Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Wie waren die politischen Systeme der beiden deutschen Staaten zur Zeit des Kalten Krieges? Wo waren die Unterschiede? Gab es Gemeinsamkeiten?
Wie wurde die Politik auf beiden Seiten vermittelt?

Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Interessierter » 18. Mai 2017, 11:23

1960 besuchte Willy Brandt überraschend ein SPD-Büro in Ost-Berlin. "Willy, bleib doch hier", riefen die Menschen.

Die Menschen im sowjetischen Sektor der schon geteilten, aber noch nicht von einer Mauer durchschnittenen Stadt waren gewohnt, Willy Brandt als „Kriegstreiber“ oder „Frontstadt-Boss“ vorgestellt zu bekommen. So schmähten die von der SED kontrollierten Zeitungen und Radiosender den charismatischen SPD-Politiker routinemäßig.

"Ich habe keine Atomwaffen"

Als der Regierende Bürgermeister überraschend am 25. August 1960 das Friedrichshainer SPD-Büro besuchte, erlebten sie das Gegenteil: Brandt reagierte auf die Polemik der SED, er unterstütze „Adenauers Atomkriegshetze“, schlagfertig, aber gelassen: „Ich habe keine Atomwaffen, weder in der Tasche noch sonst wo, und hoffe, die DDR hat ebenfalls keine.“ Da fehlten selbst den geschulten Agitatoren der Einheitspartei die Worte.

Dass es 1960 noch SPD-Büros in Ost-Berlin gab, lag am Status der Vier-Sektoren-Stadt. Mit der Zwangsvereinigung von KPD und SPD in der Sowjetischen Besatzungszone im April 1946 waren alle früheren SPD-Büros und das gesamte Eigentum eingezogen worden; daher gab es in der DDR keine einzige Geschäftsstelle – außer in Ost-Berlin.

Hier nämlich hatten sich die vier Stadtkommandanten geeinigt, die SPD im Ost-Sektor und im Gegenzug die SED in den drei West-Sektoren zuzulassen. Mit der Folge, dass dem Abgeordnetenhaus in West-Berlin mehrere Kreisfunktionäre aus den östlichen Sektoren angehörten: Georg Meyer und Werner Rüdiger (Prenzlauer Berg) sowie Fritz Barthelmann (Pankow) und Rudolf Müller (Lichtenberg).

Zwar durfte die SPD nicht bei den (ohnehin wertlosen) Wahlen in Ost-Berlin antreten, aber die offiziellen Büros waren für die SED ein stetes Ärgernis, weil sie die Alternative zum Sozialismus demonstrierten. Also schickten die Funktionäre vor Ort regelmäßig sogenannte Agitationsgruppen zu den SPD-Büros.

Sie sollten Druck auf die Angestellten machen und normale Ost-Berliner vom Besuch der Geschäftsstelle abhalten. Im August 1960 fand wieder einmal eine derartige Offensive statt, gegen den Bundestagsabgeordneten Kurt Neubauer, der als einziger westlicher Parlamentarier in Friedrichshain lebte.

Um dagegen zu protestieren, fuhr Brandt in seiner Dienstlimousine, einem Mercedes 190, zum Friedrichshainer SPD-Büro. Kaum hatte sich herumgesprochen, welch ungewöhnlichen Besuch das Büro hatte, strömten Menschen vom benachbarten Wochenmarkt auf dem Boxhagener Platz herbei.

Als Willy Brandt nach absolviertem Auftritt zu seiner Limousine zurückging, riefen sie: „Willy, bleib doch hier!“ Diesen Wunsch konnte Brandt ihnen allerdings nicht erfüllen: Er fuhr schnurstracks zurück nach West-Berlin, um die SED nicht weiter zu provozieren.

Am 29. Mai 1961 fand noch einmal unter Brandts Vorsitz eine Sitzung des gemeinsamen Landesvorstandes in Ost-Berlin statt, in Lichtenberg, wo sich der Kreisvorsitzende Rudolf Müller gegen jegliche Form der Aktionseinheit mit der SED sträubte.

Das Friedrichshainer SPD-Büro blieb trotz weiterer Kampagnen bis in den August 1961 geöffnet. Nach dem Mauerbau jedoch schloss die DDR die acht Geschäftsstellen. In West-Berlin dagegen durfte die SED unter wechselnden Namen weiterhin agitieren, erreichte jedoch bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus nie mehr als 2,3 Prozent der Stimmen.

https://www.welt.de/kultur/history/arti ... ierte.html

Ja unser Willy Brandt, ein von mir sehr geschätzter Politker und der eigentliche Urvater der Einheit Deutschlands.
Interessierter
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 11:51

Interessierter hat geschrieben:1960 besuchte Willy Brandt überraschend ein SPD-Büro in Ost-Berlin.


Mal sehen, ob der HPA nachher noch schreibt: Die SPD-Büros in Ost-Berlin waren nichts anderes als ein Vasall und verlängerter Arm der SPD im Osten... [flash]
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon HPA » 18. Mai 2017, 12:08

Nur das im Gegensatz zum Ostbüro der SPD man nicht fürchten musste, bei Kontakten zu diesen SED Basallen im Westen in einem Schauprozess wegen ungesetzlicher Verbindungsaufnahme und ähnlichen Gummipragrafen aus dem DDR Politstrafrecht verurteilt zu werden.

BTW: wem gehörte eigentlich die Druckerei der DKP?

naaa?
HPA
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 12:23

HPA hat geschrieben:bei Kontakten zu diesen SED Basallen im Westen in einem Schauprozess wegen ungesetzlicher Verbindungsaufnahme und ähnlichen Gummipragrafen aus dem DDR Politstrafrecht verurteilt zu werden.


Ich habe mal gehört, dass es Berufsverbote gab, wenn man diesen "Basallen" zu nahe stand.
Naaa, stimmts?
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Kumpel » 18. Mai 2017, 12:27

Welcher Staat möchte schon seine Gegner in den eigenen Reihen haben und mit Steuergeldern päppeln?
Im Osten hat man es sich da doch leichter gemacht und diesen Personenkreis eingelocht.
Kumpel
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon HPA » 18. Mai 2017, 12:32

Merkur hat geschrieben:
HPA hat geschrieben:bei Kontakten zu diesen SED Basallen im Westen in einem Schauprozess wegen ungesetzlicher Verbindungsaufnahme und ähnlichen Gummipragrafen aus dem DDR Politstrafrecht verurteilt zu werden.


Ich habe mal gehört, dass es Berufsverbote gab, wenn man diesen "Basallen" zu nahe stand.
Naaa, stimmts?


Das ist aber etwas anderes als etliche Jahre im Zuchthaus zu landen oder Bekanntschaft mit dem Scharfrichter zu machen. Und wegen bloßer Kontakte gabs auch kein Berufsverbot im Öffentlichen Dienst.
Außerdem war es kein Berufsverbot , sondern lediglich ein Einstellungshindernis in den Öffentlichen Dienst!

Abgesehen davon, warum soll der Staat jemanden als Beamten alimentieren, welcher genau diesen Staat in seiner Grundordnung ablehnt oder ihn sogar bekämpft?
HPA
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 12:45

"Das ist aber etwas anderes" ist ein besonders beliebtes und weit verbreitetes Totschlagargument.
Letztlich reduziert es sich doch darauf, dass beide Seiten entsprechende Kontakte zu den Ablegern überwachten und im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten entsprechend sanktionierten.
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon HPA » 18. Mai 2017, 12:49

Das ist kein Totschlagargument sondern eine Tatsache!

Kontakt zum Ostbüro der SPD mindestens 5 Jahre bis Todesstrafe

Engagement bei DKP et al: Einstellungshindernis im Öffentlichen Dienst , und das auch nur ein paar Jahre in den 70igern unter dem Radikalenerlaß

Fällt Dir was auf?
HPA
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 13:23

HPA hat geschrieben:Fällt Dir was auf?


Ja, mir ist kein Todesurteil aufgrund einer Kontaktaufnahme zum Ostbüro der SPD bekannt.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon HPA » 18. Mai 2017, 13:44

Gefällt Dir der Begriff Entführung und Mord besser? So wie im Fall Robert Bialek?
HPA
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Kumpel » 18. Mai 2017, 13:53

Für derartige Vorfälle hat unser Hobby-Historiker stets ein süffisantes " das war kein Ruhmesblatt der DDR" parat. [bloed]
Kumpel
 

Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 14:09

HPA hat geschrieben:Gefällt Dir der Begriff Entführung und Mord besser? So wie im Fall Robert Bialek?


Gefällt Dir meine Antwort auf Deine Frage nicht? Möglicherweise ein Produkt Deiner unpräzisen Formulierung.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 14:13

Kumpel hat geschrieben:Für derartige Vorfälle hat unser Hobby-Historiker stets ein süffisantes " das war kein Ruhmesblatt der DDR" parat.


[heart]
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Kumpel » 18. Mai 2017, 14:14

Merkur hat geschrieben:Letztlich reduziert es sich doch darauf, dass beide Seiten entsprechende Kontakte zu den Ablegern überwachten und im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten entsprechend sanktionierten.


Drollig , die Antwort eines Apparatschik.
Der Eine wurde eingelocht oder umgelegt und der andere durfte nicht im Staatsdienst arbeiten, je nach den "jeweiligen Möglichkeiten" [bloed]
Pass nur auf , dass du nicht einmal versehentlich in einer Stasiuniform zum Dienst erscheinst. [flash]
Zuletzt geändert von Kumpel am 18. Mai 2017, 14:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Merkur » 18. Mai 2017, 14:20

Kumpel hat geschrieben:Drollig , die Antwort eines Apparatschik.


Drollig ist wohl eher Dein Kommentar. Ist wohl zu warm unter der Schirmmütze? Vielleicht musst Du aber auch nur mal die Sonnenbrille abnehmen. Dann siehst Du zumindest klarer und keine Dinge, die es nie gab.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Wie Willy Brandts Besuch 1960 die SED provozierte

Beitragvon Kumpel » 18. Mai 2017, 14:21

Merkur hat geschrieben:......... und keine Dinge, die es nie gab.


Welche denn? [ich auch]
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