Der 9. November 1989 war den DDR-Medien keine Meldung wert. Der Journalistenalltag in Ostberlin war eigenartig. Rückblick eines »Presse«- Korrespondenten.
Hier im IPZ, heute Sitz des Bundesjustizministeriums, antwortete Politbüromitglied Günter Schabowski am 9. November 1989 um 18:53 Uhr auf Journalistenfragen zur Reiseregelung mit den legendären Worten, die Sperrfrist missachtend: „Das tritt nach meiner Kenntnis – ist das sofort, unverzüglich.“ Jene Worte, die in der darauffolgenden Nacht zum Mauerfall führten.
Schweigen zum Mauerfall. Weiter in Richtung Alexanderplatz, Mollstraße 1, damals Sitz des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes ADN, heute Sitz des Internethändlers Zalando. Von hier aus versorgte die Monopolagentur die DDR-Medien. Außer in der Nacht von 9. auf 10. November 1989: Nach der Schabowski-Pressekonferenz kam von der DDR-Agentur mit ihren 1400 Mitarbeitern, davon 750 Journalisten: absolut nichts!
Peter Heimann, junger Nachrichtenredakteur, sah daheim die Live-Übertragung der Schabowski-Pressekonferenz und fuhr spontan in sein Großraumbüro, um die Agenturkollegen zu unterstützen. Heimann sah gerade noch den letzten Diensthabenden das Tor absperren, mit der Bemerkung: „Das ist alles ungesetzlich ...“
Heimann war in dieser Nacht der einzige Journalist in der ADN-Redaktion. Er sah im Westfernsehen, wie die ganze Welt über die Ereignisse berichtete – und vom ADN kein Wort! Am nächsten Tag erschienen die DDR-Medien mit sechsspaltigem Aufmacher über den vorgezogenen Parteitagstermin, als hätte es den Mauerfall nie gegeben. Weit nach Mitternacht setzte Heimann schweißgebadet eine Meldung von drei dürren Sätzen ab. Er hatte Angst, jetzt abgeholt zu werden. Eigenmächtig hätte er nichts aussenden dürfen. Alle Vorgesetzten hatten sich schlafend gestellt. Einen der Direktoren brachte ich später zum Eingeständnis, schwere Fehler begangen zu haben: „Selbstverständlich hätten wir als DDR-Nachrichtenagentur aus allen Rohren schießen müssen.“
Der vollständige Bericht hier:
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