Re: "Stasi-Mord"?
Verfasst: 9. September 2019, 11:21
Die Stasi, der Tod und die Ungewissheit
Vor 30 Jahren wurde der DDR-Kritiker Bernd Moldenhauer erdrosselt - War es ein Auftragsmord? [/b]
Ein Campingplatz im Nordwesten Brandenburgs. Das Thermometer zeigt 38 Grad. Die Gäste baden im angrenzenden See, haben sich in ihre Zelte und Wohnwagen zurückgezogen. Auf dem Gelände ist es still. Hier sucht der Brandenburger CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski, ehemaliger DDR-Häftling und nach seinem Freikauf im Westen von Stasi-Spitzeln umzingelt, nach der Wahrheit in einem Todesfall, der drei Jahrzehnte zurückliegt und nie restlos aufgeklärt wurde.
Dombrowski sitzt unter dem Sonnendach einer Hütte. Sie gehört dem ehemaligen Stasi-Agenten Aribert F., der heute vor 30 Jahren Dombrowskis Freund Bernd Moldenhauer erdrosselt haben soll - auf einem Rastplatz in Hessen nahe der damaligen innerdeutschen Grenze. Der 75-Jährige wurde 1981 wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Dieter Dombrowski hört ruhig zu. Er kannte Moldenhauer gut, organisierte mit ihm Protestaktionen. Nach dem Fall der Mauer erfuhr er aus Unterlagen der Birthler-Behörde, wie wertvoll Aribert F. für das Ministerium für Staatssicherheit war. Seine Akte (Deckname: IM "Günter Frank") umfasste ursprünglich bis zu 4500 Seiten. Vermutlich Ende 1989 sind wichtige Dokumente - besonders jene, die Auskunft über das Tatgeschehen geben könnten - offenbar gezielt vernichtet worden. Sein Führungsoffizier war jener Mann, der auch ausgestiegene RAF-Terroristen in die DDR holte und mit neuen Identitäten ausstattete: Harry Dahl, Leiter der für "Terrorismusabwehr" zuständigen Abteilung XXII. "Für Dahl war Bernd Moldenhauer Staatsfeind Nr. 1", sagt Aribert F. Er selbst teilte laut Stasi-Akten diese Meinung und schwärzte ihn "als einen der übelsten, skrupellosesten und gefährlichsten Feinde der DDR" an.
Diese Einschätzung wäre ein starkes Motiv für einen Auftragsmord gewesen. Hinzu kommt: Im Sommer 1980 plante Moldenhauer, an der Bernauer Straße in Berlin mehrere hundert Meter der Mauer wegzusprengen. Musste Moldenhauer deshalb sterben? In einem vom Bundestag veröffentlichten Tätigkeitsbericht der Birthler-Behörde heißt es: Er wurde "wahrscheinlich von einem Inoffiziellen Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes ermordet".
Aribert F. reagiert gereizt, wenn er den Namen des Opfers hört. F., selbst in der DDR inhaftiert, hielt den Sozialismus für das überlegene Gesellschaftsmodell. Er wollte die Bundesrepublik verlassen. Sein Stasi-Offizier antwortete: "Wir tragen Ihnen nichts nach, aber Sie haben noch etwas gut zu machen." Fortan arbeitete F. als Inoffizieller Mitarbeiter im Westen. Nach seiner Haftentlassung im Juli 1987 traf er sich noch rund ein Dutzend Mal in konspirativen Wohnungen der Stasi in Ost-Berlin: "Das letzte Treffen hatte ich am 15. Oktober 1989."
Während Aribert F. redet, serviert seine Frau Wasser. "Warum wollen Sie an dem alten Zeug rumrütteln?", fragt sie Dieter Dombrowski. Vor zehn Jahren trafen sie schon einmal aufeinander. Eine zufällige Begegnung: Dombrowski kam auf seinen Freund Moldenhauer und sein Schicksal zu sprechen. Darauf, dass ein Täter verurteilt wurde. Aribert F. trat kalter Schweiß auf die Stirn: "Ich bin dieser Mann." Und seine Frau soll hinzugefügt haben: "Der Moldi hat es doch verdient"
https://www.welt.de/welt_print/kultur/a ... sheit.html
Vor 30 Jahren wurde der DDR-Kritiker Bernd Moldenhauer erdrosselt - War es ein Auftragsmord? [/b]
Ein Campingplatz im Nordwesten Brandenburgs. Das Thermometer zeigt 38 Grad. Die Gäste baden im angrenzenden See, haben sich in ihre Zelte und Wohnwagen zurückgezogen. Auf dem Gelände ist es still. Hier sucht der Brandenburger CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski, ehemaliger DDR-Häftling und nach seinem Freikauf im Westen von Stasi-Spitzeln umzingelt, nach der Wahrheit in einem Todesfall, der drei Jahrzehnte zurückliegt und nie restlos aufgeklärt wurde.
Dombrowski sitzt unter dem Sonnendach einer Hütte. Sie gehört dem ehemaligen Stasi-Agenten Aribert F., der heute vor 30 Jahren Dombrowskis Freund Bernd Moldenhauer erdrosselt haben soll - auf einem Rastplatz in Hessen nahe der damaligen innerdeutschen Grenze. Der 75-Jährige wurde 1981 wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt.
Dieter Dombrowski hört ruhig zu. Er kannte Moldenhauer gut, organisierte mit ihm Protestaktionen. Nach dem Fall der Mauer erfuhr er aus Unterlagen der Birthler-Behörde, wie wertvoll Aribert F. für das Ministerium für Staatssicherheit war. Seine Akte (Deckname: IM "Günter Frank") umfasste ursprünglich bis zu 4500 Seiten. Vermutlich Ende 1989 sind wichtige Dokumente - besonders jene, die Auskunft über das Tatgeschehen geben könnten - offenbar gezielt vernichtet worden. Sein Führungsoffizier war jener Mann, der auch ausgestiegene RAF-Terroristen in die DDR holte und mit neuen Identitäten ausstattete: Harry Dahl, Leiter der für "Terrorismusabwehr" zuständigen Abteilung XXII. "Für Dahl war Bernd Moldenhauer Staatsfeind Nr. 1", sagt Aribert F. Er selbst teilte laut Stasi-Akten diese Meinung und schwärzte ihn "als einen der übelsten, skrupellosesten und gefährlichsten Feinde der DDR" an.
Diese Einschätzung wäre ein starkes Motiv für einen Auftragsmord gewesen. Hinzu kommt: Im Sommer 1980 plante Moldenhauer, an der Bernauer Straße in Berlin mehrere hundert Meter der Mauer wegzusprengen. Musste Moldenhauer deshalb sterben? In einem vom Bundestag veröffentlichten Tätigkeitsbericht der Birthler-Behörde heißt es: Er wurde "wahrscheinlich von einem Inoffiziellen Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes ermordet".
Aribert F. reagiert gereizt, wenn er den Namen des Opfers hört. F., selbst in der DDR inhaftiert, hielt den Sozialismus für das überlegene Gesellschaftsmodell. Er wollte die Bundesrepublik verlassen. Sein Stasi-Offizier antwortete: "Wir tragen Ihnen nichts nach, aber Sie haben noch etwas gut zu machen." Fortan arbeitete F. als Inoffizieller Mitarbeiter im Westen. Nach seiner Haftentlassung im Juli 1987 traf er sich noch rund ein Dutzend Mal in konspirativen Wohnungen der Stasi in Ost-Berlin: "Das letzte Treffen hatte ich am 15. Oktober 1989."
Während Aribert F. redet, serviert seine Frau Wasser. "Warum wollen Sie an dem alten Zeug rumrütteln?", fragt sie Dieter Dombrowski. Vor zehn Jahren trafen sie schon einmal aufeinander. Eine zufällige Begegnung: Dombrowski kam auf seinen Freund Moldenhauer und sein Schicksal zu sprechen. Darauf, dass ein Täter verurteilt wurde. Aribert F. trat kalter Schweiß auf die Stirn: "Ich bin dieser Mann." Und seine Frau soll hinzugefügt haben: "Der Moldi hat es doch verdient"
https://www.welt.de/welt_print/kultur/a ... sheit.html