Das Verhältnis Mielke/Honecker und der "Rote Koffer"

Wie waren die politischen Systeme der beiden deutschen Staaten zur Zeit des Kalten Krieges? Wo waren die Unterschiede? Gab es Gemeinsamkeiten?
Wie wurde die Politik auf beiden Seiten vermittelt?

Das Verhältnis Mielke/Honecker und der "Rote Koffer"

Beitragvon Interessierter » 19. Februar 2017, 11:22

Der Mythos des roten Koffers beruht auf einem Wortwechsel, der in der letzten Sitzung des Politbüros am 17. Oktober 1989 stattfand, dessen Wortlaut nicht exakt überliefert ist und dessen Sinn völlig im Dunkeln liegt. Nachdem Willi Stoph Erich Honecker zum Rücktritt aufgefordert hatte, entspann sich eine Diskussion, in deren Verlauf Erich Mielke sinngemäß gesagt haben soll: "Erich, wenn du nicht zurücktrittst, dann packe ich aus, und dann werden sich noch manche wundern." Honecker soll irritiert geschaut und dann erwidert haben: "Dann tu's doch." Mielke habe dann noch etwas gegrummelt, aber niemand in der Runde hakte nach. Denn keiner verstand, womit Mielke da drohen wollte.

Von einem roten Koffer war in dieser Sitzung keine Rede. Der tauchte ja erst Ende Februar 1990 auf, als er in Mielkes Büro beschlagnahmt wurde. Öffentlich bekannt wurde seine Existenz durch die ZDF-Sendung "Kennzeichen D" im November 1990. Erst jetzt wurde ein möglicher Zusammenhang konstruiert zwischen dem Kofferinhalt und dem kurzen Disput im Politbüro.

Jetzt stellte sich auf einmal die Frage: Wollte Mielke Honecker erpressen? Um diese Frage beantworten zu können, muss man zunächst einige andere Fragen klären: Taugte der Inhalt überhaupt für eine Erpressung - objektiv oder auch nur aus Mielkes subjektiver Sicht? Falls man die Frage bejaht, ergibt sich die nächste: Hat Mielke die Papiere zum Zwecke einer möglichen Erpressung Honeckers aufbewahrt oder vielleicht aus einem anderen Grund? Und schließlich ist die Frage zu stellen: Wäre Mielke zu einer Erpressung im Stande gewesen, hätte man sie ihm zutrauen können?

Letztlich läuft alles darauf hinaus: Wie war das Verhältnis zwischen Honecker und Mielke, zwischen dem "großen" und dem "kleinen" Erich, wie sie landläufig genannt wurden.


Ich habe für meine Honecker-Biografie mit einigen Leuten gesprochen, die sowohl Honecker als auch Mielke recht gut kannten, und sie beschrieben alle die Beziehung - überspitzt ausgedrückt - wie zwischen Herr und Hund. Mielke habe sich stets unterwürfig, liebedienerisch, kriecherisch verhalten. Honecker konnte Mielke in Politbürositzungen als etwas vertrottelte Person behandeln - der ließ es sich gefallen und brummelte allenfalls etwas Unverständliches in sich hinein. Dafür durfte er anschließend unter vier Augen mit dem Generalsekretär die Sicherheitslage besprechen - und tat sich dann wegen dieses Privilegs gegenüber seinen Untergebenen wichtig. Schalck-Golodkowski drückte es so aus: "Mielke wusste, was der Generalsekretär denkt, und hat ihm bedingungslos gedient." Enttäuscht war Mielke deshalb, dass er nicht in Honeckers privaten Freundeskreis aufgenommen wurde.

Ein Beispiel, das Mielkes devote Haltung illustriert, erzählte mir Wolfgang Vogel. Als der Rechtsanwalt im Juni 1973, nach dem Besuch Herbert Wehners in der Schorfheide, zum ersten Mal zu einem persönlichen Gespräch zu Honecker bestellt wurde, wartete im Vorzimmer seines ZK-Büros auch Erich Mielke, und sie wurden gemeinsam empfangen, denn es sollte die Rolle Vogels zwischen dem Generalsekretär und der Stasi definiert werden. Als Honecker während des Gesprächs in seinem Arbeitszimmer aufstand, um zum Telefon zu gehen, sprang Mielke sofort auf und blieb während des gesamten Telefonats stehen; dabei gab er Vogel Handzeichen, er solle sich auch erheben.

Ein anderes bizarres Beispiel gibt Thomas Grimm in seinem soeben erschienenen Buch "Politbüro privat": Bei gemeinsamen Jagden musste erst Honecker seinen Hirsch erlegt haben, ehe Mielke abdrückte - selbst wenn ihm schon zuvor das Wild direkt vor die Flinte gelaufen war.

Mielke war - um das Herr-und-Hund-Verhältnis ein bisschen freundlicher zu beschreiben - absolut loyal. Das hatte mehrere Gründe.

Mehr über diese beiden unterentwickelten Genossen und ihre gefälschten Lebensläufe hier:
http://www.bstu.bund.de/DE/Wissen/Akten ... _node.html

Schon merkwürdig, dass viele junge Menschen bereits in den Anfängen erkannten, wie in der DDR eine widerliche Diktatur aufgebaut wurde. Andererseits aber so mancher Genosse dieser Diktatur willfährig diente und das auch noch bei der Vopo und dem MfS.
Wobei die Vopo sich oftmals als Handlanger und Erfüllungsgehilfen der Stasi betätigten. Was natürlich heute bestritten wird.
Mit VOLKSpolizei hatte das nicht das Geringste zu tun, sondern war gegen das Volk gerichtet.
Interessierter
 

Re: Das Verhältnis Mielke/Honecker und der "Rote Koffer"

Beitragvon andr.k » 19. Februar 2017, 20:19

Interessierter hat geschrieben:Schon merkwürdig, dass viele junge Menschen bereits in den Anfängen erkannten, wie in der DDR eine widerliche Diktatur aufgebaut wurde. Andererseits aber so mancher Genosse dieser Diktatur willfährig diente und das auch noch bei der Vopo und dem MfS.
Wobei die Vopo sich oftmals als Handlanger und Erfüllungsgehilfen der Stasi betätigten. Was natürlich heute bestritten wird.
Mit VOLKSpolizei hatte das nicht das Geringste zu tun, sondern war gegen das Volk gerichtet.


Was Deine unverständlich persönlichen Worte unter dem durchaus interessanten Thema für einen Sinn geben sollen, erschließt sich wohl nur Dir alleine. Wie funktioniert eigentlich ein Staat ohne Polizei? Die Frage wirst Du doch wohl 100 % beantworten, oder? Bin mal gespannt, was dabei rauskommt.
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
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Re: Das Verhältnis Mielke/Honecker und der "Rote Koffer"

Beitragvon Kumpel » 20. Februar 2017, 08:32

Hier geht es offensichtlich um die Rolle der VP bei der Unterstützung repressiver Maßnahmen der Stasi.
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Re: Das Verhältnis Mielke/Honecker und der "Rote Koffer"

Beitragvon Dr. 213 » 20. Februar 2017, 12:33

Es wird hier nicht der Normalfall einer ansonsten natürlich überall auf der Welt notwendigen Polizei besprochen sondern es geht
hier um den entarteten, krankhaften Zustand der Polizei in einer Diktatur.
Die "Volkspolizei" hat unbestritten den Stasikollegen eifrigst zugearbeitet.
In dem Zusammenhang erinnere an die Behinderung von westlichen Fernsehteams in Ost- Berlin, davon gibt es ja sogar Filme.

Ich kann mich auch nicht erinnern, daß die Herren Volkspolizisten das mit Abscheu getan haben.
Die waren sowas von der Richtigkeit ihrer Sache überzeugt. Und einen Staufenberg haben die auch nicht hervorgebracht.
Aber es waren ganz gute Opportunisten, sind bei erster Gelegenheit übergelaufen und haben bestimmt in der Nacht dafür gebetet,
daß sich möglichst wenige Kunden an eine eventuell fragwürdige Bedienung erinnern und die Personalakte möglichst blütenweiß ist.

Schreib nur weiter Interessierter, auch wenn aus recht durchsichtigen Gründen von der Verklärerfraktion daran Anstoß genommen wird.

zurück zum Roten Koffer:
Ich denke nicht unbedingt an eine Art Versicherung für Mielke. So jedenfalls wird es oft gedeutet.
Für ihn war das mehr eine Sammlung von pers. Klassenkampf- Folklore die er möglichst sicher aufbewahrt wissen wollte.

Die darin enthaltenen Schweinereien eines Honecker zur Nazizeit sind eigentlich nur menschlich sehr verständliches Verhalten.
Entweder aus opportunistisch nachvollziehbaren Gründen oder weil er die Gefängsisangestellte damals wirklich gern hatte.
Da muß man einfach mildernde Umstände gelten lassen. Bei Zelleninformatoren würde ich nach einer ersten Phase der Empörung
auch so etwas wie Verständnis empfinden. Wer weiß schon, zu was man in einer vergleichbaren Situation selber bereit wäre.

Herzlichst
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Re: Das Verhältnis Mielke/Honecker und der "Rote Koffer"

Beitragvon andr.k » 20. Februar 2017, 21:36

Dr. 213 hat geschrieben:Es wird hier nicht der Normalfall einer ansonsten natürlich überall auf der Welt notwendigen Polizei besprochen sondern es geht
hier um den entarteten, krankhaften Zustand der Polizei in einer Diktatur.
Die "Volkspolizei" hat unbestritten den Stasikollegen eifrigst zugearbeitet.
In dem Zusammenhang erinnere an die Behinderung von westlichen Fernsehteams in Ost- Berlin, davon gibt es ja sogar Filme.

Ich kann mich auch nicht erinnern, daß die Herren Volkspolizisten das mit Abscheu getan haben.
Die waren sowas von der Richtigkeit ihrer Sache überzeugt. Und einen Staufenberg haben die auch nicht hervorgebracht.
Aber es waren ganz gute Opportunisten, sind bei erster Gelegenheit übergelaufen und haben bestimmt in der Nacht dafür gebetet,
daß sich möglichst wenige Kunden an eine eventuell fragwürdige Bedienung erinnern und die Personalakte möglichst blütenweiß ist.

Schreib nur weiter Interessierter, auch wenn aus recht durchsichtigen Gründen von der Verklärerfraktion daran Anstoß genommen wird.


Dr. 213, wie immer die gleichen platten Pauschalisierungen, in denen alle Polizisten über einen Kamm geschoren werden. Ich frage Dich, wie Du zu der Annahme kommst, dass man hier "verklären" wolle.

Hast Du Dich mit diesem Thema überhaupt auseinandergesetzt? Es würde mich echt interessieren, wie Du zu Deinen Kenntnissen/Erkenntnissen gekommen bist. Dass es Berufsgruppen bei der VP gab, die dem MfS zugearbeitet haben, ist keine Frage. Diese wurden überwiegend entlassen.

Ganz nett wäre es noch, wenn Du mal Beispiele bringst, wo von meiner Seite aus irgendetwas "verklärt" wurde.

[hallo]
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