Info: Hansgeorg Bräutigam (*1937 in Berlin), 1979 bis 2002 Vorsitzender Richter am Berliner Landgericht, übernahm 1991 die neue Strafkammer für Kassation und Rehabilitierung, die nach dem Einigungsvertrag alle strafgerichtlichen Entscheidungen von DDR-Gerichten überprüfen und aufheben durfte.
In diesem Buch berichtet Hansgeorg Bräutigam aus seinen persönlichen Erinnerungen, Kenntnissen und Erfahrungen im Umgang mit der DDR-Justiz über den ungeheuerliche Umfang rechtsstaatswidriger politischer Verfolgung. Menschen wurden systematisch zerbrochen, Lebensschicksale zerstört, missliebige Bürger aus politischen Gründen strafgerichtlich verfolgt. Bräutigam hatte mit dem ersten Mauerschützenprozess zu tun; mit dem Staatsdoping minderjähriger Schwimmerinnen; den Finessen der alte SED-Kader, das Vermögen der Partei zu verschleiern. Gegen Erich Honecker, Generalsekretär der SED und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, wurde Anklage erhoben wegen Totschlags. Als am belastendsten schildert Bräutigam den Fall gegen Wolfgang Schnur, Rechtsanwalt und langjähriger Inoffizieller Mitarbeiter des MfS, der viele Jahre Persönlichkeiten aus Kirche und Politik ausgespäht und Mandanten wie Freya Klier und Stephan Krawczyk an die Stasi verriet.
Ein Leser urteilt:
Der Leser erwarte also nicht eine historische Analyse. Er erhält vielmehr - wie immer, wenn sich Juristen erinnern - eine Fallsammlung. Und die hat es in sich. Denn der Autor war als Vorsitzender Richter einer großen Strafkammer am Landgericht Berlin an einer Vielzahl von spektakulären Verfahren beteiligt. So ist er in der Lage, das gesamte Spektrum des DDR-Unrechts abzudecken: Mauerschützen und die für den Schießbefehl politisch Verantwortlichen, Rechtsbeugung, Entlassungen nach Ausreiseanträgen werden dargestellt - aber auch über ein Mordkomplett des MfS gegen den Organisator von DDR-Fluchten oder über den Versuch der SED/PDS, illegal Parteivermögen ins Ausland zu verschieben, wird berichtet. Das liest sich über weite Strecken sehr spannend, weil es dem Autor gelingt, zum Teil hochkomplexe juristische Tatbestände so herunterzubrechen, dass sie auch für den Laien nachvollziehbar sind. Hansgeorg Bräutigam war es nicht vergönnt, die beiden wichtigsten Verfahren - gegen Honecker und gegen Krenz - bis zum Schluss zu führen. In beiden wurde er erfolgreich wegen des Verdachts der Befangenheit abgelehnt. Die Stellen, in denen er hierüber berichtet, berühren sehr, weil hier deutlich und auch nachvollziehbar wird, wie sehr dies diesen engagierten Richter persönlich getroffen und verletzt hat.
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AZ