von tom-jericho » 28. April 2016, 20:02
Die absichtliche Schädigung des Gehirns durch Elektroschocks zur Ausschaltung Oppositioneller ab 1945
Zur Schädigung des Gehirns Oppositioneller werden eine Vielzahl von Techniken angewandt. Von besonderem Interesse ist dabei die Anwendung von Elektroschocks, da sie eine dauerhafte Schädigung erlauben.
Peter R. Breggin beschreibt in "Brain-Disabling Treatments in Psychiatry: Drugs, Electroshock and the Psychoparmaceutical Complex" auf Seite 218 ff. einen solchen Fall in dem es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen einschließlich einer Verringerung des Intelligenzquotienten um 20 Punkte kam.
Nach dem Auflösen der Konzentrationslager sind ab Herbst 1945 in Deutschland wieder die alten verdeckten Methoden der Verfolgung Oppositioneller verwendet und weiterentwickelt worden. Aus dieser Zeit stammt der Aufsatz
Psychopathologische Erfahrungen mit der Elektrokrampfmethode
von Walter v. Baeyer und Wilhelm Grobe, 11. Juni 1947, veröffentlicht in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, Band 179, S. 163-233, Berlin 1948.
Die Erläuterungen sind in farbiger Schrift dargestellt.
Zuerst wird das Ergebnis der Elektroschocks beschrieben.
(S.190) Bei manchen Depressionen ist es so, als ob die krampferzeugte, typisch organische Lustqualität in ihrer flachen, gedankenarmen, wohligen Art und mit ihrer charakteristischen Neigung zu einfältigen Lachreaktionen bei belanglosen Anlässen die seelischen Voraussetzungen für das Haben schwermütiger Gefühle, für Sorgen, Befürchtungen, Selbstvorwürfe, Insuffitzienzgedanken einfach auslöschte und aufhöbe und an die Stelle der depressiven Gemütsverfassung träte. (...)
Es wird offen zugegeben, daß Depressionen durch die Lebensumstände verursacht werden. Trotzdem wird eine Erkrankung behauptet und Elektroschocks eingesetzt um Beschwerden gewaltsam zu unterdrücken. Durch die Zerstörung des Intellekts sind die Gefolterten gar nicht mehr in der Lage auf ihre Lebensumstände angemessen zu reagieren. Auch nicht sie durch eigene Anstrengung zu verbessern.
Besonders deutlich ist das bei den erfolgreich behandelten reaktiven Depressionen, wo von Krampf zu Krampf die Bedeutung des verstimmenden Anlasses, der an sich unveränderten, niederdrückenden Lebenssituation, abblaßt oder optimistischer beurteilt wird. In dieser stark vital gefärbten Wohligkeit des subjektiven Befindens ist es nicht mehr möglich, Dinge schwer zu nehmen, an Enttäuschungen und Sorgen wirklich zu leiden. Wenn den Patienten jede Kleinigkeit amüsiert und zum Kichern und Lachen reizt, hört die Ernstwertung äußerer Umstände auf, erlischt die Neigung zu selbstquälerischen Gedankengängen.(...)
Die direkt nach dem Krieg, auch bei Verfolgten des 3. Reiches objektiv vorhandenen Probleme konnten dann von den Behörden abgestritten und als eingebildet dargestellt werden.
Hypochondrisch-depressive Inhalte sind noch da, werden aber nicht mehr ernst genommen, bewitzelt. (...)
Kaum verdeckt wird die Folterung von Verfolgten des 3. Reiches propagiert um sie zum Schweigen zu bringen.
(S.191) Bei einer senilen Depression, einem alten Mann, der Anfangs in tiefer Unruhe und Verzweiflung glaubte, daß er geschlachtet und sein Fleisch in Büchsen nach England verfrachtet würde, ergab sich nach den Krämpfen zeitweise eine freundliche, leicht gehobene Redseligkeit, in der dieselben Befürchtungen, nur ohne den adäquaten Affekt geäußert wurde.
Das heißt, Menschen die geglaubt hatten im Konzentrationslager „verwertet“ und ermordet zu werden, können ebenfalls durch Elektroschocks daran gehindert werden das in angemessener Weise öffentlich zu machen. Auch dadurch, daß sie durch absichtliche neurologische Schädigung nicht mehr in der Lage sind, aktiv zu sein. Anstatt sich um die Opfer zu kümmern, drängen sich die Autoren den Tätern des 3.Reiches geradezu auf, ihre Opfer zum Schweigen zu bringen.
Das Nicht-Haben-Können depressiver Erlebnisse basiert manchmal auch auf einer nicht euphorischen, sondern lediglich stumpfen und leeren, antriebs- und interesselosen Verfassung, auf einer Art apathisch-abulischem Zustand.
Von besonderem Interesse ist für die Täter des 3. Reiches natürlich eine so schwere Schädigung des Gehirns ihrer Opfer, daß die Erinnerung an Folter und Mord ausgelöscht wird.
Mit den krampfbedingten Veränderungen der Affektivität verbindet sich häufig das amnestische Syndrom mit Merkstörungen und retrograder Amnesie. Auch darin, vor allem in der retrograden Erinnerungslosigkeit, ist ein therapeutisches Moment zu erblicken. Die depressiven Inhalte werden einfach vergessen.
Die Kranken wissen überhaupt nicht mehr, warum sie in die Klinik gekommen sind, wissen manchmal nicht einmal etwas von der Behandlung und können gleichsam unbeschwert ein neues Leben beginnen. Amnesie ist aber, wovon wir uns oft überzeugen konnten, keine Vorbedingung der unbeschwerten Zuwendung zum Leben, zur Zukunft. Die depressiven Inhalte oder deprimierenden Anlässe werden häufig weiterhin gewußt, gehen nicht in der Amnesie, sondern in der Euphorie unter.
In diesem Aufsatz wird der Vorteil der Zerstörung der Erinnerung durch Elektroschocks offen angepriesen. Dann wird die zur Veröffentlichung bestimmte Lüge angehängt, nach der es zu keinem dauerhaften Verlust der Erinnerung kommt.
Die Beobachtung lehrt, daß die organischen Erscheinungen nichts Bleibendes, sondern Durchgangsphasen im Prozeß der Heilung sind. Die amnestischen Störungen verschwinden oft schon wenige Tage nach Beendigung der Krampfbehandlung, spätestens nach einigen Wochen. (...)
Bemerkenswert ist der folgende Ablauf. Nach jahrelanger Vorgeschichte war die Betroffene zwei Jahre lang bis Februar 1945 nicht mehr handlungsfähig. Während des Zusammenbruchs des 3. Reiches war sie spontan geheilt. Nach einiger Zeit kam es dann zu neuen Beschwerden, die sich aber erkennbar von denen vor Kriegsende unterschieden.
(S. 197) Fall Nr. 19 ( 456/46 ) Frau Berta O., 53 Jahre alt, über familiäre Belastungen nichts bekannt. Nach Angaben des Ehemanns früher unauffällig, sehr arbeitsam, reinlich und pünktlich, lebhafte und gesellige Natur. Soll seit etwa 10 Jahren verändert sein. Es habe zunächst mit stundenweisen Gemütsverstimmungen begonnen, die sich zu Monaten verlängerten. März 1943 bis Februar 1945 war sie in einem Zustand, in dem sie sich zu keiner Arbeit und zu keinem Vergnügen aufraffen konnte.
Nach einer vorübergehenden spontanen Besserung, wobei sie wieder zu arbeiten anfing und heiter war, klagte sie plötzlich über Erstickungsgefühl, Herzbeklemmungen, vergiftete Luft, fing an zu grimassieren. Seit dieser Zeit ist sie in wechselndem Maße erregt, hat ihre Kleider zerrissen, Möbel zertrümmert und immer wieder den Gedanken geäussert, Luft und Essen seien vergiftet, jemand lege ihr etwas in den Weg. Besonders glaubt sie sich von einem Knaben im Haus verfolgt.
Die Einschätzung der Betroffenen daß sie vergiftet würde, ist nach der damals verfügbaren Technik und den beschriebenen Symptomen offensichtlich richtig. Auch die Annahme daß dabei Kindersoldaten, also ehemalige Mitglieder der HJ eingesetzt wurden, ist sicherlich richtig.
Am 27.3.46 kommt die Kranke (...) in die Klinik (...). Nach Elektrokrämpfen am 6., 9., 11., 12., 13. April ist sie viel ruhiger, spricht weniger, benimmt sich nicht mehr bizarr, grimassiert nur mehr geringfügig, ist aber noch deutlich denkgestört. Nach einem weiteren „Block“ von Krämpfen am 16., 17., 18. April tritt ein organischer Verwirrtheitszustand auf, sie läßt nachts Kot ins Bett, findet sich auf der Station nicht mehr zurecht, findet weder Bett noch Klosett, ist völlig antriebslos und stumpf geworden, sitzt stumm auf der Abteilung herum, nimmt an nichts Anteil. Mit den Krämpfen wird nun ausgesetzt. In den nächsten Tagen kehrt die Orientierung wieder. (...)
Fortsetzung folgt