Zeitzeugen berichten 2

Wie waren die politischen Systeme der beiden deutschen Staaten zur Zeit des Kalten Krieges? Wo waren die Unterschiede? Gab es Gemeinsamkeiten?
Wie wurde die Politik auf beiden Seiten vermittelt?

Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon augenzeuge » 29. Januar 2019, 22:16

Edelknabe hat geschrieben:" wenn ich ständig mit dem Kopf gegen Beton renne, dann geht das am Ende nicht gut aus."


...für den Beton.." [grins]

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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon karnak » 30. Januar 2019, 05:29

Dr. 213 hat geschrieben:
Beim Verkleideten kann ich das Herummäkeln an Fluchtgeschichten ja besonders gut verstehen.
Da steht man sein halbes Arbeitsleben inmitten von Autoabgasen, müht sich bei jedem Wetter
die Grenze dicht zu machen, durfte die vielen schicken Autos immer nur angucken.
Und am Ende stellt sich heraus, alles umsonst gewesen.

Herzlichst
Dr. 213

Hör auf, es waren nur 13 Jahre und jetzt schlage ich mir seit 28 Jahren die Nächte um die Ohren, auch bei jedem Wetter, erst für den Weltfrieden, jetzt damit Du was zu essen hast, war beides manchmal anstrengend [flash] , aber wenigstens habe ich jetzt schon mal ein Bandmaß [hallo]
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Dr. 213 » 30. Januar 2019, 12:01

Das ihr Ex- Organe aber auch immer solche peniblen "Genaui's" sein müßt.
War jetzt nur symbolisch gemeint, mit dem halben Arbeitsleben.
13 Jahre sind echt wenig im Vergleich zu dem Rest und dem Ganzen.

Es wurmt Dich also nicht, einer Diktatur auf dem Leim gegangen zu sein ?
Musst jetzt nicht Ja oder Nein schreiben, so messerscharf kann man das sowieso nicht festmachen.

Du hattest genug Zeit, beim Brotausfahren über die Sinnhaftigkeit nachzudenken.
Ich glaub Du bist ganz gut im Neuland angekommen und eigentlich auch ein Guter.
Wenn Du bitte noch unserem Nosti etwas Nachhilfe geben könntest ?

Was ist denn nun mit den Knasterlebnissen des Herrn Wenzel, ist das nur zusammengesponnen ?
Oder wollen wir über die Authentitität seiner Erlebnisse abstimmen ?

Nächste OP steht an, schwieriger Fall.
Ich muss wieder an die Instrumente.

Herzlichst
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Edelknabe » 30. Januar 2019, 18:15

Was mich einmal interessiert, und gut,um das zu beantworten braucht es Zeitzeugen(also selber erlebtes). Es gibt hier im Forum so meine Denke nur einen ehemaligen Politischen Knacki, eben unseren Spartacus. Vielleicht kann er dazu mal etwas texten. Fragen: "Ab wann war man eigentlich ob Politischer, Krimineller, sonstwas im DDR Knast so sinngemäß über den Berg?" Sollte heißen, du kanntest die Gepflogenheiten im Knastalltag aus dem FF, du hast somit so ne Art eigenen Schutzpanzer entwickelt um das dir nicht weiter übel mitgespielt wird. "Wie war das somit mit der sinngemäßen Leiter, auf der du nach so und soviel Jahren standest, egal jetzt ob Politischer etc. um Anderen zu sagen/zeigen....mit mir nicht mehr Jungs, ihr könnt euch gerne an den Neuen austoben nur bei mir........

Der damals junge Mann hier im Thema war 17 Jahre jung, als er in den Strafvollzug kam. Heraus kam er wohl mit 23 Jahren? Ich nehme mal an jung und wild eingefahren und über die Jahre im Knast gereift.Und das spätestens nach gut zwei, drei Jahren, der Rest an Jahren muss dann so ne Art Routine für ihn gewesen sein weil schon der normale Menschenverstand gebietet, das du eben nicht permanent dem Strafvollzug die Stirn bietest, wenn du vorher schon gemerkt hattest, das sowas eigentlich nur Ärger für dich selber bringt.

Rainer-Maria

Und einen guten Abend allen ins Forum

PS: Meine altersmäßige Denke geht ganz einfach da hin, und egal, was jetzt einer über seine damalige Zeit im DDR-Knast schreibt...."also irgendwann kam da drin für Jeden der Zeitpunkt, da wurdest du ruhiger, überlegter, du passtest dich an, du stelltest dich ein auf Unvorhersehbares usw." Alleine schon deswegen, denn hundertpro kein Mensch damals war so verrückt, sich ständig Ärger im Knastalltag an den Hals zu holen"....und das nehme ich gut an und werde damit auch nicht falsch liegen.

Heute, sieht das unter Garantie wieder anders aus, gerade in Bezug auf die ganze Drogenscheiße.
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon karnak » 30. Januar 2019, 18:28

Dr. 213 hat geschrieben:
Es wurmt Dich also nicht, einer Diktatur auf dem Leim gegangen zu sein ?

Dr. 213

Es wurmt mich nicht, zum Ersten , ich bin nicht auf den Leim gegangen, ich habe mitgetragen, mit dem Makel den man mir jetzt gerne vorwerfen kann muss ich leben. Ich kann damit leben weil ich aus fester Überzeugung und mit dem guten Willen mitgetragen habe wir schaffen es irgendwann die Gesellschaft auf solche ökonomische Beine zu stellen, dass wir mit der Dikaturerei aufhören, bzw. sie systematisch zurückfahren können.Ich habe nicht in irgendeinem Bewusstsein mitgetragen ein Volk zu unterdrücken. Es ist mir durchaus immer schwerer gefallen daran zu glauben aber die Hoffnung stirbt nun mal zuletzt. [flash] Das schwer fallen hatte nebenher als Zweites zur Folge, dass ich mich nie bei diesen berühmten 200 % igen eingeordnet habe und auch nie so agiert habe. Das hatte zur Folge, dass ich immer auch außerhalb der Stasi , ob nun im Plattenbau oder im Schrebergartenverein als Nachbar und Mensch akzeptiert war, man hat mich nie ob meiner Grenzeruniform mit der mich ja jeder gesehen gemieden. Im Nachhinein hat mir das das Leben und den Sprung in die neue Zeit leichter gemacht, man hat mir auch danach mein vorher nicht ernsthaft vorgeworfen, sicher auch deswegen weil keiner in seiner Akte meinen Namen in Verbindung mit irgendeiner blödsinnigen Anschwärzerei gefunden haben kann, ich habe mich aus solchen Zinnober immer rausgehalten, habe meine Stasitätigkeit immer auf meinen Arbeitsgegenstand " Abschöpfung des Reiseverkehrs" beschränkt und konzentriert. So bin ich halt für mein Gefühl nicht mit einem ganz so schlechten Gewissen aus der Firma ausgestiegen. Und nach nun bald 30 Jahren, wenn ich ehrlich bin, EIGENTLICH habe ich das Ganze längst abgehakt, habe meinen Frieden mit der Bundesrepublik und den alten Feinden gemacht, WEIL die haben es mir nicht schwer gemacht, ich hatte meine Chance und habe sie genutzt, ich habe und hatte nie einen Grund verbittert zurück und auf die neue Zeit zu blicken. Sicher mit etwas Glück ist für mich die Sache am Ende gut ausgegangen, was will ich mehr verlangen und das hat mich in die Lage versetzt entspannt auf meine Vergangenheit zurückzublicken, wenn ich auch nicht auf alles nun zwingend stolz sein muß was ich mal verzapft habe, aber wer kann das schon, Jesus vielleicht. [flash]
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nov65 » 30. Januar 2019, 19:17

Deine damalige Gutgläubigkeit sei dir vergeben. Sie erinnert mich allerdings an die heutigen Opfer des Enkeltricks. Grüße von Andreas
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon karnak » 31. Januar 2019, 04:48

[flash]
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 2. Februar 2019, 08:56

Mein Wehrdienst in der DDR

Da der Wehrdienst nun bei uns so ziemlich abgeschafft ist, wollte ich mal über meine Zeit berichten.
Gleich nach dem Abi im Herbst 1986 wurde ich für 34 Monate einberufen.
Ich kam zur 21. Volspolizei-Bereitschaft "Arthur Hoffmann" nach Leipzig.

Dazu muß man erklären, die Volkspolizei(ab hier nur noch VP)Bereitschaften waren eine paramilitärische Einheit, genauso wie die Grenztruppen, die Kampfgruppen der Arbeiterklasse sowie das Stasi-Wachregiment "Felix Dserschinski". Sie wurden gegründet, um zu umgehen, das die NVA nur ca. 180.000 Mann stark sein durfte.

Viele Wehrpflichtige, verbrachten in den 80er Jahren, zahreiche Monate im Arbeitseinsatz in der Braunkohle oder Chemieindustrie... das waren billige Arbeitskräfte. So war ich im Kraftwerk Jänschwalde, in den Tagebauen Goitsche, Breitenfeld, Espenhain und im Deutschen Hydrierwerk in Rodleben.

Die Ausbildung umfasste einen militärischen Bereich, hierzu wurde man wie in einer Mot.-Schützeneinheit der NVA ausgebildet. Mot.Schützen sind beim BUND Panzergrenadiere oder Infanteristen? Ich wurde ausgebildet, als Gruppenführer/SPW-Kommandant. Die Gruppe bestand aus Kommandant, Fahrer, beide waren meist Unterführer(Uffz), Richtschütze, RPG1 und 2, leichtes MG und evtl. noch ein einfacher Schütze.

Unsere Aufgabe bestand z.B. darin: Diversions-und Spionageeinheiten des Bundesgrenzschutzes, Bitte nicht lachen das war so, aufzuspüren und zu vernichten. Die kamen in die DDR, um Industriebetriebe zu sabotieren oder Anlagen zu sprengen... zumindest in den Fantasien des Generalstabes.

Das andere war die polizeiliche Ausbildung. Dafür bekamen wir Helm, Schlagstock und Schild und mussten mit oder ohne Wasserwerfer, die öffentliche Ordnung aufrecht erhalten. Absperren von Bereichen, Kordons stellen, Ansammlungen auflösen und Verdächtige zuführen. Eingesetzt wurden wir zur Absicherung von Honeckers Wagenkolonne, die zur Jagd raste, zur Absicherung bei Fußballspielen und Großveranstaltungen.

Meist wurden wir Wehrpflichtigen aber nur als Reserve im Hintergrund belassen. Verhaftungen führten nur Berufspolizisten und Stasi durch, da man uns wohl doch nicht so recht traute.

1989 bekam ich somit auch die ersten Demonstrationen mit, die dann im Herbst zur friedlichen Revolution führten. Auf der Strasse zu agieren, war uns Wehrpflichtigen damals schon peinlich. Jeder zog die Mütze tief ins Gesicht, um nicht erkannt zu werden.

Gottseidank war im August 1989, mein Wehrdienst zuende und ich konnte mich im Oktober '89 in die, dann von Hundertausenden getragenen Demos mit einreihen, die nicht von der Bereitschaftspolizei, zerschlagen wurden.

Wehrpflicht bei der Polizei, viele wußten garnicht, das es das gab.
siehe auch dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Volkspolizei-Bereitschaft

https://www.motor-talk.de/blogs/scion-s ... 60496.html
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 3. Februar 2019, 10:08

Meine Rückkehr ins Alcatraz am Alex

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Frank Lilienthal aus Zelle 5: Durch die Luke kam das Essen
Foto: Tomas Kittan


Frank Lilienthal saß im Alcatraz am Alex. Nach 42 Jahren kehrt er an den Ort seiner Albträume zurück.

Hier verbrachte er die schlimmsten Tage und Nächte seines Lebens: Nach 42 Jahren kam Frank Lilienthal (72) zurück ins Alcatraz der DDR. Eine einmalige Möglichkeit am Tag des offenen Denkmals.

Zelle 5 im früheren Polizeiknast in der Keibelstraße: Bett, Klapptisch, Klo und Waschbecken. Vergitterte Fenster mit Glasbausteinen. Installateurmeister Lilienthal wurde hier am 11. Juli 1971 eingeliefert: „Erst klauten mir die Stasi-Leute meine Barock-Möbel. Dann verurteilten sie mich wegen angeblicher Steuervergehen. Ich bekam drei Jahre und acht Monate.“

Die Zeit in der Keibelstraße war für ihn der Horror. „Ich wurde nur angebrüllt, behandelt wie der letzte Dreck. Das Essen für 1,45 Mark am Tag war ein ekliger Fraß. Ich nahm viele Kilo ab. Es gab ständige Zellenkontrollen, auch nachts. Dazu stundenlange Verhöre. Immer wieder. Vier Männer starben in Nachbarzellen.“ Alles Suizide? „Einmal sah ich eine Blutlache und bekam Todesangst. Mir fielen die Haare aus.“

Lilienthals Möbel wurden gegen Devisen in den Westen verkauft, seine Elf-Mann-Firma aufgelöst. Nach der Entlassung jobbte er als Installateur bei der Kirche. Erst nach dem Mauerfall konnte Lilienthal die Firma neu gründen. 1998 wurde er rehabilitiert.

Auch Dirk Großmann (49) war in der Keibelstraße inhaftiert – 1984, als Punk. Der Brandschutzmann zur B.Z.: „Im eisigen Januar schloss man mich in eine Zelle mit kaputten Fenstern. Ein Wunder, dass ich überlebte.

https://www.bz-berlin.de/artikel-archiv ... az-am-alex
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 5. Februar 2019, 13:33

DDR-Zeitzeuge Lutz Quester - "Eigentlich war alles gut!"

Lutz Quester (geb. 1958 in Dresden) ist gelernter Elektriker. Nach zahlreichen Repressalien stellte er in den 80er Jahren regelmäßig für sich und seine Familie erfolglos Ausreiseanträge. Vor dem Hintergrund einer angedrohten Inhaftierung suchte er Hilfe bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik und machte im November 1984 vor deren Diensteingang mit einem Transparent auf seine geforderte Ausreise aufmerksam. Daraufhin erfolgte seine Verhaftung. Verurteilt zu einem Jahr und zehn Monaten wegen "Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit" , gelangte er im August 1985 im Rahmen des Häftlingsfreikaufs in die Bundesrepublik.

Wie war es "Damals in der DDR"? Wie haben sich die Menschen im Alltag mit dem "real existierenden Sozialismus" arrangiert?

"Eigentlich war alles gut", so begann Herrr Quester seine Geschichte vor ca. 80 Schülern zu erzählen. "Aber mit dem eigentlich ist es so eine seltsame Sache", so fuhr er fort. "Was richtig gut war, die Oma wohnte bei uns und wenn wir mit dem Vater Streß hatten, konnten wir zur Oma gehen." Eigentlich habe er eine schöne Kindheit gehabt und er erinnere sich gerne an das Kirschenessen im Garten. "Wir haben Kirschen gegessen und Wasser getrunken und dann Dünnschiss bekommen und danach einen Anschiss."

Je älter er aber wurde, umso wichtiger wurde ihm die (politische) Wahrheit. Die Wahrheit - darum ging es Lutz Quester. Das Problem war, es gab für ihn in der DDR viele verschiedene Wahrheiten. In der Schule hörte er, dass die Sowjets alles richtig machten und dass von der Sowjetunion lernen, siegen lernen heiße. Zuhause, von seinem Vater, hörte er genau das Gegenteil.

Die schönste Wahrheit aber waren die Pakete aus Westdeutschland. Westjeans, ein Traum für jeden Heranwachsenden! Als er damit in der Schule auftauchte, wurde er nach Hause geschickt. "Das verstand ich nicht".

An Weihnachten schickte die Westverwandschaft u.a. Zitronat und Orangeat. "... ich lernte, in der DDR gab es nicht alles ... ".

Er wollte die Verwandschaft im Westen besuchen: Geht nicht! "Das hab ich nicht verstanden!".

Er wollte in den Urlaub in andere Länder fahren: Geht nicht! "Das habe ich nicht verstanden!".

Karl May Bücher wurden in der Nähe von Dresden gedruckt, in den Westen verkauft und in der DDR als Lektüre verboten. "Das habe ich nicht verstanden!"


Dieses "Nichtverstehen" vieler gesellschaftlicher Regelungen setzte sich in den nächsten Jahren in vielen Lebensbereichen fort. Gleichzeitig hatte er eine große Sehnsucht nach Amerika, das Land seiner Karl May - Helden. Erste Erfahrungen mit Amerikanern machte er in Berlin. "Sie sahen ganz normal aus. Nicht als ob sie uns den Kopf einschlagen wollten, so wie sie uns in der Schule erzählt hatten". Gleichzeitig nahm er die zunehmende militärische Konfrontation zwischen Ost und West wahr und hatte Angst, dass ihm der ganze Laden um die Ohren fliege. Kurz gesagt, er wollte weg.

Den Neumarkter Schülern gegenüber unterstrich er dabei, dass es ihm nicht um den Konsum ging. "Ich wollte die Freiheit. Freiheit selbst zu entscheiden, was ich arbeite, wo ich wohne, wohin ich mit welchem Auto in den Urlaub fahre. Freiheit nicht nur in meinem Kopf, sondern im gesamten Dasein".

Nach erfolglosem Ausreiseantrag kam Quester auf die, im Nachhinein, verrückte Idee, politischer Häftling zu werden. Dazu stellte er sich zusammen mit seinem Freund vor die ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ostberlin mit einem Plakat in der Hand, auf dem er die sofortige Ausreise für sich und seine Familie forderte.

Keine 30 Sekunden später wurde er von der Volkspolizei verhaftet und anschließend nach Hohenschönhausen ins Stasiuntersuchungsgefängnis gebracht. "Wißt ihr was man da wird? Da wird man sehr gläubig".

Kurz vor seiner, von dem bekannten DDR-Rechtsanwalt Vogel, verhandelten Ausreisemöglichkeit wurde er nach Chemnitz verlegt und dann zusammen mit 50 anderen "politischen Häftlingen" gegen Devisen in den Westen verkauft. Dort erhielt er 30,00 DM Begrüßungsgeld und fühlte sich mit "Tina Turner in der Musikbox, Frankfurter Würstchen und Bier" am Ziel seiner Träume. Danach war er mit seiner Familie in 26 Ländern der Welt.

Eine große Genugtuung empfand Herr Quester später, als er bei einem Berlinbesuch am Checkpoint Charly den Grenzsoldaten den "Stinkefinger" zeigen konnte. "Dieses Gefühl war nicht zu toppen!" „Und dann habe ich so gemacht“, sagte Quester und macht die Geste des Stinkefingers. Die Geste scheint auch knapp 35 Jahre später nichts an Inbrunst verloren zu haben, auch wenn Quester sie diesmal den Schülern der Berufsschule zeigt und nicht wie einst den DDR-Wachsoldaten. „Die haben mich sogar noch fotografiert“, erinnert sich der gebürtige Dresdner an die absurde Situation. Doch anhaben konnte das DDR-Regime ihm nichts mehr, er war bereits im Westen. In der Freiheit. Jenseits der Mauer, die die DDR-Bürger von jener trennte.

Nach der Maueröffnung stellte sich dann heraus, dass sein Onkel Heinz Mitglied der Stasi gewesen war. "Was sollte ich machen mit Onkel Heinz? Ich habe es aufs Abstellgleis geschoben und da steht es noch."

http://www.bsz-neumarkt.de/index.php/be ... -alles-gut
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nov65 » 5. Februar 2019, 15:15

Diese zwei Wahrheiten habe ich meinem Sohn auch begreiflich gemacht. In der Schule die eine, zu Hause die andere. Schlimm, was Kindern in der DDR abverlangt wurde. Es gab aber natürlich die strammen Eltern mit nur einer Wahrheit. Heute reden sie ganz sicher nicht gern darüber. Ich habe heute noch mit solchen Leuten mein Problem. Andreas
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon karnak » 5. Februar 2019, 15:36

Nov65 hat geschrieben:Diese zwei Wahrheiten habe ich meinem Sohn auch begreiflich gemacht. In der Schule die eine, zu Hause die andere. Schlimm, was Kindern in der DDR abverlangt wurde. Es gab aber natürlich die strammen Eltern mit nur einer Wahrheit. Heute reden sie ganz sicher nicht gern darüber. Ich habe heute noch mit solchen Leuten mein Problem. Andreas

Im richtigen Leben konnte man das mit den 2 Wahrheiten ziemlich einfach relativieren, für den " Dienstgebrauch " musste man einfach nur irgendwelche Floskeln labern, niemand hat die wirklich ernst genommen, wahrscheinlich noch nicht mal der Zuhörende, das Revolutionäre war im Verlauf der Mühen der Ebene längst zu einem vor sich hergetragenen Nichts geworden, bei den Meisten zumindestens Hat man die 2. Meinung nicht öffentlich vor sich her getragen war die Diktatur schon zufrieden , 99 % der Bevölkerung hat das so praktiziert und ihr Leben einfach gelebt, Außer natürlich der Onkel war MITGLIED bei der Stasi . [flash]
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nov65 » 5. Februar 2019, 16:11

@Karnaks Aussage kann ich nur unterstreichen. Wer im Staatsapparat oder in nahem Beruf arbeitete und eine abweichende oder auch nur kritische Meinung hatte, tauchte im Dienst ab, verstellte sich oder sah sich seinen Gesprächspartner genau an.
Es war ein Scheissleben, sich so verstellen zu müssen. Man verriet sein Ich und seine Westverwandtschaft, wenn vorhanden.

Ich stell mir gerade ein Leben in Erdoganistan vor.Wie damals, vielleicht noch gefährlicher.
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Olaf Sch. » 5. Februar 2019, 16:13

wenn du das witzig findest, ich nicht. Anerzogene Schizophrenie, Doppeldenk und Zwiesprech. Und deshalb sinke ich als Atheist jeden Morgen auf die Knie und danke dem Herrgott, das diese Scheisse zu Ende ist.
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nov65 » 5. Februar 2019, 16:30

AkkuGK1 hat geschrieben:wenn du das witzig findest, ich nicht. Anerzogene Schizophrenie, Doppeldenk und Zwiesprech. Und deshalb sinke ich als Atheist jeden Morgen auf die Knie und danke dem Herrgott, das diese Scheisse zu Ende ist.

Na, witzig finde ich das ja auch nicht. Wie kommst du darauf? Das geht aus meiner Aussage auch nicht hervor.
Deshalb verstehe ich deutsche Touristen nicht, die jetzt nach Osmanien in Urlaub fahren. Es sei denn, sie haben keine Meinung oder Zustände in anderen Ländern sind ihnen egal.
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon karnak » 5. Februar 2019, 16:41

Na ja, Scheißleben und sich verstellen müssen ist schon hart ausgedrückt, EIGENTLICH hatte das System Staatssozialismus lange vor 89 schon aufgegeben, man wurstelte eben einfach so vor sich hin, auf ein Wunder hoffend, dass hat es für den Einzelnen einfacher gemacht sich abzuwenden ohne Gefahr zu laufen im Gulag zu landen. Was hätte man auch machen sollen, letztlich bis hin zur Nomenklatura, einfach aufgeben, zugeben, dass man mit seiner Idee gescheitert ist, und was hätte passieren sollen? Das Zerbrechen des Ostblocks stand nicht auf der Tagesordnung , dass Andienen an die Bundesrepublik Alt schon gar nicht. Wer hätte sich denn vorstellen können , dass das Land DDR einfach assimiliert wird und verschwindet? Also ging alles weiter seinen sozialistischen Gang [flash] bis zu Gorbatschow und den Dingen drumherum die dann zur " friedlichen Revolution " in der DDR ermutigten. Der Deutsche löst nun mal gerne erst eine Bahnsteigkarte bevor er auf den Zug einer Revolution aufspringt. [flash]
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 8. Februar 2019, 14:08

Gegen die DDR-Verklärung

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Eindrücklich: Johannes Swiatek erzählte von seinem Schicksal als Gefangener der DDR-Staatssicherheit. Das weckte zum Teil auch beim Publikum schlechte Erinnerungen. © Foto: MOZ/Andrea Weil

"Ich sehe es als meine Aufgabe als Zeitzeuge, gegen diese Verharmlosung und Verklärung der SED-Diktatur zu sprechen." Fast 60 Jahre nach seiner Entlassung aus der Strafanstalt lässt Johannes Swiatek die Erinnerung an das erlebte Unrecht nicht los. Bei seinem Vortrag im katholischen Gemeindehaus Schwedt am Montag muss der 92-Jährige zeitweise mit den Tränen kämpfen.


Im November 1951 lauerten drei Männer in Zivil Johannes Swiatek nach seiner Arbeit als Sekretär beim Amtsgericht am Alexanderplatz auf und transportierten ihn mit einem Sack über dem Kopf ab. Monatelang wurde er im Keller des Untersuchungsgefängnisses Berlin-Hohenschönhausen gefangengehalten, vernommen und bei einer Gelegenheit zusammengeschlagen. Was man ihm vorwarf, erfuhr Johannes Swiatek erst zwei Tage vor seinem Prozess am 21. Juli 1952: Als Mitglied in einer staatsfeindlichen Organisation sollte er im Dienste imperialistischer Kriegstreiber stehen. Johannes Swiatek hatte sich seit 1948 im katholischen Kolping-Werk engagiert und die Jugendgruppe betreut. Die kirchliche Gemeinschaft stand unter Bespitzelung der Staatssicherheit. Beim Prozess bekam Johannes Swiatek nicht mal einen Anwalt. "So viel zur angeblichen Rechtsstaatlichkeit der DDR - die konnten alles mit dir machen", sagt er.

Johannes Swiateks Frau erfuhr erst Ostern 1952 vom Schicksal ihres Mannes. Kurz nach seiner Verurteilung durfte er ihr einen 15-Zeilen-Brief schreiben, im September wurde der erste Besuch in der Strafanstalt Bützow-Dreibergen gestattet. Hier teilte sich Johannes Swiatek eine Zelle mit neun anderen Männern. Als Toilette diente ein Eimer mit kaputtem Deckel. Als sich Johannes Swiatek beschwerte, wurde er zum Spießrutenlauf geschickt. Nach seiner Entlassung 1955 zog die Familie fort nach Westberlin. 1994 wurde Johannes Swiatek wie viele politische Gefangene rehabilitiert. Der Glaube habe ihm Kraft gegeben, alles zu überstehen, sagt er heute. "Ich danke Gott für jeden Tag, an dem ich diese Erfahrung an die Nachwelt weitergeben kann."

"Davon hab ich noch nie gehört, dass die Stasi schon in den 50ern so schlimm war", staunt Zuhörerin Monika Krasa. Besonders die kirchlich engagierten Gäste des Vortrags wissen eigene Geschichten zur anschließenden Diskussion beizutragen. Lydia Richter-Polzien erinnert sich an eine Schwedter Lehrerin, die sie zum Todestag Stalins niederknien ließ. "Wegen diesem Schweinehund - das werde ich ihr nie verzeihen."

https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1155127/
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon augenzeuge » 8. Februar 2019, 16:41

Hier teilte sich Johannes Swiatek eine Zelle mit neun anderen Männern. Als Toilette diente ein Eimer mit kaputtem Deckel. Als sich Johannes Swiatek beschwerte, wurde er zum Spießrutenlauf geschickt.


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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 1. März 2019, 16:24

Der Torwart, der aus der DDR und aus Deutschland floh

Republikflüchtling, Helmut-Kohl-Fan, Kapitalismuskritiker und heute Gastronom in Paraguay: Die verrückte Lebensgeschichte des Fußballprofis Jürgen Pahl.


Bild
Der ehemalige Fußballprofi Jürgen Pahl in Paraguay

https://www.zeit.de/sport/2013-01/pahl- ... ettansicht
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Dr. 213 » 2. März 2019, 13:51

So dramatisch war diese Flucht nicht.
Das Privileg der Westreise hat es zu einer recht ungefährlichen Umbuchung werden lassen.
Zu der Zeit reichte bestimmt ein simpler Pass um jemand aus der Türkei raußzubekommen.

Die Zeit danach war die eigentliche Gefahr, hier mein Hinweis auf Lutz Eigendorf.
Nein ich meine jetzt nicht den Mord, dafür fehlt ja der finale Beweis.
Das er aber im Fokus der Stasi stand, er im Westen intensiv bearbeitet wurde, gilt als erwiesen.

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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Spartacus » 3. März 2019, 15:43

Fragen: "Ab wann war man eigentlich ob Politischer, Krimineller, sonstwas im DDR Knast so sinngemäß über den Berg?" Sollte heißen, du kanntest die Gepflogenheiten im Knastalltag aus dem FF, du hast somit so ne Art eigenen Schutzpanzer entwickelt um das dir nicht weiter übel mitgespielt wird. "Wie war das somit mit der sinngemäßen Leiter, auf der du nach so und soviel Jahren standest, egal jetzt ob Politischer etc. um Anderen zu sagen/zeigen....mit mir nicht mehr Jungs, ihr könnt euch gerne an den Neuen austoben nur bei mir........


Habe ich jetzt erst gelesen, eine Antwort sollst du natürlich noch haben Edelknabe. [hallo]

Du hast grundlegend ganz falsche Vorstellungen vom DDR - Knast. Da gab es nicht so was wie Anerkennung, von wegen und hat so und so viele Jahre abgedrückt, sondern nur und
ausschließlich das Recht, nenne es von mir aus das Vorrecht, des Stärkeren. Also nicht die Alt Strafer hatten das sagen, sondern die " Herrscher" der jeweiligen Verwahrräume.
Das hatte Methode, war System und wurde so nicht nur geduldet, sondern sogar von den Verantwortlichen des Strafvollzuges gefördert, denn so herrschte eine ständige Atmosphäre
der Angst und somit Ruhe auf dem Verwahrraum. Das war übrigens ein hübscher Spiegel der DDR Gesellschaft, wie mir damals schnell auffiel. Viele ordneten sich einigen wenigen
aus reiner Angst unter. Auf so einem Verwahrraum in Bautzen waren 30 Gefangene. Einer hatte das sagen, flankiert von vielleicht zwei " Assis" und die anderen 27 Gefangenen, darunter
eben auch viele Alt Strafer, ordneten sich unter, weil sie Angst hatten ein paar auf die Fresse zu bekommen, um es mal deutlich zu benennen. Dabei hätten die 27 Gefangenen, wenn sie
sich einig gewesen wären, gegenüber den 3 Burschen eigentlich leichtes Spiel gehabt und hätten den Spies sehr einfach umdrehen können.

Ähnlich auf den Arbeitskommandos, wo die " Kapos" das sagen hatten. Ehemalige zu meist linientreue Genossen, die irgendeinen Scheiß gebaut hatte, aber in Gedenken an geleistete
Dienste, eben solche Posten bekamen. Diese ganz besonderen Pfeifen verscherzten es sich natürlich nie mit den "Herrschern", denn auch sie hatten Angst eine auf`s Maul zu bekommen,
nahmen dafür aber die "normalen" Gefangenen hart ran, von wegen und Norm Erfüllung. Diese Spakis hatten Macht, denn sie konnten erwirken, das einzelnen Gefangenen der Hofgang
oder das abendliche Fernsehen für Tage, oder gar Wochen verboten wurde. Sie konnten diverse Sanktionen beantragen, denen zu meist auch statt gegeben wurde.

Dies Kapos bliebe dann wohlweislich unter sich, hatten dann die wenigen 3 Mann Zellen für sich und drückten sich beim Hofgang in eine Ecke.

Noch Fragen? [wink]

Sparta


Ich bin stolz darauf, kein Smartdingsbums zu besitzen.
Nicht Deutschland schafft sich ab, sondern Deutschland schaltet sich ab.
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 6. März 2019, 14:27

Vom Freund in den Knast gebracht

Gunther Junkert geht es wie vielen anderen auch: Er wird nicht von einem Wildfremden denunziert, sondern von einem seiner besten Freunde. Auf einer Geburtstagsfeier fädelt die Stasi die Festnahme des damals 49-Jährigen ein.

Gunther Junkerts Vergehen: Er hatte zwei in der DDR unerwünschte Bücher verliehen, eines davon "Der Archipel Gulag" des russischen Schriftstellers Alexander Solschenizyn. In diesem Werk beschäftigt sich der Autor mit den Zuständen in russischen Gefängnissen und Arbeitslagern seit der Oktoberrevolution.
Fingierte Polizeikontrolle führt zur Verhaftung

Der Lehrer tappt ahnungslos in die Falle. Er ahnt nicht, dass sein Freund ein Spitzel ist. Die Stasi hatte Junkert schon lange observieren lassen und den operativen Vorgang "Bastei" angelegt. Aber man will ihn auf frischer Tat ertappen. Sein Freund lädt ihn zum Feiern ein und schenkt kräftig ein. Die geliehenen Bücher gehen am selben Abend zurück an Junkert. Der deponiert sie, wie ihm geraten wird, in seinem Auto. Am nächsten Morgen lässt die Stasi eine Polizeikontrolle aufbauen. Junkert muss zum Alkoholtest in die Poliklinik, sein Auto wird kontrolliert - die Bücher werden wie geplant gefunden.

Junkert hat mit dem Ziel, gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen der DDR aufzuwiegeln, an mehrere Personen das gegen die sozialistischen Verhältnisse in der SU gerichtete Machwerk 'Archipel Gulag' von Solschenizyn verbreitet.
- Haftbeschluss vom 31.03.1983


Inhaftierte von der Außenwelt abgeschnitten

Nach einem Verhör muss Junkert in ein fensterloses Auto steigen. Er weiß nicht, wohin man ihn bringt. Ihm ergeht es wie fast allen, die in eine der 17 Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums für Staatssicherheit gebracht werden: Das unauffällige Auto fährt in eine Garage, ein Tor schließt sich dahinter. Der Inhaftierte ist jetzt von der Außenwelt abgeschnitten. Die Prozedur ist meist dieselbe: Den Betroffenen soll Angst gemacht werden. Die lange Fahrt in einem geschlossenen Fahrzeug nimmt zum Beispiel die Orientierung, verunsichert und setzt sie psychisch unter Druck.

Die Zügel werden angezogen

Auch für Gunther Junkert folgen Monate der Unsicherheit in der Dresdner Untersuchungshaftanstalt in der Bautzener Straße. Verhöre sind an der Tagesordnung, er darf keine Fragen stellen, sondern nur antworten. Heute sagt er über die Zeit seiner Verhöre: "Der Vernehmer hat mich nicht als Mensch ernst genommen. Ich war für ihn der Häftling, dem man die Schuld nachweisen muss - und das mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen." Nach ersten Verhören werden die Zügel angezogen. Junkert soll sich selbst belasten. Die nächste Methode wird angewandt.

Gunther Junkert erhält sein Urteil nach mehr als fünf Monaten Untersuchungshaft: Das Bezirksgericht Dresden verurteilt ihn wegen "staatsfeindlicher Hetze" zu viereinhalb Jahren Haftstrafe. Weil er zwei Bücher verliehen hatte.

https://www.mdr.de/damals/archiv/artikel58066.html

Und dennoch soll es ja ehemalige Knastologen geben, die sagen: Es war nicht alles schlecht in der DDR, nachdem sie sich " vom Acker " gemacht hatten. [wink]
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon HPA » 6. März 2019, 14:30

Junkert hat mit dem Ziel, gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen der DDR aufzuwiegeln, an mehrere Personen das gegen die sozialistischen Verhältnisse in der SU gerichtete Machwerk 'Archipel Gulag' von Solschenizyn verbreitet.
- Haftbeschluss vom 31.03.1983


Vielleicht hätte derjenige ,welcher den Haftbefehl unterschrieben hat, das Buch mal lieber aufmerksam lesen sollen!
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Interessierter » 9. März 2019, 11:03

Die Angst prägte sein Leben

Reinhard Schwartz schildert Schülern seine DDR-Erfahrungen / Ausstellung über Oppositionelle

Osterholz-Scharmbeck. Zum Ende seines Vortrags überwältigten Reinhard Schwartz die Emotionen: Mit stockender Stimme und Tränen in seinen Augen schilderte der 74-Jährige zur Eröffnung der Ausstellung "Jugendopposition in der DDR" im Forum der Berufsbildenden Schulen (BBS) Osterholz die vielen Repressalien, denen er und seine Familie ausgesetzt waren. Auf Einladung des Politikteams der BBS sollte Schwartz den Schülern – von denen viele zum Zeitpunkt des Mauerfalls am 9. November 1989 noch gar nicht geboren waren – als Zeitzeuge die beklemmenden und von Angst geprägten Lebensumstände in der ehemaligen "Deutschen Demokratischen Republik" näherbringen.

"Allein der Name ist schon eine Lüge", eröffnete Schwartz seinen Vortrag vor den knapp 200 Zuhörern, "von Demokratie war dort nie etwas zu spüren." Noch vor Gründung der DDR sei das Leben der Bewohner von Angst geprägt gewesen. Der gebürtige Danziger (Jahrgang 1938) erzählte den Schülern von Bespitzelungen durch die Staatssicherheit (Stasi), seiner Zeit als Schüler und Auszubildender sowie von seiner knapp eineinhalbjährigen Inhaftierung im Stasi-Gefängnis in Erfurt(Thüringen). Gebannt lauschten die 16-bis 20-Jährigen den Ausführungen, zeitweise war es totenstill im Auditorium.

"Die Presse wurde zensiert", berichtete Schwartz, "westliche Musik oder West-Fernsehen waren verboten." Wer sich dem Regime entgegengestellt habe, sei bestenfalls "nur" von seinem direkten Umfeld isoliert und von allen Begünstigungen ausgeschlossen worden. "Viele untreue Staatsbürger landeten in den berüchtigten Stasi-Gefängnissen", so Schwartz. Die Haftbedingungen seien zum Teil miserabel gewesen, "aber am schlimmsten war der psychische Druck, mit dem dort gearbeitet wurde". Er selbst sei 1984 aus seinem Wohnort im thüringischen Sondershausen abgeholt und für 16 Monate "weggesperrt" worden, so Schwartz. "Meine Frau Edith und mein Sohn Enrico-René wurden ebenfalls inhaftiert und gerieten durch mein angebliches Fehlverhalten in Sippenhaft", erklärte der Zeitzeuge seinem jungen Publikum.

Dabei habe er lediglich anno 1980 während der Sitzung eines Gremiums seines Unternehmens laut und deutlich ausgesprochen, "was alle wussten, aber niemand sich traute, laut zu sagen": Die Planwirtschaft nach dem Vorbild der damaligen UdSSR könne nicht funktionieren, die Menschen litten unter der Mangelwirtschaft sowie dem Fehlen ausländischer Devisen und Güter, ließ Schwartz in seiner damaligen Funktion als Diplom-Ingenieur offen verlautbaren. Nur drei Tage später habe er sich dann nur noch als Straßenkehrer betätigen dürfen, sein gesamtes Umfeld habe sich von ihm abgewandt.

Als er sich schließlich knapp dreieinhalb Jahre später geweigert habe, sich für die Stasi in Moskau zu einem Spitzel ausbilden zu lassen, wurden er und seine Familie verhaftet. "Es war die reinste Hölle", schilderte Schwartz den – zum Teil erschrockenen und empörten – Schülern. Erst im Jahr 1986 sei er von der damaligen westdeutschen Regierung gegen die Zahlung von 90000 D-Mark freigekauft worden.

https://www.weser-kurier.de/region_arti ... 28358.html
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nov65 » 9. März 2019, 12:34

Gegen das Vergessen. Gegen eine Verharmlosung. Das ist auch mir wichtig. Menschliches Leid gab es nicht nur in der ersten Diktatur. Schon so biedere Aussagen wie" In der DDR war nicht alles schlecht" sind eine Verharmlosung. Andreas
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Stummel » 9. März 2019, 19:12

Interessierter hat geschrieben: berichtete Schwartz, "westliche Musik oder West-Fernsehen waren verboten."

https://www.weser-kurier.de/region_arti ... 28358.html


Die Ossis oder Ex-Ossis die ich kenne, und das sind mittlerweile eine ganze Menge, sagen sie hätten nur Westfernsehen gesehen. Nur im Tal der Ahnungslosen, welches wohl in Sachsan lag sei kein Empfang gewesen! Mal ehrlich, im Zonenrandgebiet hat man ja auch ganz gut DDR Fernsehen empfangen, viel konnte man da nicht ansehen, mal den Sandmann ausgenommen!
Wenn sich da einer hinstellt und erzählt es wäre alles verboten gewesen und man wäre dafür in den STASI Knast gekommen, kann ich dem nicht ganz glauben.
Es sei denn die ganzen Ossis sind Lügner!

Naja, den Kids heutzutage kann man auch jeden Schei.. erzählen!
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nostalgiker » 9. März 2019, 19:52

Die Zeitzeugen welcher der Interessierte präsentiert erzählen ausschließlich die Wahrheit; meint jedenfalls er ......
Zieh selber deine Schlüsse zu solchen "Geschichten"
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon andr.k » 9. März 2019, 20:21

Interessierter hat geschrieben:Erst im Jahr 1986 sei er von der damaligen westdeutschen Regierung gegen die Zahlung von 90000 D-Mark freigekauft worden.


90.000 DM ? Solch eine hohe Summe lese ich zum ersten Mal.
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nostalgiker » 9. März 2019, 20:33

Der Mann war schließlich Diplom Ing. und wäre fast in Moskau zum Spion ausgebildet worden ......

Wenn alle die sinngemäß auch das; "Die Planwirtschaft nach dem Vorbild der damaligen UdSSR könne nicht funktionieren, die Menschen litten unter der Mangelwirtschaft sowie dem Fehlen ausländischer Devisen und Güter ...."; gesagt haben zum Strassenkehrer aufgestiegen wären dann hätte es in der DDR sehr, sehr viele Strassenkehrer geben müssen .....
Und was war ein "Gremium" in einem DDR Unternehmen?
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

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Re: Zeitzeugen berichten 2

Beitragvon Nov65 » 10. März 2019, 10:10

Stummel hat geschrieben:
Interessierter hat geschrieben: berichtete Schwartz, "westliche Musik oder West-Fernsehen waren verboten."

https://www.weser-kurier.de/region_arti ... 28358.html


Die Ossis oder Ex-Ossis die ich kenne, und das sind mittlerweile eine ganze Menge, sagen sie hätten nur Westfernsehen gesehen. Nur im Tal der Ahnungslosen, welches wohl in Sachsan lag sei kein Empfang gewesen! Mal ehrlich, im Zonenrandgebiet hat man ja auch ganz gut DDR Fernsehen empfangen, viel konnte man da nicht ansehen, mal den Sandmann ausgenommen!
Wenn sich da einer hinstellt und erzählt es wäre alles verboten gewesen und man wäre dafür in den STASI Knast gekommen, kann ich dem nicht ganz glauben.
Es sei denn die ganzen Ossis sind Lügner!
Naja, den Kids heutzutage kann man auch jeden Schei.. erzählen!


Hi @Stummel, Westfernsehen galt als feindliches Handeln. In bestimmten Berufen warst du weg vom Fenster, wenn dir nachgewiesen werden konnte, dass du... Denunziation und Schnüffelei waren verbreitet. Aber Gefängnisstrafe stand nicht drauf. Eltern vergatterten ihre Kinder, in der Schule nichts von Westfernsehen zu erzählen. Natürlich haben die meisten DDR-Bürger Westfernsehen genutzt, nur die Strammen wagten dies nicht oder hatten die Propaganda verinnerlicht und mieden Westsender. Den Kindern in diesen Familien wurde Westfernsehen als Teufelszeug dargestellt. Ich kenne in der fernen Verwandtschaft eine solche Familie: Westfernsehen-igittigit.
Aus der Tatsache, dass Westempfang stark verbreitet war, darf man heute aber nicht schlussfolgern, dass er erlaubt war und nicht verfolgt wurde. [frown]
Gruß Andreas
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