Jochen Maurer: Halt - Staatsgrenze! Alltag, Dienst und Innenansichten

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Jochen Maurer: Halt - Staatsgrenze! Alltag, Dienst und Innenansichten

Beitragvon augenzeuge » 4. April 2016, 18:01

Bewachte Bewacher der DDR
Die an der Grenze stationierten Soldaten sollten nach Ansicht der SED durch das Hervorkehren eines „unverrückbaren Klassenstandpunkts“ den Charakter einer Elitetruppe haben. In der Realität war davon so gut wie nichts zu spüren.

Die in vielerlei Hinsicht berechtigte Paranoia der Machthaber beruhte auf dem Verdacht, dass selbst viele ihrer „Grenzschützer“ am liebsten selbst auf die andere Seite wechseln wollten.


In Verbindung mit der daraus erwachsenden Mischung von Misstrauen, Vorsicht und Angst sorgte die gering bemessene Freizeit mit Absicht dafür, dass eine Kameradschaft, die für das Regime möglicherweise unerwünschte Folgen hätte zeitigen können


Bringt diese in weiten Teilen als Milieustudie angelegte Arbeit aber nicht die Gefahr mit sich, durch den Blick auf den Alltag des Grenzregimes und seiner Soldaten zu viel Verständnis für die menschenverachtende SED-Herrschaft aufzubringen? Der Verfasser meistert dieses Problem souverän, indem er zahlreiche Mythen dekuvriert und dekonstruiert. Zunächst kann er zeigen, dass der berühmt-berüchtigte „Schießbefehl“ aus militärischer Sicht „ohne jeden Zweifel einen eindeutigen Befehl darstellte, auch wenn er ausschließlich mündlich gegeben wurde“. Weil viele der jungen Grenzsoldaten wussten, dass sie im Fall des Falles nicht nur auf Flüchtlinge, sondern auch auf fahnenflüchtige Kameraden schießen mussten, führte dies bei vielen zu einer „inneren Ablehnung des Grenzregimes“.

Jochen Maurer: Halt - Staatsgrenze! Alltag, Dienst und Innenansichten der Grenztruppen der DDR. Ch. Links Verlag, Berlin 2015. 492 S., 50,- €.
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