Treuhand-Funktionär Scheunert
Verfasst: 9. November 2019, 10:50
"Der Jammer-Ossi ging mir maßlos auf die Nerven"
Er war der einzige Ostdeutsche zwischen lauter West-Managern: Detlef Scheunert trieb als Treuhand-Direktor Verkauf und Schließung alter DDR-Betriebe voran - und galt seinen Bekannten deshalb bald als Kollaborateur.
Als nach der Wende aus Planwirtschaft Marktwirtschaft werden sollte, war Detlef Scheunert das Bindeglied zwischen zwei einander fremden Systemen. Als einziger Ostdeutscher rückte er auf in den Vorstand der Treuhand, ein junger Mann aus Sachsen zwischen jovialen Managern aus den Chefetagen westdeutscher Konzerne. Sie suchten Käufer für mehr als 8000 DDR-Betriebe.
Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder wollte damit eigentlich noch 600 Milliarden D-Mark erlösen. Scheunert wusste es besser, weil er die maroden Betriebe kannte. Als junger Funktionär eines DDR-Ministeriums hatte er Ende der Achtzigerjahre Industriebetriebe abgeklappert. Je weiter entfernt sie von Berlin lagen, desto desolater waren sie.
Scheunert sagt, der Osten habe den Westen an der Nase herumgeführt mit der Legende, die DDR sei weltweit Wirtschaftsmacht Nummer zehn. Am Ende machte die Treuhand mehr als 200 Milliarden D-Mark Verlust.
SPIEGEL: Das alles ist jetzt 30 Jahre her, aber die Treuhand polarisiert noch immer. Wundert es Sie, dass Linke und AfD unisono einen Untersuchungsausschuss fordern?
Scheunert: Ich finde den Gleichklang der Argumentation bemerkenswert. Wenn ich Dietmar Bartsch und Björn Höcke fast wortgleich Forderungen stellen höre, weiß ich nicht, ob Bartsch sich überlegt hat, mit wem er im Gleichklang ist. Die Legendenbildung, die von AfD und Linke weitergetrieben wird, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft bei - gerade in Ostdeutschland. In Thüringen haben 54 Prozent Linke und AfD gewählt - da muss man sich überlegen, was sich in den vergangenen 30 Jahren in den Köpfen festgesetzt hat.
Wundert es Sie, dass Linke und AfD unisono einen Untersuchungsausschuss fordern?
Scheunert: Ich finde den Gleichklang der Argumentation bemerkenswert. Wenn ich Dietmar Bartsch und Björn Höcke fast wortgleich Forderungen stellen höre, weiß ich nicht, ob Bartsch sich überlegt hat, mit wem er im Gleichklang ist. Die Legendenbildung, die von AfD und Linke weitergetrieben wird, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft bei - gerade in Ostdeutschland. In Thüringen haben 54 Prozent Linke und AfD gewählt - da muss man sich überlegen, was sich in den vergangenen 30 Jahren in den Köpfen festgesetzt hat.
SPIEGEL: Was hat sich denn festgesetzt?
Scheunert: Ich störe mich daran, dass immer gesagt wird: "Es geht uns so schlecht, wir sind so frustriert." Bitte mehr Objektivität! Was im Osten alles geschaffen wurde! Das beginnt auch mit der Treuhandanstalt. Es sind unendlich viele Milliarden in den Osten geflossen.
SPIEGEL: Brauchen wir einen Treuhand-Untersuchungsausschuss, um vielleicht auch mal mit dem Thema abzuschließen?
Scheunert: Das ist hochgradiger politischer Populismus von AfD und Linken, es ist Geschichtsklitterung. Die Linken sind die politischen Nachfolger der SED, und die hat das Wirtschaftsmodell an die Wand gefahren. Es war ein moralischer, vor allem aber ein wirtschaftlicher Konkurs. 70 Jahre Sowjetsozialismus, 40 Jahre DDR-Sozialismus waren am Ende. Öffentliche Beteiligung war so was von out, niemand wollte das. Es war ein Triumph der Marktwirtschaft.
SPIEGEL: Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat spricht von den "Machenschaften der Treuhand".
Scheunert: Höcke hat sich vor der Thüringenwahl hingestellt und gesagt, das Leid in Ostdeutschland nach der Wende hat einen Namen - Treuhandanstalt. Was für ein Demagoge!
SPIEGEL: Sind Sie heute mit sich im Reinen, dass die schöpferische Zerstörung richtig war?
Scheunert: Ich war damals wie heute der Überzeugung, dass die Orientierung an der Marktwirtschaft richtig ist, weil ich die persönliche Freiheit der Menschen gesehen habe und fest davon überzeugt bin, dass Privateigentum die Grundlage von effizientem Wirtschaften ist. Ich halte wenig von Staatsbeteiligung. Der Osten, diese kleine DDR, war schon eine komische Gesellschaft. Geführt von Dilettanten, die aus ihrer Jugend heraus eine faszinierende Idee entwickelt hatten. Und dann haben sie das so vermurkst, weil sie an alten Dogmen festgehalten haben.
Den vollständigen Beitrag und einige Statistiken findet man hier:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozia ... 95498.html
Er war der einzige Ostdeutsche zwischen lauter West-Managern: Detlef Scheunert trieb als Treuhand-Direktor Verkauf und Schließung alter DDR-Betriebe voran - und galt seinen Bekannten deshalb bald als Kollaborateur.
Als nach der Wende aus Planwirtschaft Marktwirtschaft werden sollte, war Detlef Scheunert das Bindeglied zwischen zwei einander fremden Systemen. Als einziger Ostdeutscher rückte er auf in den Vorstand der Treuhand, ein junger Mann aus Sachsen zwischen jovialen Managern aus den Chefetagen westdeutscher Konzerne. Sie suchten Käufer für mehr als 8000 DDR-Betriebe.
Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder wollte damit eigentlich noch 600 Milliarden D-Mark erlösen. Scheunert wusste es besser, weil er die maroden Betriebe kannte. Als junger Funktionär eines DDR-Ministeriums hatte er Ende der Achtzigerjahre Industriebetriebe abgeklappert. Je weiter entfernt sie von Berlin lagen, desto desolater waren sie.
Scheunert sagt, der Osten habe den Westen an der Nase herumgeführt mit der Legende, die DDR sei weltweit Wirtschaftsmacht Nummer zehn. Am Ende machte die Treuhand mehr als 200 Milliarden D-Mark Verlust.
SPIEGEL: Das alles ist jetzt 30 Jahre her, aber die Treuhand polarisiert noch immer. Wundert es Sie, dass Linke und AfD unisono einen Untersuchungsausschuss fordern?
Scheunert: Ich finde den Gleichklang der Argumentation bemerkenswert. Wenn ich Dietmar Bartsch und Björn Höcke fast wortgleich Forderungen stellen höre, weiß ich nicht, ob Bartsch sich überlegt hat, mit wem er im Gleichklang ist. Die Legendenbildung, die von AfD und Linke weitergetrieben wird, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft bei - gerade in Ostdeutschland. In Thüringen haben 54 Prozent Linke und AfD gewählt - da muss man sich überlegen, was sich in den vergangenen 30 Jahren in den Köpfen festgesetzt hat.
Wundert es Sie, dass Linke und AfD unisono einen Untersuchungsausschuss fordern?
Scheunert: Ich finde den Gleichklang der Argumentation bemerkenswert. Wenn ich Dietmar Bartsch und Björn Höcke fast wortgleich Forderungen stellen höre, weiß ich nicht, ob Bartsch sich überlegt hat, mit wem er im Gleichklang ist. Die Legendenbildung, die von AfD und Linke weitergetrieben wird, trägt zur Polarisierung der Gesellschaft bei - gerade in Ostdeutschland. In Thüringen haben 54 Prozent Linke und AfD gewählt - da muss man sich überlegen, was sich in den vergangenen 30 Jahren in den Köpfen festgesetzt hat.
SPIEGEL: Was hat sich denn festgesetzt?
Scheunert: Ich störe mich daran, dass immer gesagt wird: "Es geht uns so schlecht, wir sind so frustriert." Bitte mehr Objektivität! Was im Osten alles geschaffen wurde! Das beginnt auch mit der Treuhandanstalt. Es sind unendlich viele Milliarden in den Osten geflossen.
SPIEGEL: Brauchen wir einen Treuhand-Untersuchungsausschuss, um vielleicht auch mal mit dem Thema abzuschließen?
Scheunert: Das ist hochgradiger politischer Populismus von AfD und Linken, es ist Geschichtsklitterung. Die Linken sind die politischen Nachfolger der SED, und die hat das Wirtschaftsmodell an die Wand gefahren. Es war ein moralischer, vor allem aber ein wirtschaftlicher Konkurs. 70 Jahre Sowjetsozialismus, 40 Jahre DDR-Sozialismus waren am Ende. Öffentliche Beteiligung war so was von out, niemand wollte das. Es war ein Triumph der Marktwirtschaft.
SPIEGEL: Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat spricht von den "Machenschaften der Treuhand".
Scheunert: Höcke hat sich vor der Thüringenwahl hingestellt und gesagt, das Leid in Ostdeutschland nach der Wende hat einen Namen - Treuhandanstalt. Was für ein Demagoge!
SPIEGEL: Sind Sie heute mit sich im Reinen, dass die schöpferische Zerstörung richtig war?
Scheunert: Ich war damals wie heute der Überzeugung, dass die Orientierung an der Marktwirtschaft richtig ist, weil ich die persönliche Freiheit der Menschen gesehen habe und fest davon überzeugt bin, dass Privateigentum die Grundlage von effizientem Wirtschaften ist. Ich halte wenig von Staatsbeteiligung. Der Osten, diese kleine DDR, war schon eine komische Gesellschaft. Geführt von Dilettanten, die aus ihrer Jugend heraus eine faszinierende Idee entwickelt hatten. Und dann haben sie das so vermurkst, weil sie an alten Dogmen festgehalten haben.
Den vollständigen Beitrag und einige Statistiken findet man hier:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozia ... 95498.html