Über die Mauer von West nach Ost
Verfasst: 8. August 2018, 15:43
Es war verrückt. Aber ich habe es aus Liebe getan.“ Udo und das Mädchen aus Ost-Berlin. Sie waren jung, verliebt und lebten in der gleichen Stadt. Doch zwischen ihnen lag ein unüberwindbares Hindernis – die Mauer.
Udo Cürsgen steht an der Stelle, an der er vor 41 Jahren für Schlagzeilen sorgte. Berlin-Kreuzberg, Zimmerstraße Ecke Lindenstraße. Direkt gegenüber dem Verlagshaus Axel Springer. Hier kletterte er am 22. Juni 1976 über die Mauer - allerdings vom Westen in den Osten. „Ich wollte meine Verlobte aus Ost-Berlin herausholen. Vorher rief ich beim Springer Verlag an, sagte, was ich vorhatte.“
Cürsgen war damals 25 Jahre alt, seine Verlobte Inge Schlie 22. Kennengelernt hatten sich die beiden sieben Jahre zuvor über einen Militärsender im Radio. „Die spielten gute Musik und strahlten Kontaktgesuche aus.“
Udo Cürsgen lebte damals in einem Dorf bei Helmstedt in Niedersachsen, Inge in Köthen (Sachsen-Anhalt). Die beiden schrieben sich Briefe. Dann besuchte er das Mädchen in der DDR zum ersten Mal. Cürsgen: „Als ich sie sah, hat es mich umgehauen. Ich dachte: Diese Frau oder keine.“
Udo und Inge werden ein Paar. Sie verbringen gemeinsamen Urlaub in der DDR und verloben sich. „Der Vater war etwas stur. Mit der Mutter habe ich mich gut verstanden. Aber ich vor ein paar Jahren erfuhr, dass sie für die Stasi arbeitete und nicht wollte, dass ich ihre Tochter in den Westen hole.“
Auch Inge Schlie gerät ins Visier der DDR-Geheimpolizei. Nach einem ersten gescheiterten Fluchtplan wird sie zur Mitarbeit als „IM Hendrix“ erpresst.
Udo und Inge ziehen nach Berlin, um die Besuche zu vereinfachen. Sie studiert in Ost-Berlin, er arbeitet im Westteil der Stadt als Lkw-Fahrer.
Als West-Berliner darf Udo Cürsgen jetzt ohne komplizierte Anträge tagsüber zu Besuch nach Ost-Berlin fahren. Aber zusammenleben können sie nicht. Zweimal in der Woche besucht Udo seine große Liebe im Osten, Treffpunkt ist die Weltzeituhr am Alexanderplatz. „Um Mitternacht musste ich wieder drüben in West-Berlin sein, sonst gab es einen Höllenärger mit den DDR-Grenzern. Das hältst du irgendwann nicht mehr aus. Es musste etwas passieren.“
Schon 1973 hatte seine Freundin einen Antrag zur Ausreise aus der DDR gestellt – ohne Erfolg. Im Juni 1976 fasst Udo Cürsgen seinen verwegenen Plan. Er geht an diesem Tag nicht zur Arbeit, trinkt mittags ein Bier in der Kneipe. „Ich rief beim Springer-Verlag an, gab meine Daten durch und sagte, dass ich in einer Stunde über die Mauer springe.“
Er hofft darauf, dass die Zeitungen groß darüber berichten und die DDR seine Inge endlich gehen lässt. „Die Mauer bestand damals noch aus Quadersteinen. Da gab es kleine Löcher, an denen ich hochsteigen konnte“, erinnert sich Udo Cürsgen.
„Ich kletterte bis auf die Mauerkrone und blieb da oben sitzen. Das war ganz schön hoch.“ Eine Schulklasse steht zu diesem Zeitpunkt auf einer Aussichtsplattform an der Mauer auf West-Berliner Seite. Aufgeregt fotografieren die Kinder das Spektakel. Feuerwehr und West-Berliner Polizei kommen mit Blaulicht angerauscht. „Die wollten, dass ich runterkomme. Bin ich aber nicht.“
Nach einigen Minuten fährt ein Kübelwagen mit zwei DDR-Grenzsoldaten im Todesstreifen vor. „Ich blickte in die Läufe von Kalaschnikows“, so Cürsgen. „Ich hangelte mich ab und sagte den Soldaten, dass ich in friedlicher Absicht komme und unbewaffnet bin.“ Udo Cürsgen, der am 22. Juni 1976 über die Mauer kletterte, steht jetzt auf einen Rollator gestützt an der historischen Stelle.Nach einem schweren Motorradunfall fällt ihm das Laufen schwer. „Es ist ein ganz komisches Gefühl hier an diesem Ort. Die Erinnerungen sind sofort wieder da, als ob es erst gestern gewesen wäre.“
Udo Cürsgen wird nach seinem Sprung von der Mauer von den DDR-Grenzern abgeführt und in ein Gefängnis am Alexanderplatz gebracht. In seinem Festnahmeprotokoll heißt es: „Gegen 14.25 Uhr bestieg Cürsgen die Grenzmauer Lindenstraße/Zimmerstraße. Er setzte sich auf die Grenzmauer und sprang 14.30 Uhr in den Sicherungsstreifen, wo er vom eingesetzten Grenzposten festgenommen wurde.“
Den Ausgang der Geschichte und Fotos findet man hier:
https://www.bild.de/storytelling/topics ... .bild.html
Udo Cürsgen steht an der Stelle, an der er vor 41 Jahren für Schlagzeilen sorgte. Berlin-Kreuzberg, Zimmerstraße Ecke Lindenstraße. Direkt gegenüber dem Verlagshaus Axel Springer. Hier kletterte er am 22. Juni 1976 über die Mauer - allerdings vom Westen in den Osten. „Ich wollte meine Verlobte aus Ost-Berlin herausholen. Vorher rief ich beim Springer Verlag an, sagte, was ich vorhatte.“
Cürsgen war damals 25 Jahre alt, seine Verlobte Inge Schlie 22. Kennengelernt hatten sich die beiden sieben Jahre zuvor über einen Militärsender im Radio. „Die spielten gute Musik und strahlten Kontaktgesuche aus.“
Udo Cürsgen lebte damals in einem Dorf bei Helmstedt in Niedersachsen, Inge in Köthen (Sachsen-Anhalt). Die beiden schrieben sich Briefe. Dann besuchte er das Mädchen in der DDR zum ersten Mal. Cürsgen: „Als ich sie sah, hat es mich umgehauen. Ich dachte: Diese Frau oder keine.“
Udo und Inge werden ein Paar. Sie verbringen gemeinsamen Urlaub in der DDR und verloben sich. „Der Vater war etwas stur. Mit der Mutter habe ich mich gut verstanden. Aber ich vor ein paar Jahren erfuhr, dass sie für die Stasi arbeitete und nicht wollte, dass ich ihre Tochter in den Westen hole.“
Auch Inge Schlie gerät ins Visier der DDR-Geheimpolizei. Nach einem ersten gescheiterten Fluchtplan wird sie zur Mitarbeit als „IM Hendrix“ erpresst.
Udo und Inge ziehen nach Berlin, um die Besuche zu vereinfachen. Sie studiert in Ost-Berlin, er arbeitet im Westteil der Stadt als Lkw-Fahrer.
Als West-Berliner darf Udo Cürsgen jetzt ohne komplizierte Anträge tagsüber zu Besuch nach Ost-Berlin fahren. Aber zusammenleben können sie nicht. Zweimal in der Woche besucht Udo seine große Liebe im Osten, Treffpunkt ist die Weltzeituhr am Alexanderplatz. „Um Mitternacht musste ich wieder drüben in West-Berlin sein, sonst gab es einen Höllenärger mit den DDR-Grenzern. Das hältst du irgendwann nicht mehr aus. Es musste etwas passieren.“
Schon 1973 hatte seine Freundin einen Antrag zur Ausreise aus der DDR gestellt – ohne Erfolg. Im Juni 1976 fasst Udo Cürsgen seinen verwegenen Plan. Er geht an diesem Tag nicht zur Arbeit, trinkt mittags ein Bier in der Kneipe. „Ich rief beim Springer-Verlag an, gab meine Daten durch und sagte, dass ich in einer Stunde über die Mauer springe.“
Er hofft darauf, dass die Zeitungen groß darüber berichten und die DDR seine Inge endlich gehen lässt. „Die Mauer bestand damals noch aus Quadersteinen. Da gab es kleine Löcher, an denen ich hochsteigen konnte“, erinnert sich Udo Cürsgen.
„Ich kletterte bis auf die Mauerkrone und blieb da oben sitzen. Das war ganz schön hoch.“ Eine Schulklasse steht zu diesem Zeitpunkt auf einer Aussichtsplattform an der Mauer auf West-Berliner Seite. Aufgeregt fotografieren die Kinder das Spektakel. Feuerwehr und West-Berliner Polizei kommen mit Blaulicht angerauscht. „Die wollten, dass ich runterkomme. Bin ich aber nicht.“
Nach einigen Minuten fährt ein Kübelwagen mit zwei DDR-Grenzsoldaten im Todesstreifen vor. „Ich blickte in die Läufe von Kalaschnikows“, so Cürsgen. „Ich hangelte mich ab und sagte den Soldaten, dass ich in friedlicher Absicht komme und unbewaffnet bin.“ Udo Cürsgen, der am 22. Juni 1976 über die Mauer kletterte, steht jetzt auf einen Rollator gestützt an der historischen Stelle.Nach einem schweren Motorradunfall fällt ihm das Laufen schwer. „Es ist ein ganz komisches Gefühl hier an diesem Ort. Die Erinnerungen sind sofort wieder da, als ob es erst gestern gewesen wäre.“
Udo Cürsgen wird nach seinem Sprung von der Mauer von den DDR-Grenzern abgeführt und in ein Gefängnis am Alexanderplatz gebracht. In seinem Festnahmeprotokoll heißt es: „Gegen 14.25 Uhr bestieg Cürsgen die Grenzmauer Lindenstraße/Zimmerstraße. Er setzte sich auf die Grenzmauer und sprang 14.30 Uhr in den Sicherungsstreifen, wo er vom eingesetzten Grenzposten festgenommen wurde.“
Den Ausgang der Geschichte und Fotos findet man hier:
https://www.bild.de/storytelling/topics ... .bild.html