressex genannt, gab es ab den 1970-er Jahren Produkte aus westlicher Herkunft, wenn auch zu stark überhöhten Preisen. Auf Grund meiner Situation war ich sogar im Delikat in den Berliner Rathauspassagen nahe Alexanderplatz Stammkunde. Einmal im Monat ging das schon ...
MfG Gerd Böhmer,
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon HPA » 9. Oktober 2020, 20:05

westlicher Herkunft, wenn auch zu stark überhöhten Preisen


Nee das war aus der Gestattungsproduktion. Der Kram ,den man zu Spottpreisen für den Westen produzierte
HPA
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Gerd Böhmer » 9. Oktober 2020, 20:28

HPA hat geschrieben:
westlicher Herkunft, wenn auch zu stark überhöhten Preisen


Nee das war aus der Gestattungsproduktion. Der Kram ,den man zu Spottpreisen für den Westen produzierte


Na sagen wir es einmal so, sicher gab es Produkte aus der Gestattungsproduktion, aber auch Produkte die wirklich westlicher Herkunft waren. Da war die Produktpalette in den Delikatläden doch sehr umfangreich.
MfG Gerd Böhmer,
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Oktober 2020, 20:54

Der richtige Kaffee zum Beispiel war nie Gestattungsproduktion.
Die DDR hatte zwar immer Pläne, aber nie eine funktionierende Planwirtschaft, Mangelwirtschaft wäre sprachlich ehrlich gewesen.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Interessierter » 9. Februar 2021, 11:02

Planwirtschaft in der DDR - Wie groß war der Mangel?

Interessierter
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Februar 2021, 15:39

Super Video Wilfried.
Ich musste doch lachen...
Der Dresdener Bürgermeister hats gesagt: 12 Dachdecker gab es in Dresden und 6000 gemeldete kaputte Dächer. Und dann meldete er jeden Monat 1000 reparierte Dächer, weil die SED ein "Dächer dicht-Programm" beschloss.
Ja, das gab es. Es hieß: sicher, trocken, warm sollte jede Behausung sein, auch in den Altbauten. Im Zuge dessen bekam ich 1984 meine Gewerbegenehmigung als Schornsteinreparateur.
Ab 1985 meldete dann monatlich mein Bürgermeister meine Heldentaten nach Halle und Berlin. Abstrus war dieses Gebahren, aber es war genau so.
Ich bekam aber aber kein Gerüst, außer 2000 Ziegel keinerlei Material, kein fahrbares Auto und nach ewigem Intervenieren einen einzigen Freigabeschein für einen 75l-Betonmischer, den ich mir in Leipzig für 1200 Ostmark abholen konnte.
Improvisiert hat jeder. Als Selbständiger war ich bestimmt 2 Tage der Woche nur am Besorgen, suchen, tauschen, verhandeln und bestechen. Alles für meine Kunden.
In heutiger Rückschau fast unbegreiflich.
Und trotzdem habe ich von März 1985 bis zur Wende genau 265 Schornsteine repariert oder neu hochgezogen. In aller Regel über Dach.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Edelknabe » 9. Februar 2021, 19:06

Diese schöne Geschichte passt hier rein,eben neben Volker seinen Schaffenszeiten weil wohl dieselbe Zeit vor der Wende in 1989.

Damals war mir der Privatbetrieb irgend wie näher als der VEB ...einfach ans schaffende Herz gewachsen:

"Ich nenne sie" Kumpanei ist Lumperei "von Rainer-Maria Rohloff

Rudi kam zu uns, da war ich schon eine Weile in diesem Privatbetrieb beschäftigt, über den ich hier schon einmal oder mehrmals geschrieben habe. Er war ein „ Ungelernter“, das hieß einer, der sich aus irgendwelchen Gründen in den Bereich der Privatwirtschaft zurück gezogen hatte. Derer Gründe gab es in den 70 / 80er Jahren in der DDR viele, eventuell aktuelle Ausreiseanträge, Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehova, ehemalige Konfirmanden, Politikverweigerer ohne oder mit Hang zu Oppositionsgedanken, Einzelkämpfer so wie mich, Leute vom anderen Ufer und Krankheiten wie leichte und schwere Alkoholsucht, wohl bemerkt, damals war das noch keine anerkannte Krankheit, eher ein Laster und noch X andere Gründe mehr. Es war eine Nische im Arbeiter und Bauernstaat, in der sich gut leben ließ, gehe ich einmal von mir aus.

Rudi gehörte zu den leichten Laster- Fällen und was er früher einmal gearbeitet hatte weiß ich heute nicht mehr, nur Eines weis ich noch, sein ehemaliger Chef war ein „ Kleiner alter Krauter“. So nannte man die, die schon immer private Betriebe in Erbfolge betrieben, so ab 18. Jahrhundert bis mitten in die DDR hinein. Die, die nach 1945 blieben, ich nenne Sie die Bodenständigen. Man ließ sie Werkeln oder Schaffen, die Republik war auf sie angewiesen. Ob gut oder schlecht lag wohl an jedem selbst, an seinem diplomatischen Draht zu den „ Obersten Zehntausend“ und den Kombinaten. Die Großen mit bis zu 100 Beschäftigten verstaatlichte man ab Anfang der 70er Jahre oder besser ausgedrückt auf den Stuhl des Direktor kam ein geschulter Leiter mit Bonbon am Revers, für die Schüler als Erklärung, das war das Parteiabzeichen der SED. Der Alteigentümer konnte bleiben aber ohne Funktion weiter mitschaffen.. So im Nachhinein betrachtet war es ein Fehler, diese ganze Verstaatlichungsaktion, meine ich. Aber Fehler sind menschlich.

Unsere Auftragslage im Kleinstbetrieb war gut, mehr wie gut und so wurde für die Helfertätigkeiten jede Hand gebraucht. Am Anfang merkte ich nichts, ach so, ich vergaß noch zu schreiben, mir oblag die Funktion des Brigadier. So hieß das eigentlich im Volkseigenen Betrieb, beim Privatmann eher Vorarbeiter, der Westen sagt Polier dazu. Ist auch egal, es ist der, der sich mit dem Kunden, seinem Chef und mit seinen eigenen Kollegen herumärgert, es gehört jedenfalls eine gewisse Diplomatie dazu und ich dachte, die hätte ich. Wie gesagt, ich dachte….

Es passierte schon mal, das Rudi früh zu spät auf die Baustellen kam. Seine Ausreden waren immer sehr akkurat, und mein Chef Harald, der kam sowieso etwas später. Bei seiner jungen Frau war das menschlich, sie war eine studierte Ingenieurin, er übrigens auch und zwar für Automatisierung, und hatte den VEB satt, wollte mal etwas Anderes machen, aber was, das wusste sie auch nicht so richtig. Sie probierte noch und Harald brachte die Kohle, das Geld nach Hause. Wir waren immerhin stellenweise so bis zu acht Mann. Wenn man es so will, waren sie Beide „Ungelernte“, stürzten sich da auf ein völlig neues Feld aber sie hatten ja mich und meine Kollegen, wir waren die Fachleute, in der DDR sagte man Facharbeiter dazu.
Was wollten sie mehr, Harald hatte zwei linke Hände aber war ein guter Kaufmann, Bruni führte die Bücher, sie führte sie gut. Mein Lohn stimmte, und der, der Anderen auch..

Mein Chef, damals noch mein Freund sagte einmal zu mir: „ Eigentlich sind wir schön blöd, das wir so mühevoll produktiv Schaffen, Handel bringt doch viel mehr ein“. Am Wochenende, wenn ich zum Pfuschen fuhr, holte er vom Großhandel drei Fässer rote Limonade, stellte sich bei Veranstaltungen vor das Zentralstation in Leipzig und verkaufte das Brausewasser mit sehr gutem Gewinn, er hatte wohl damals schon leichte Aldi-Gene im Blut. Keine Behörde wollte eine Standgebühr von ihm haben ,und wenn, waren es nur Pfennige.

„Schlechte Zahlungsmoral“, diese zwei Worte gehörten in meinem Land zu den Fremdwörtern, aber das hatte ich meinem Handwerkerfreund dem Transitfahrer schon einmal geschrieben. Natürlich, Peter, in deinem Westdeutschland auch, zumindest vor1989 , erst danach fing der Ärger mit den säumigen Zahlern an. Jedenfalls war ich froh, das Rudi kam, wenn auch verspätet kam, manchmal schon mit leichter Alkoholfahne aber egal, auf Arbeit trank er selten, eher viel Kaffee..

Jetzt werden manche sagen, ja, ja der Alkohol und die DDR. Dazu ein kleines Gegenbeispiel. Nach der Wende, nach 1990 war ich im Zuge meines Berufes mehrere Jahre in Brauereien der alten Bundesländer unterwegs, dort standen die Bierkästen im Frühstücks und Mittagsraum gestapelt zum Zugreifen herum und……Lange Rede, kurzer Sinn. Gesoffen wurde hüben und drüben während der Arbeit und das nicht zu knapp. Das war doch das mit dem „ an die eigene Nase fassen“, Peter, mein Freund, aber ich schweife ab.Ende des ersten Teil.


Namen wurden mit Rücksicht auf die handelnden Personen geändert.
.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Kumpel » 9. Februar 2021, 19:36

Diese Geschichte haste hier schon mal rein kopiert Edelknabe.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Edelknabe » 9. Februar 2021, 19:41

Hier im Fred Kumpel? Ich denke nicht.Woanders bestimmt und nee, das macht doch nix weil, es wird ja gelesen. Und das ist auch gut so weil wieder, es ist ja nix erfundenes.

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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Februar 2021, 19:58

Nicht richtig ist an der Geschichte, dass enteignete Betriebsbesitzer immer einen SED-Mann vorgesetzt, möglichst noch auf dem Chefsessel hatte. Auch das war unterschiedlich gehandhabt.
Unserem Betriebschef setzte man 1972 die sprichwörtliche Pistole auf die Brust. Und weil er dann einwilligte seine Firma nun unter VEB zu firmieren, behielt er seinen Direktorenplatz. Allerdings rechenschaftspflichtig dem Bezirkswirtschaftsrat gegenüber.


Gruß Volker
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Edelknabe » 9. Februar 2021, 20:12

Was war, ist an der Geschichte vom Rainer jetzt gleich nochmal nicht richtig Volker Zottmann? Mein damaliger Chef (wir im selben Alter)hatte sich noch eher wie du selbstständig gemacht, noch vor 1985. Und der kam richtig gut zurecht, zu damaliger Zeit.

Rainer Maria

PS: Oder habe ich da was falsch verstanden? Dann gut, dann vergiss den Vortext.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Februar 2021, 22:00

Warum nur Edelknabe, stellst Du Dich immer so dumm?
Dies hier hast Du geschrieben und so verallgemeinert. Und das ist verallgemeinert falsch.


Edelknabe hat geschrieben: Die Großen mit bis zu 100 Beschäftigten verstaatlichte man ab Anfang der 70er Jahre oder besser ausgedrückt auf den Stuhl des Direktor kam ein geschulter Leiter mit Bonbon am Revers, für die Schüler als Erklärung, das war das Parteiabzeichen der SED. Der Alteigentümer konnte bleiben aber ohne Funktion weiter mitschaffen..



Gruß Volker
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Beethoven » 12. Februar 2021, 07:45

Nun ja, in der DDR mangelte es an vielem. Keiner wird das bestreiten.

Die Vorgaben waren oft an den wirklichen Bedürfnissen des Volkes vorbei, beschlossen.
Die immer Recht habende Partei, sah vieles eben anders als Hänschen Müller.

Der hochverehrte Genosse Günter Mittag war schon zu Zeiten der DDR (hinter vorgehaltener Hand) als unfähig bekannt. Nur die Herrn ganz oben, sahen das wohl nicht. Was für ein Dilemma? Aber er war es eben nicht allein. Er konnte sich auf einen, ihm wohl hörigen Apparat, stützen, der lieber "katzbuckelte" als gegen zu halten.

Nun, die Prämissen waren eben nicht hochwertige Lebensmittel, tolle Autos und Auslandreisen, sondern eben Wohnungen, Bildung, Kultur, Gesundheitssystem, öffentlicher Verkehr, Wärme (ob nun als Kohle oder als Fernwärme) und vieles Andere, was nur Pfennige kostete und so eben niemals deckend bezahlt wurde, sondern vom Staat pausenlos bezuschusst wurde. Das konnte auf die Dauer nicht gut gehen.
Und wehe es wurde Kritik ausgeübt. Das hörten die Oberen gar nicht so gerne.

Beispiel:
Im letzten Studienjahr war der Sekretär der SED-Bezirksleitung Dresden, bei einer Parteiveranstaltung "meines" Hörsaals zu Gast bei uns und erzählte uns was vom "Wald".
Ein Major der VP (war vor dem Studium an der MAK Fachlehrer / Zugführer an der VP-Hochschule Dresden) stellte dann eine Frage, wann er denn seinen vor 10 Jahren bestellten Trabi erwarten dürfe.
Er habe die Bestellnummer XXX und ausgeliefert wird gerade die Nummer FFF. Somit würde er in (ich weiß nicht genau ob die Zahl nun stimmt - ich sag mal) 18 Jahren seinen Trabi erhalten.
Oh ha, diese Frage war nicht nett. Unser "Genosse Bezirkssekretär" war sprachlos.
Der Major bekam von der Parteileitung des Hörsaals einen auf den Deckel.
Übrigens der größte Kommunist und Vorsitzender der Parteileitung des Hörsaals (Hptm M.) wurde in der BW noch zum Oberstleutnant. Ein Mann ohne Rückgrat aber mit ordentlichen Beinen um nach unten zu treten. Leider gab es solche Männer auch.

Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Volker Zottmann » 12. Februar 2021, 10:24

Da bin ich ja fast angenehm überrascht, was Beethoven da schreibt.
Bisher wurde Schreiber solcher Wahrheiten hier immer niedergemacht .

Natürlich war der Mittag nicht allein unfähig. FAST das ganze Zentralkommitee war es, gepaart mit einer hörigen Volkskammer. Die DDR konnte als Experiment nur implodieren.
Das schrieb ich aber schon vor Jahren und wurde oft genug, auch von Beethoven gescholten.
Die Politclique hätte mal Jahre vor dem Untergang schon mal auf die wenigen Schürers, die es auch gab, hören sollen.
Wenn ein Staat an die Spitze aber Lehrabbrecher und Hilfsarbeiter stellt, die nie Rechnen gelernt haben, brauchte man sich auch nicht wundern.

Gruß Volker
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Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Olaf Sch. » 12. Februar 2021, 10:59

Das ist nicht alles. Die Vergreisung und die Kritikunfähigkeit spielen auch eine Rolle. Dazu kommt noch, das alles geplant wurde, wieviel Streichhölzer oder Toilettenpapier hergestellt werden sollte, das kann nicht funktionieren.
Olaf Sch.
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Interessierter » 12. Februar 2021, 11:18

AkkuGK1 » 12. Feb 2021, 10:59
Das ist nicht alles. Die Vergreisung und die Kritikunfähigkeit spielen auch eine Rolle. Dazu kommt noch, das alles geplant wurde, wieviel Streichhölzer oder Toilettenpapier hergestellt werden sollte, das kann nicht funktionieren.


Ob das auch unserem Forumsfreund karnak gefällt? [ich auch]
Interessierter
 

Re: Mängel, Macken, Misswirtschaft

Beitragvon Olaf Sch. » 12. Februar 2021, 11:29

Der hat von sozialistischer Produktion so viel Erfahrung wie mein linker Schuh...
Olaf Sch.
 

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