Mauerbau und DDR - Bürger, die in West-Berlin arbeiteten

Hier bitte ausschließlich Themen die sich mit der Berliner Mauer beschäftigen.

Mauerbau und DDR - Bürger, die in West-Berlin arbeiteten

Beitragvon Interessierter » 5. Dezember 2012, 17:09

In Westberlin arbeiteten und studierten im Jahre 1961 zwischen 55.000 bis
65.000 Grenzgänger aus der DDR, die sich vor der Schließung der Grenze in
Ostberlin registrieren lassen mußten. Am 14.8.1961 wurde darüber verfügt, daß
die ehemaligen Grenzgänger und Zuziehenden in den Arbeitsprozeß der DDR
einzugliedern sind. Ohne Rücksicht auf Qualifikation und Ausbildung konnten
die Verwaltungen in den Bezirken Berlin, Frankfurt/Oder und Potsdam über
dieses Arbeitskräftreservoir verfügen.
Tausende haben mehr oder weniger freiwillig
Arbeitsverträge unterschrieben, um sich auf unterqualifizierten Arbeitsplätzen
und zu niedrigen Löhnen politisch-ideologisch im „Schofle der Arbeiterklasse“
in den ihnen zugewiesenen Schwerpunktbetrieben zu » bewähren«,
Da eine Anzahl von Grenzgängern die ihnen zugewiesene Arbeit verweigerte,
empfahl die Justizministerin Benjamin die Verweigerer strafrechtlich zu
verfolgen, z.B. wegen „Hetze“, „Staatsverleumdung“, „Verbindung zu Konzernen
und sonstigen westlichen Organisationen“ (§16 StEG), „Paßvergehen“.
„Verstoß gegen das Devisengesetz“ u. a. Gleichzeitig sollte mit einer Verordnung
die Rechtsgrundlage geschaffen werden, jeden Verweigerer und auch seine
Familienangehörigen an einem bestimmten Ort auch längerfristig anzusiedeln,
ihn bis zu 5 Jahren Arbeitserziehungslager zu verurteilen und ihm eine
Aufenthaltsbeschränkung aufzuerlegen. Damit waren die arbeitsgesetzlichen
Grundlagen der DDR ausgehebelt.


Die VO vom 24.8.1961 sah weiterhin vor, daß Volksvertretungen, die Räte
der Gemeinden und Kreise einen Haftbefehl bei dem zuständigen Staatsanwalt
bewirken konnten. Diese Verordnung stellte auch eine ergänzende Rechtsbasis
für die Aussiedlung in grenznahen Bereichen. Auf der Grundlage dieser Verordnung,
der VO vom 26.6.1952 zur Demarkationslinie und des Politbürobeschlusses
vom 29.8.1961 »Ordnung zur Sicherheit der Westgrenze der DDR«,
mußten unter der Bezeichnung »Festigung« Tausende Grenzkreisbewohner
ihre angestammte Heimat verlassen.
43 Mit der VO vom 24.8.1961 war der
Vorläufer für den späteren § 249 StGB der DDR, den „Asozialenparagraphen“,
geschaffen worden. Bis 1968 blieb diese Verordnung auch in Kraft.

Intern erließ die Verwaltung Strafvollzug des MdI eine Vorschrift über die
Durchführung der Arbeitserziehung. Grundlagen der Arbeitserziehung waren
gemeinschaftliche und körperlich schwere Arbeit, verbunden mit politischer
Einwirkung. t. Das Wahlrecht des Arbeitspflichtigen ruhte, Bestimmungen über
die gesetzliche Arbeitszeit fanden keine Anwendung und bei Flucht wurde von
der Schußwaffe Gebrauch gemacht Bei späteren Amnestien läßt sich nachweisen,
daß diese Kategorie nicht darunterfiel, weil diese Zwangsarbeit als eine
Zusatzstrafe angesehen wurde.

Die örtlichen Organe, die Polizei, das MfS, die Gerichte und die Staatsanwaltschatten
verfielen nach dem 13. August 1961 in eine ungewöhnliche Aktivität.
Tägliche Meldungen von Festnahmen, von Haftbefehlen, Ermittelungen
und Gerichtsurteilen in fast ausschließlich beschleunigten Verfahren zeugen
von dieser Hyperaktivität. Die Tabellen 17 und 18 belegen nur auszugsweise
die Vorgehensweise von der Festnahme (Zuführung) bis zur Verurteilung für
die ersten Monate nach der Schließung der Grenzen. Nach dem 13. August
1961 begann strafrechtlich das große Aufräumen. Im Jahre 1962/63 war eindeutig
der Höhepunkt der politischen Strafverfolgung in der DDR-Geschichte.
Die hohe Anzahl von Verurteilungen mit Freiheitsstrafen für „Staatsverbrechen“
und „Verletzung des Paßgesetzes“, wobei über Dreiviertel der Verurteilten
wegen illegalen Verlassens der DDR – für den Versuch und für die Vorbereitung
– verurteilt wurden
. führten zu Kapazitätsschwierigkeiten im Strafvollzug
der DDR. Durch einen Politbürobeschluß im Jahre 1962 wurden daher
Strafgefangene frühzeitig aus der Haft entlassen, um so für die Nachrückenden
Platz zu machen.

Quelle: Historical Social Research, Wilhelm Heinz Schröder, Jürgen Wilke

Diese Dinge blieben durch den Schrecken des Mauerbaues vielen verborgen, so auch mir.
Interessierter
 

Re: Mauerbau und DDR - Bürger, die in West-Berlin arbeiteten

Beitragvon dein1945 » 6. Dezember 2012, 16:04

Interessierter hat geschrieben: Am 14.8.1961 wurde darüber verfügt, daß
die ehemaligen Grenzgänger und Zuziehenden in den Arbeitsprozeß der DDR
einzugliedern sind. Ohne Rücksicht auf Qualifikation und Ausbildung konnten
die Verwaltungen in den Bezirken Berlin, Frankfurt/Oder und Potsdam über
dieses Arbeitskräftreservoir verfügen.
Tausende haben mehr oder weniger freiwillig
Arbeitsverträge unterschrieben, um sich auf unterqualifizierten Arbeitsplätzen
und zu niedrigen Löhnen politisch-ideologisch im „Schofle der Arbeiterklasse“
in den ihnen zugewiesenen Schwerpunktbetrieben zu » bewähren«,
Da eine Anzahl von Grenzgängern die ihnen zugewiesene Arbeit verweigerte,
empfahl die Justizministerin Benjamin die Verweigerer strafrechtlich zu
verfolgen, z.B. wegen „Hetze“, „Staatsverleumdung“, „Verbindung zu Konzernen
und sonstigen westlichen Organisationen“ (§16 StEG), „Paßvergehen“.
„Verstoß gegen das Devisengesetz“ u. a. Gleichzeitig sollte mit einer Verordnung
die Rechtsgrundlage geschaffen werden, jeden Verweigerer und auch seine
Familienangehörigen an einem bestimmten Ort auch längerfristig anzusiedeln,
ihn bis zu 5 Jahren Arbeitserziehungslager zu verurteilen und ihm eine
Aufenthaltsbeschränkung aufzuerlegen. Damit waren die arbeitsgesetzlichen
Grundlagen der DDR ausgehebelt.
[/b]

Quelle: Historical Social Research, Wilhelm Heinz Schröder, Jürgen Wilke

Diese Dinge blieben durch den Schrecken des Mauerbaues vielen verborgen, so auch mir.


Hab mal deinen Text etwas gekürzt,

Mal vier Beispiele aus dem Mietshaus meiner Großeltern in Ostberlin, ich kannte alle Personen !

1.Fall: Eine ältere Frau, damals schon im Rentenalter, arbeitete schon immer als Putzfrau bei der BVG auf dem Bahnhof Gesundbrunnen, und mit immer meinte ich auch schon als an eine "DDR" noch nicht zu denken war. Nun war ihr der Weg versperrt, von ihrer Ostrente konnte sie aber nicht leben, ihre Zusatzrente der BVG wurde ihr aber nicht von der Ost-BVG gezahlt, was nun ?
Als sie 1964 als Rentnerin in den Westen fahren durfte blieb sie gleich dort. Hatte dann noch einige schöne Jahre in Westberlin, auch dank der Hilfe meiner Eltern.

2.Fall: Ein junger Mann mit Familie arbeitete als Filmvorführer in Westberlin, dann kam Ulbricht seine Mauer, nun war der Weg versperrt, er hatte wohl einiges gespart und blieb erst mal zu Hause. Nach drei Monaten standen einige Uniformierte vor der Tür und es ging ins Arbeitslager nach Senftenberg in die Braunkohle. Die Frau mit zwei Kindern durfte Berlin in Richtung Sachsen-Anhalt verlassen, natürlich ganz freiwillig [mad] . Der Aufenhalt in der Braunkohle hat auch nur zwei Jahre gedauert, aber zum sozialistischen Menschen hat ihn damit keiner gemacht, sein Hass auf diesen Staat war nur noch größer geworden.

3.Fall: Ebenfalls ein Familienvater, arbeitete als Maurerpolier schon seit Kriegsende bei einer Westberliner Firma, er hatte dort nach der Kriegsgefangenschaft angefangen, auch da gab es noch keine DDR. Nun war auf einmal Schluß, die Grenze war dicht und der Arbeitsplatz lag im Westen, er war nicht so ein Typ der anderen auf der Tasche liegen wollte, also hat er sich sofort um einen Arbeitsplat in Ostberlin bemüht. Nur Maurerpoliere wurden auf einmal nicht gebraucht, obwohl ja die Bauarbeiter zum Mauerbau abgezogen wurden. Hatte nicht erst noch im Juni 61 ein gewisser Herr U..., hab den Namen vergessen, aber bei uns war es immer der "Zickenbart" "Die Bauarbeiter in der Hauptstadt sind für den Wohnungsbau da". Um es kurz zu machen, es gab einen Arbeitsplatz bei einem Ostberliner Großhandel als Hilfsarbeiter, nur von dem Geld konnte er seine Familie nicht ernähren. Da meinte sein neuer Chef, na du hast doch früher im Westen genug Kohle gemacht, dann geb die mal jetzt aus. Ja was soll man davon halten !

Aber auch in diesem Fall kam Hilfe, Ostern 1963 lag die Tochter im Kofferraum eines Diplomaten und ab ging die Reise über CP Charly, am nächsten Tag war ihr Mann auch weg, Bei der Mutter war es etwas schwieriger, sie wollte nicht in den Kofferraum, da half ein Krankenwagen. Als letzter kam der Maurerpolier, ist alles gut gegangen, Arbeit fand er sofort wieder in seiner alten Firma, ihr werdet es schon erraten, richtig diesmal wieder als Polier. Es waren nur noch wenige von seinen alten Kollegen in der Firma, denn die meisten kamen wie er vor dem Mauerbau aus Ostberlin.

4.Fall: Eine junge Mutter, war mit einem Westberliner verheiratet, da er noch in der Wohnung seiner Eltern lebte behielt sie ihren Wohnsitz in Ostberlin, leider war sie am 13. in ihrer Wohnug in Ostberlin, da war guter Rat teuer. Ihr WB-Ausweis lag bei ihrem Mann im Wedding, nun durften aber Westberliner Bürger bis zum 23.August 61 noch nach Ostberlin einreisen, so hab ich am 14. meine Großeltern besucht, zufällig hatte ich den Ausweis von Renate mit genommen, so konnten wir schon am Abend ein Glas Sekt in der Badstr. trinken. ( Für nicht Berliner, die Badstr. lag im franz. Sektor)

Noch als Anmerkung für unsere nicht so bewanderten Mitstreiter, die Entlohnung in Westberlin erfolgte 40% D-Mark und 60% Ostmark, es war also ein Geschäft für beide Seiten. Der Chef hatte was davon und auch der Arbeitnehmer.

Schönen Tag aus Berlin
Man(n) muß wissen wenn Schluß ist !
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Re: Mauerbau und DDR - Bürger, die in West-Berlin arbeiteten

Beitragvon Affi976 » 6. Dezember 2012, 17:04

Richtig Achim,
solche Machenschaften ihren eigenen Bürgern gegenüber kennen wohl viele Berliner.
Mein Vater arbeitete in einer Westberliner Tischlerei, in der Nähe der Skalitzer Straße, wir wohnten aber im Friedrichshain. Als die Mauer geschlossen wurde, war guter Rat teuer. In W-Berlin sollte er über die SPD, die Tischlerwerstatt des Senats übernehmen, im Osten wollte kein VEB Betrieb einen ausgebildeten Tischler, komisch wa?
Also ist mein Vater Klinken putzen gegangen und hat auch gleich bei uns in der Nähe, Frankfurter Allee, eine Anstellung bei einem privaten Krauter gefunden. Der zahlte natürlich nur..?? Mark-Ost, Hungerlohn.
Also gings weiter, bis er sich mit 3 anderen Tischlern zu einer PGH zusammengeschlossen hat. Dort war er dann über die Enteignung hinweg bis zu seiner Rente 1984 tätig.
In der entfernteren Verwandtschaft gabs auch noch einen weiteren Tischler, der im Westteil seine Firma hatte, aber im Ostteil wohnte. Der hat seine Firma ntürlich vergessen können. Wurde irgendwie abgewickelt und das Geld kam auf ein Treuhandkonto.
Ich denke, so mancher Berliner könnte da jede Menge solcher Geschichten erzählen. Leider sind schon zu viele in Vergessenheit geraten.
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Re: Mauerbau und DDR - Bürger, die in West-Berlin arbeiteten

Beitragvon dein1945 » 6. Dezember 2012, 18:34

Hallo Achim

meinen Opa wollte man auch mit seiner Schlosserei in eine PGH pressen, nur hat er da nicht mitgemacht, hat den Laden für ein "Apel und ein Ei" verscherbelt. Ging dann noch bis zum 13. in Westberlin bei der AEG arbeiten, dort war er schon einmal im Krieg hin verpflichtet worden. Nach dem 13. konnten sie ihn mal gerne haben er war eh schon Rentner. Die ihm zustehende Betriebsrente kam auf ein Sonderkonto, die konnte meine Oma nach 1964 dann immer beim Westbesuch verbraten, war höher als ihre DDR Minirente !

Um gleich die Frage zu beantworten warum meine Großeltern nicht auch weg sind, ihnen gehörte ein Mietshaus, was eigentlich mal als Altersversorgung gedacht war und zum anderen hatten sie noch ein Haus in Eichwalde, dort wollten sie mal als Rentner leben. Mein Opa hat dies alles nicht mehr erlebt er starb 1962, um zur Beerdigung zu kommen hatten wir uns schon zu der Zeit Bundesdeutsche Reisepässe besorgt.

Den Schlossermeister der die Firma übernommen hatte verhaftete man, er wollte auch in keine PGH. Als Grund gab man an, er hätte Industriediamanten unterschlagen. Nur gab es diesen Rohstoff in der Schlosserei überhaupt nicht.
Es war eine kleine Firma, heute würde man sagen "Gas, Wasser, Scheiße" nur es wurde ebend ein Vorwand genommen. So ging es damals in der Neuen-Königstr. nicht nur dem Schlosser, auch der Elektromeister, dem Zahnarzt und dem Bäcker, ich könnt sie alle aufzählen, es war fast die ganze Strasse, selbst dem Eisfritzen hat man unterstellt er hätte Zucker unter der Hand verschoben, so hat man nach und nach die kleinen Handwerker platt gemacht.
Zum Schluß hat man noch alle Häuser abgerissen, nur das Pol.Präsidium mit samt Keibelstr. blieb stehen. Nur Schade am 17.Juni hatte man dort 4 LKW angezündet, man hätte gleich den ganzen Bau abfackeln sollen, dann wäre der Bevölkerung so einiges erspart geblieben. Zumindest hätte dann Erich dort nicht den 13. planen und leiten können.

Jedesmal wenn ich die Großeltern besuchte war aus der Strasse Einer getürmt oder Einer saß wegen erfundener Geschichten im Knast. So war die Wirklichkeit im "Arbeiter und Bauernstaat" und da wundern sich immer noch User wie Edelknabe, daß getürmt wurde oder die Bevölkerung sich nach besseren Lebensverhältnissen sehnte und im Westen arbeiten ging!

Schönen Gruß nach Weimar aus Berlin
Man(n) muß wissen wenn Schluß ist !
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Re: Mauerbau und DDR - Bürger, die in West-Berlin arbeiteten

Beitragvon Affi976 » 6. Dezember 2012, 18:51

Zitat dein1945:...nur das Pol.Präsidium mit samt Keibelstr.

das war ja ein übelst dunkler Laden. Dort befand sich die KFZ-Zulassungsstelle, kaum Fenster und Treppen ohne Ende. Mittendrin war auch eine UHA des MdI. Ich kenne ne Schnecke in Berlin, die dort einsaß und von dort nach Köpenick in den Frauenknast kam. köpenick war gegen die Keibelstrasse ein 4* Hotel. Dunkel, dreckig, keine Fenster und nicht wissen wo und bei wem man war!
Die Altbauten, also die Häuser um Deine Großeltern herum kenne ich auch noch - im Abgesang! Alles schade, hätten nur gemacht werden müssen.
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