Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Hier bitte ausschließlich Themen die sich mit der Berliner Mauer beschäftigen.

Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon augenzeuge » 12. Juli 2011, 21:11

Es gab nicht wenige Fälle, wo sich Westberliner eine Laube direkt an der Mauer gebaut hatten......niemand nahm daran Anstoß.

Der lakonische Satz eines Kreuzbergers - "Man lebt damit, man wird alt damit" - stand für die Gewöhnung an die Mauer; allerdings nur im Westteil der Stadt, dessen Bewohner zwar die Mauer zum Anfassen hatten, aber, anders als die Ostdeutschen, sich nur scheinbar eingeschlossen sahen.

Im Niemandsland davor fanden die Großstädter stille Winkel: Liebespaare konnten ungestört im Auto verweilen, die Kreuzberger Szene schlürfte in Sackgassen Muckefuck, Laubenpieper zogen Salatgurken, Kleintierhalter fütterten Hühner in Bodenhaltung, Sonnenbadende boten sich zur Erbauung von Grenzern im Lichthemd dar.
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Re: Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon Berliner » 13. Juli 2011, 01:05

Hallo Joerg, vielen Dank. [rose]

Dein Beitrag weist auf ein ganz interessantes und mMn wenig bedachtes Thema hin: "Was war die Mauer fuer die Leute im Westen ?"

Ganz hinreizend finde ich besonders das erste Bild. Die Mauer hat ein Loch ? [shocked]

Wenn Du magst, vielleicht kannst Du auch Deine Erfahrungen mit der Mauer, von der Westseite aus schildern... [ich auch]

Duane [hallo]
Nichts auf dieser Welt kann die Beharrlichkeit ersetzen.
Talent kann es nicht - nichts ist verbreiteter als erfolglose Maenner mit Talent.
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Re: Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon Werner Thal » 30. Oktober 2015, 18:25

"Die Laubenkolonien ´Fichtewiese´und ´Erlengrund´befanden sich nördlich
von Berlin-Spandau knapp 100 Meter außerhalb der Stadtgrenze Berlins.
Die preußische Landvermessung und Neuordnung aus den Jahren 1865 bis 1868
ordnete Grundstücke außerhalb des Wohnorts ihrer Besitzer steuerlich und
rechtlich jener Gemeinde zu, in der der Eigentümer wohnte. So wurde der
Erlengrund Teil der selbständigen Gemeinde Gatow und kam mit der Bildung
von Groß-Berlin im Jahre 1920 zum Verwaltungsbezirk Spandau.
Das Territorium gehörte dadurch ab 1945 zum britischen Sektor. Mit der Übergabe
von Kontrollrechten im sowjetischen Sektor und der SBZ (Sowjetisch Besetzte
Zone) wurde 1952 - wie auch in Staaken - die Trennung durch Übernahme der
DDR-Polizeimacht fixiert. Damals seien sie, die Bewohner, "einmal alle vom
Gelände geschmissen worden". Nach Absprache mit den "Ostbehörden" wurde
dies unter Beschränkungen nach kurzer Zeit aufgehoben. Beispielsweise
wurden im Juni 1958 durch die DDR-Behörden Öffnungszeiten für den
Durchlass eingeführt.
Bereits vor, aber insbesondere nach dem Bau der Berliner Mauer war den
West-Berliner Nutzern der ´Wochenendgemeinschaft Erdenrund e. V.´ und
der benachbarten ´Sport- und Wochenendgemeinschaft 1921 e. V.
Zur Fichtewiese´ der unmittelbare, freie Zugang verwehrt. Nur über einen
eigenen Plattenweg zwischen einer Umfassungsmauer konnten sie, wenn
sie im Besitz eines Passierscheins waren, nach Anmeldung bei den
Grenztruppen der DDR das Gebiet zu festgelegten Zeiten zu Fuß erreichen.
Besucher mussten langfristig angemeldet werden und wurden "vielleicht"
bestätigt. Ansonsten war es gegenüber dem umliegenden DDR-Territorium
durch eine Mauer abgesperrt. Die Mauer besaß an der Stelle des Zugangweges
an Höhe der Spandauer Grenze (hier: Staatsgrenze) ein Fußgängertor mit
Klingel. Durch einen Gebietsaustausch zwischen West-Berlin und der DDR
wurden die Exklaven zum 1. Juli 1988 mit dem West-Berliner Bezirk Spandau
verbunden.
Nach Aussage der Siedler kam es ab 1988 mit dem freien Zugang von Spandau
und den Wegfall des Einschlusses durch die Mauer zu Eigentumsdelikten.
Im Jahre 2009 entstanden mit der Senatsverwaltung Irritationen über die
600 m2 des vormaligen Postengangs, den die Siedler als Zugangsweg
beanspruchten. Auch forderte die Berliner Behörde (speziell das Naturschutz-
amt Spandau) seit 2004 das Recht auf den meist 60 Zentimeter breiten
Uferstreifen (insgesamt etwa 1 000 m2) an der Havel.
Zur Erinnerung an die ungewöhnliche Situation der Berliner Kolonien als
Exklaven auf dem Territorium von Nieder Neuendorf und die damit verbundene
Mauerproblematik wurden in B-Hakenfelde ab 1994 entstandenen Wohnquartier
Aalemannufer zwei Straßen benannt: ´Am Erlenrund´ und ´Zu den Fichtewiesen´.
Im Bereich der ehemaligen Exklaven stehen Erinnerungstafeln des
´Berliner Mauerweges`"

Aus Wikipedia

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Re: Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon Interessierter » 30. Oktober 2015, 18:38

Vielen Dank für Deine zusätzlichen Erläuterungen.
Interessierter
 

Re: Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon Werner Thal » 30. Oktober 2015, 19:02

Gern geschehen. Ich selbst war nicht in diesem Gebiet,
jedoch hatte ich mir vor etwa 15 Jahren den sog Eiskeller
im Nordwesten Berlin angesehen. Er hat ja auch eine
interessante Zeit hinter sich.

Gruß W. T.
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Re: Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon augenzeuge » 27. Mai 2024, 16:25

Die "Normalität" der Laubenkolonie Fichtewiese. Baden war verboten, aber es wurde dennoch gemacht... [shocked]

https://streamable.com/xl5wls

https://www.ardmediathek.de/video/rbb24 ... GljYXRpb24

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Re: Das alltägliche Leben der Westberliner an der Mauer

Beitragvon augenzeuge » 27. Mai 2024, 16:44

"Bis zum Mauerbau haben die Vopos bei unseren Festen mitgetanzt", erinnert sich Hans Flügel, pensionierter Diakon und 65 Jahre alt. Später, als sie nur noch mit Passierschein auf ihr Grundstück kamen und Besuch jeweils ein Jahr im Voraus anmelden mussten, entstanden Kontakte zwischen den Freien, die eingeschlossen waren, und den Bewachern. "Wir brachten ihnen Cola und Zeitschriften mit. Mit einem waren wir fast befreundet", erinnert sich Flügel.

Einmal floh einer der Grenzer durch das Gartentor Richtung Spandau und verschanzte sich dabei hinter Leuten aus der Nachbarkolonie Fichtewiese, die gerade über den Todesstreifen gingen. Dass damals nicht geschossen wurde, darüber sind sie hier heute noch dankbar.


https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q ... i=89978449

Der Kampf um das Gebiet nach dem Bau der Mauer
In den ersten Nachkriegsjahren spürten die "Fichtewieser" Freizeitsportler von den neuen Grenzen wenig. "Als Kinder sind wir in den nahen Wald gegangen und haben Pilze gesucht", sagt Groujean. "Angst vor Sowjet-Streifen hatte niemand." Die trügerische Ruhe endete im Mai 1952. Da fuhr ein russisches Militärauto vor, und ein Offizier herrschte die Siedler an: "Ihr West-Berliner. Ihr RIAS hören. Ihr weg." Später kamen Volkspolizisten und erklärten, daß die Grenze zu West-Berlin geschlossen werde und die Laubenbesitzer das Gelände räumen müßten. Die "Fichtewieser" und ihre Nachbarn von der ebenfalls zum britischen Sektor gehörenden Exklave "Erlengrund" packten ihren Hausrat zusammen und schleppten ihn hinüber nach Spandau. Als die Briten im Gegenzug das Funkhaus an der Masurenallee abriegelten, das den östlichen Machthabern seit Kriegsende als Propagandastützpunkt in Charlottenburg diente, lenkten die Sowjets ein. Die gesperrten Zugänge zu den beiden Exklaven "Fichtewiese" und "Erlengrund" wurden wieder freigegeben.

Aber das Gefühl, der Willkür ausgeliefert zu sein, blieb. "Für den Osten waren wir so eine Art Faustpfand", sagt Groujean. "Weil es unser Eigentum war und der Verein im Spandauer Grundbuch eingetragen war, konnten sie es uns nicht wegnehmen. Aber sie konnten uns drangsalieren." Das taten die DDR-Behörden auch. Im Juni 1958 erließen sie Öffnungszeiten, die den Zugang zeitlich einschränkten. Werktags von 6 bis 8 und von 16 bis 19 Uhr. Am Wochenende und feiertags jeweils eine Stunde länger. Zwar wurden die Zeiten ein paar Wochen später noch einmal nachgebessert, aber danach blieben sie bis zum Gebietsaustausch 1988 bestehen.


Die Flucht eines Grenzer
"Die Posten haben sich praktisch gegenseitig bewacht. Weil sie Angst hatten, daß ein Grenzer abhauen könnte", sagt Groujean. Die Sorge war nicht unbegründet. Denn 1978 war einem DDR-Soldaten auf spektakuläre Weise die Flucht in den Westen geglückt." Eines Abends hat ein Grenzer einen von uns, der auf dem Heimweg war, als Geisel genommen", berichtet der Vorsitzende. "Er hat ihm die Maschinenpistole in den Rücken gehalten und gesagt: Jetzt gehen wir gemeinsam raus. Dann hat er unser Mitglied als lebendes Schutzschild vor sich hergeschoben und ist rübergegangen bis zum Mauerdurchlaß." Auf ihn zu schießen haben sich seine Kameraden nicht getraut. Aus Sorge, der Flüchtende könnte sein Opfer umbringen. Nach diesem Zwischenfall durften die Grenzer das Tor in der Mauer nicht mehr mit der Hand öffnen. Fortan wurde der Durchlaß per Kabelzug aufgemacht. Und die Posten auf dem Wachturm durften während der Durchgangszeiten ihre Stellung nicht verlassen.


https://www.berliner-zeitung.de/archiv/ ... -li.728248

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