GR 35 , 4. Kompanie und die DSF

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GR 35 , 4. Kompanie und die DSF

Beitragvon Interessierter » 2. April 2017, 09:50

Im Großen und Ganzen erlebte ich die in vielen Propagandaschriften und NVA Presseerzeugnissen postulierte "Deutsch - Sowjetische Freundschaft" zwischen der NVA und der Sowjetarmee total anders als in diesen Schriften dargestellt.

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In unserer Einheit (GR 35 , 4. Kompanie) wurden Treffen mit Sowjetsoldaten organisiert, um die vorgeschriebene "Deutsch-Sowjetische Freundschaft" zu praktizieren: ein Sportfest, ein gemeinsamer Ausflug in das Armeemuseum Potsdam, ein Treffen in unserer Kaserne in der Weihnachtszeit und ein Treffen in der Sowjetkaserne in Karlshorst. Ich ( der Autor ) hatte den Auftrag, diese Begegnung zu fotografieren und ein Fotoalbum anzulegen. Dieses Fotoalbum war eines Tages Anlass für einen Reporter der Armeezeitung "Nationale Volksarmee", über unsere Einheit und die praktizierte "Deutsch - Sowjetische Freundschaft" einen Artikel zu schreiben.

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Auf unserer Seite war keine übergroße Begeisterung für diese Aktivitäten vorhanden, da diese "politisch ideologischen Maßnahmen" dirigiert und befohlen waren. Für uns waren die Sowjetsoldaten "arme Schweine", da wir wussten, das der gemeine Soldat mieser in seiner Armee behandelt wurde, als wir. Er bekam grundsätzlich keinen Ausgang (außer verordnete Gruppenausgänge), musste länger dienen, bekam eine schlechtere Verpflegung und führte praktisch ein Sklavendasein, da ihm grundsätzliche bürgerliche Rechte verweigert waren. Offizielle und inoffizielle Prügel waren nicht selten Realität. Erkennbar war aber, daß sich die "Russen" wie die kleinen Kinder freuten, wenn sie mit uns zusammen trafen. Wir hatten ein striktes Alkoholverbot während dieser Treffen verordnet bekommen. Fast jeder Grenzsoldat hatte aber ein bis zwei “Taschenrutscher” oder sogar ein "Rohr" für die "Freunde"als Akt der Kameradschaft in der Tasche, weil wir wussten, daß die russischen Soldaten Durst hatten und wenig Gelegenheit, diesem zu frönen.

Mehr hier:
http://www.ddr-zeitzeugen.de/html/dsf.html
Interessierter
 

Re: GR 35 , 4. Kompanie und die DSF

Beitragvon Volker Zottmann » 2. April 2017, 10:10

Anzumerken ist, dass es überall Unterschiede gab.
In unserer Einheit war es 1970/71 grundsätzlich nie möglich Besuch zu empfangen. Auch nicht an freien Tagen.
Die Russen, die aus Jüterbog/Altes Lager kamen und in 8 Monaten von uns Jungfacharbeitern zu "Spezialisten" ausgebildet wurden, hatten wir verordneten freundschaftlichen Kontakt. Die schliefen die Woche über in der 6 km entfernten Russenkaserne in Torgau, dem Zuchthaus Fort Zinna gegenüber.
Aus Neugier und vor allem Mitleid kümmerten wir uns um diese armen Kerle. So blühte bald auch ein Uhrenschwarzhandel. Die bekamen die Uhren von ihren Vorgesetzten um sie zu verticken.
Alk haben wir ihnen auch so manches Mal verabreicht. Doch nie mehr als 2 Schluck. Die Russen waren so "entwöhnt", dass der Fusel sofort wirkte. Und besoffene Russen wären kein 2. Mal auf unsere Baustelle gekommen.
1966 hatte der russische Rekrut noch ein volles Jahr in einer sowjetischen Heimatkaserne Ausbildung, bevor er für 2 Jahre in die DDR kam. So musste mein Freund Boris auch als Panzerfahrer volle 3 Jahre Grundwehrdienst leisten. Später kamen die Russen wohl direkt nach der Schulzeit als Soldaten in die DDR und schruppten "nur" noch 2 Jahre ab. Meist ohne jeden Heimaturlaub.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: GR 35 , 4. Kompanie und die DSF

Beitragvon Beethoven » 2. April 2017, 14:49

Ja, den Soldaten der GSSD (später hieß die "Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland" nur noch die "Westgruppe der Truppen" - WGT) ging es lange nicht so, wie den Angehörigen der NVA und die stöhnten ja bekanntlich schon, wie man auch hier so schön nachlesen kann.

Es war nicht die Freundschaft und ständige Zusammenarbeit, wie unter den verschiedenen Streitkräften der NATO. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Das lag aber nicht an der DDR und dessen Bürgern oder den Armeeangehörigen. Das wollten die Sowjets selber so. Verbrüderungen zwischen Deutschen (den Nemzis) und Soldaten der Sowjetarmee waren von denen nicht gerne gesehen, teilsweise sogar untersagt. Dazu könnte ich mehrere Beispiele schreiben, die ich selber erlebt habe.

Andererseit hatten die Sowjets ca. 500.000 Soldaten auf dem Territorium der DDR stehen. Eine unverhätnismäßig hohe Zahl. Praktisch die Hälfte der ersten strategischen Staffel. Wenn die alle nur einmal im Monat raus gekommen wären, na dann hätte es viele kleine Koljas und Nataschas in der DDR gegeben, die Produktion von Alkohol hätte wesentlich erhöht werden müssem [wink] und in den Garnisionsstädten hätte die Hälfte der Bürger russisch gesprochen. [hallo]

Die operative Planung der NVA wurde ja, das dürfte wohl bekannt sein, vom Generalstab der sowjetischen Streitkräfte vorgegeben und vom Minister und seinen Stellvertretern in WÜNSDORF verteidigt und genehmigt. Selbst der Minister oder einer seiner Stellvertreter, also der Chef des Hauptstabes und der Politchef als auch die Chefs der Waffengattungen so sie Stellvertreter waren und die Chefs der Teilstreitkräfte, konnten nicht ohne vorherige Anmeldung und dann in Begleitung zum Stab der WGT vordringen. Allein das zeigt schon, wie geheim sich die Männer der WGT gaben.
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

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