Die Mauerspringer aus dem Westen

Hier bitte ausschließlich Themen die sich mit der Berliner Mauer beschäftigen.

Die Mauerspringer aus dem Westen

Beitragvon augenzeuge » 6. März 2022, 19:50

Der Historiker Martin Schaad hat die Geschichten von 410 Mauerspringern recherchiert, die über die Grenze von West- nach Ostdeutschland geklettert sind. Einige sprangen, weil sie offiziell nicht einreisen durften, andere waren psychisch krank – und manche einfach nur betrunken. „Viele Mauerspringer sprangen am Herrentag und an Sylvester“, so Schaad.

410 Mauersprünge von West nach Ost haben Sie recherchiert. Da fragt man sich doch unwillkürlich, spinnen die? Wenn schon in die DDR, können sie dann nicht über den Grenzübergang gehen? Was hat die angetrieben, die Leute?

Schaad: In der Tat waren einige dieser 410 psychisch krank, verrückt, wenn Sie sagen, spinnen die, dann stimmt das in dem Fall vielleicht. Eine ganz große Gruppe war von alkoholisiertem Übermut angetrieben und hat … Eine Wette wurde abgeschlossen, du kriegst einen Kasten Bier, wenn du rein und raus kommst. Viele Mauerspringer sprangen am Herrentag und an Sylvester. Die gab es auf jeden Fall.


Schaad: Ich habe nur ganz wenige Fälle gefunden, vier, bei denen der betreffende Mauerspringer tatsächlich in der DDR bleiben wollte. In keinem Fall hat das geklappt. Es gab diese vier Leute, die sind in ein Aufnahmeheim in Schloss Barby in Sachsen-Anhalt gekommen und sind alle wieder zurückgebracht worden. Zwei von ihnen wollten nach zwei Wochen auch gar nicht mehr bleiben, denen hat das dann gereicht, die anderen beiden wurden abgelehnt.


Schaad: Mein Lieblingsmauerspringer ist Werner Sibilski, ein Bauarbeiter aus Kreuzberg, der über die Mauer springt, um der DDR seinen Beistand zu leisten, denn er will beweisen, dass es den Schießbefehl nicht gibt. Das geht gründlich schief, es wird zwar nicht geschossen, aber die Presse in Westberlin berichtet dennoch, dass geschossen worden ist und das regte ihn sehr auf, nachdem er wieder nach Westberlin zurückgeführt worden ist, dass er gleich noch mal springt, um das zu beweisen. Da haben dann aber auch die DDR-Behörden genug von ihm und er wird für mehrere Monate ins Gefängnis gesteckt.
[flash]

https://www.deutschlandfunkkultur.de/di ... n-100.html

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84880
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Die Mauerspringer aus dem Westen

Beitragvon Werner Thal » 9. März 2022, 20:10

Für mich war es auch zwischen August 1961 und November 1989 vom Verständnis her eine Sektorengrenze,
die aber für einen Normalbürger von Ost nach West so gut wie unüberwindbar war. Man musste schon
spezielle Kenntnisse über den Bau und die Beschaffenheit der Einrichtungen dieses Konstrukts haben,
wie z. B. Grenzer, die bekanntlich diese Tatsache gelegentlich nutzten. Und lebend im Westteil
ankamen. Aber mit der Gründung einer Familie kam auch für mich kein Alleingang mehr in Frage.
Geschlagen fühlte ich mich trotzdem nicht, es gab schließlich auch den Weg des stillen
Protests und der inneren Gegnerschaft. Ab 19. Oktober entwickelte sich auch in Rostock sichtbarer
Widerstand und lauter Protest mit entstehendem Massencharakter.

W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
русские идут домой
Benutzeravatar
Werner Thal
 
Beiträge: 4144
Registriert: 20. Februar 2013, 13:21

Re: Die Mauerspringer aus dem Westen

Beitragvon Dille » 9. März 2022, 23:35

Ja Werner, für mich als Berliner war das auch immer nur eine Sektorengrenze ! Und auch als ich
im Westen war, habe ich bei der Grenzkontrolle auf die Frage, wohin ich wolle, immer "Ost- Berlin"
geantwortet, wurde dann korrigiert mit "Berlin- Hauptstadt der DDR ??" und antwortete immer,
"..wie sie meinen..".
Auch ich hatte mir eine Grenze gesetzt, nach der ich mich in Ost- Berlin eingerichtet hätte (ich
verdiente nicht schlecht, 1971 = 1.120,- Mark), man kann ja nicht immer nur zwischen Baum und
Borke leben. Das wäre für mich das 30. Lebensjahr gewesen.
Aber ich habe meine Flucht auch versucht zu durchdenken -- also Berlin kam für mich nicht in
Frage, die Zonengrenze mangels Kenntnissen sowieso nicht --- aber da ich viel gereist bin auch
im Ostblock, diese Gegend um Barcs in Ungarn war immer ein Favorit, Grenze nach Österreich
scharf bewacht (wegen Drucks aus der DDR), Ungarn konnten aber relativ frei reisen -- warum
sollten sie also die Grenze nach Jugoslawien (abseits der Touristen- Spots wie Szeged) scharf
bewachen ?? Und so war es ja auch -- wir hätten mit einem Bus runter zur Drau fahren können.

Ich will auch gar nicht bestreiten, daß wir auch Glück und kundige Helfer hatten, aber mit dem
Kopf durch die Wand (Berlin, Zonengrenze..), ---- länger ist oft kürzer !!

Gruß, Dille
Dille
 
Beiträge: 252
Registriert: 4. Februar 2022, 22:36

Re: Die Mauerspringer aus dem Westen

Beitragvon Werner Thal » 10. März 2022, 05:56

Danke @Dille für deine interessante Entgegnung, ja, ich bin ein früher Vogel, deshalb bewege ich mich
gerade im Forum bei einer großen Tasse Tee.
Mit Gesamt-Berlin hatte ich schon immer eine besondere Beziehung, denn ich war vor dem Mauerbau
einige Male im West-Teil der Stadt. Und der 13. August 1961 war für mich ein sehr einschneidender Tag.

Gruß Werner
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
русские идут домой
Benutzeravatar
Werner Thal
 
Beiträge: 4144
Registriert: 20. Februar 2013, 13:21

Re: Die Mauerspringer aus dem Westen

Beitragvon Dr. 213 » 10. März 2022, 12:01

Ich lese ja alles rund um die Fluchten aus der Verflossenen ausgesprochen gerne.
Aber im Eröffnungsbeitrag geht es doch um den umgekehrten Weg, aus welchen Gründen auch immer man dazu das Bedürfnis verspürte ?

Herzlichst
Dr. 213
Das größte Landraubtier der Neuzeit ist DER Bär.
Benutzeravatar
Dr. 213
 
Beiträge: 1727
Registriert: 17. August 2014, 13:52

Re: Die Mauerspringer aus dem Westen

Beitragvon Werner Thal » 10. März 2022, 13:25

Ja, dieses ist mir klar…..

W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
русские идут домой
Benutzeravatar
Werner Thal
 
Beiträge: 4144
Registriert: 20. Februar 2013, 13:21


Zurück zu Die Berliner Mauer

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste