Geboren kurz vor dem Mauerfall

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Geboren kurz vor dem Mauerfall

Beitragvon Interessierter » 19. Juli 2018, 10:18

Was es bedeutete, mit der Mauer aufzuwachsen - und danach

Angie Pohlers, 28 Jahre, geboren in Neubrandenburg

Großmütter erzählen gern Geschichten von früher. Meine tut das auch. Eine Anekdote, die sie immer wieder aus ihrem Gedächtnis kramt, trug sich Mitte der 90er Jahre zu, vielleicht ging ich schon zur Schule. Sie sprach von der DDR, dem Land, in dem ich 1989 geboren wurde und nur wenige Monate lebte. Drumherum, erklärte sie mir, gab es eine Mauer, man konnte nicht heraus. Ich, ganz Ponymädchen, war verblüfft. „Wie Pferde auf einer Koppel!“ Auch später fiel es mir schwer zu begreifen, wie das Leben meiner Familie aussah, bevor ich da war. Bevor der Eiserne Vorhang fiel.

Die Dritte Generation Ost, ein Netzwerk von Menschen, die zwischen 1975 und 1985 in der DDR geboren worden sind, beschäftigt sich seit Jahren mit ihren Wurzeln. Sie haben Bücher veröffentlicht, es gab Ausstellungen, die ihren Sichtweisen zeigen – geprägt von Erfahrungen mit Grenzen, neuer Freiheit und einer Kindheit im Umbruch. Aber die DDR reicht auch noch weit in die Biografien derer hinein, die keine eigenen Erinnerungen an die Zeit im SED-Staat haben. Es gibt, wenn man so will, eine Vierte Generation Ost.

Die Zeit der Wende - und wir Kinder mittendrin

Die DDR war für mich immer eine merkwürdige, absurde Welt, die weit weg zu sein schien. Dabei ist sie noch sichtbar. Einmal ganz direkt, als kleine Impfnarbe auf meinem Arm. Wer so alt ist wie ich und eine hat, kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Osten. Und die DDR spiegelt sich auch in meinem Vornamen. Angie steht als Name ja genauso wie Cindy, Nancy, Jessica, Ronny und Mike für die Sehnsucht unserer Eltern nach Nike-Turnschuhen und MTV-Stars. Es sind Namen, über die man sich heute gern lustig macht, dabei sind sie Ausdruck eines Traums, einer utopischen Vorstellung. Der Traum wurde irgendwann wahr. Wende, Freiheit, Pauschalreisen in den Süden. Manchmal war es auch ein Alptraum. Strukturwandel, Arbeitslosigkeit, zerrissene Biografien. Und die Kinder mittendrin.

Wir Ost-Nachgeborenen haben etliche Geschichten aus der Zeit vor 1989 gehört und erleben bis heute, wie sich Osten und Westen als Kultur- oder Wirtschaftsräume weiter unterscheiden – gerade, weil wir auch viele Freunde haben, deren Familien aus dem Westen kommen. Aus meinem Kassettenrekorder kam vor allem die quäkende Stimme von Pittiplatsch. Mein liebstes Kinderbuch war die deutsche Übersetzung eines russischen Bändchens, in dem auch meine Mutter gern gelesen hatte. Im Kindergarten wurde aufgegessen und danach mindestens eine Stunde geschlafen (oder so getan, damit es keinen Ärger gab) – und zwar auf jenen harten Pritschen, auf denen schon unsere Eltern gelegen hatten. Wenn wir Wendekinder heute davon erzählen, lachen wir. Die anderen gucken etwas schief.

Mehr erfährt man hier:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/9-no ... 198-3.html
Interessierter
 

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