Putins Luftwaffe leidet unter einer Absturzserie Gerhard Hegmann
Ende August findet in der Nähe von Moskau die größte Luftfahrtmesse Russlands statt. Der alle zwei Jahre veranstaltete Branchentreff soll wieder eine Leistungsschau über die Ingenieurs- und Flugzeugbaukunst des Landes werden. Doch ausgerechnet jetzt verzeichnen die Moskauer Militärs eine mysteriöse Absturzserie. Nicht von einem bestimmten Modell – sondern querbeet vom Kampfjet bis zum Langstreckenbomber für Atomwaffen.
So stürzte jetzt erneut ein russischer Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95MS ab. Es ist der zweite Verlust des Bombers in gut einem Monat und der sechste Absturz eines Militärmodells in der gleichen Zeitspanne. Bei dem jüngsten Crash am Dienstag in der Nähe der Stadt Chabarowsk nahe der chinesischen Grenze kam es nach Angaben von Nachrichtenagenturen zu einem kompletten Triebwerksversagen.
Zwei Piloten seien ums Leben gekommen, während sich fünf Besatzungsmitglieder per Fallschirm gerettet hätten, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Das mehrere Jahrzehnte alte Modell sei auf einem unbewohntem Gebiet niedergegangen und in einem Waldstück explodiert. Nach ersten Erkenntnissen habe ein Defekt in der Treibstoffleitung zu einem Aussetzen der Triebwerke geführt.
Wie es heißt, verbot das Verteidigungsministerium bis auf Weiteres Flüge mit dem Langstreckenbomber Tu-95, der in der Sprache der Nato den Codenamen "Bear" trägt. Das Aussetzen von Flügen nach einem Absturz gehört zwar zu den international üblichen Regeln, bis die Unfallursache näher eingegrenzt ist.
Mangel an erfahrenen Piloten
Doch es gab erst Anfang Juni ein Flugverbot für den schnellen, propellergetriebenen Bomber. Damals fing ein Triebwerk einer Tu-95 beim Start Feuer, und das Modell schoss über die Startbahn hinaus. Ein Besatzungsmitglied wurde getötet. Davor wurde zuletzt 2013 ein Tu-95-Unfall publik. Von der Tu-95 wurden im Zeitfenster 1956 bis 1993 mehrere Hundert Modelle produziert, von der Version Tu-95MS mehrere Dutzend.
Tupolew Tu-95MS: Wie es heißt, verbot das Verteidigungsministerium bis auf Weiteres Flüge mit dem Langstreckenbomber
Foto: REUTERS Tupolew Tu-95MS: Wie es heißt, verbot das Verteidigungsministerium bis auf Weiteres Flüge mit dem Langstreckenbomber
Der Langstreckenbomber Tu-95 ist zwar ein Modell noch aus der Zeit des Kalten Krieges. Jahrzehntealte Flugzeuge müssen aber nicht zwangsläufig ein Sicherheitsrisiko sein. So sind auch alle US-Bomber mehrere Jahrzehnte alt. Beispielsweise haben die 76 Langstreckenbomber B-52 der US-Streitkräfte ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren. Daher plant die US-Luftwaffe derzeit nicht nur einen neuen Bomber, sondern investiert jährlich auch Hunderte von Millionen in den Erhalt und die Modernisierung ihrer Flotte.
Die Russen haben derzeit aber ein Problem, das nicht nur die Langstreckenbomber betrifft. Zur jüngsten Absturzserie gehört auch der Verlust eines betagten Jagdbombers vom Typ Suchoi Su-24, der Anfang Juli beim Start verunglückte. Hinzu kommen zwei Kampfjets vom Typ MIG-29 und ein relativ moderner Jagdbomber Su-34, bei dem der Bremsfallschirm bei einer Landung versagte.
Die Unglückskette sorgt bei Experten für Aufsehen und der Suche nach Erklärungen. Die Branchenpublikation defensenews.com zitiert eine Quelle aus dem Umfeld des russischen Verteidigungsministeriums, wonach es zwei Hauptsursachen gibt: Auf der einen Seite überaltertes oder schlecht gewartete Modelle und auf der anderen Seite ein Mangel an erfahrenen Piloten.
Mehr Flüge seit der Ukraine-Krise
Einige Beobachter sehen auch einen direkten Zusammenhang mit den verstärkten Flugaktivitäten der Russen seit der Ukraine-Krise. Immer häufiger testen die Russen die Reaktionsfähigkeit des westlichen Bündnisses an ihren Außengrenzen. So gab es erst im Mai Berichte über das Auftauchen des jetzt mit Flugverbot belegten Langstreckenbombers Tu-95 an den Grenzen Kanadas.
Angeblich begleiteten allein in diesem Jahr Nato-Flugzeuge über 400 russische Militärmaschinen bei ihren Flügen an den westlichen Außengrenzen, ein Anstieg um 50 Prozent in einem Zweijahreszeitraum. Sehr altes Fluggerät werde sehr intensiv genutzt, und dies führe dann zu Zwischenfällen, heißt es als Erklärung.
In den vergangenen Monaten gab es auch immer wieder Berichte aus Russland über Modernisierungskampagnen für alte Flugzuge oder neue Programme. Erst vor wenigen Tagen hieß es, Russland arbeite an der Wiederaufnahme einer modernen Version des Überschalllangstreckenbombers Tu-160. Der Westen müsse sich auf eine modernisierte russische Luftwaffe einstellen.
Quelle:
http://www.welt.de/wirtschaft/article14 ... serie.html