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"Mauern: Die neue Abschottung und der Niedergang der Souveränität"

BeitragVerfasst: 14. Juli 2018, 13:44
von augenzeuge
Die amerikanische Politologin Wendy Brown untersucht in ihrem aktuellen Buch "Mauern: Die neue Abschottung und der Niedergang der Souveränität" viele dieser Beispiele in einer globalen Gesamtbetrachtung. Dabei geht es ihr vor allem um die Entlarvung des Rufs nach neuen Grenzbefestigungen. Die neue Tendenz zur Grenzbefestigung sei, anders als man meinen könnte, nicht etwa Zeichen des Wiedererstarkens des Nationalstaats, sondern Zeichen seiner zunehmenden Schwächung. Schließlich seien die neuen Grenzbefestigungen nicht zu einer Abschottung von Staat gegen Staat gedacht. Die globalen Kräfte, gegen die sie Abhilfe schaffen sollten, seien vor allem Migranten aus ärmeren, politisch instabilen Ländern - und damit eigentlich kein gleichwertiger Gegner. Gering ist nach Brown der praktische Nutzen dieser neuen Grenzbefestigungen. "Andere Polizierungs- und Überwachungsmaßnahmen sind billiger und effektiver", schreibt sie. "Sowohl Einzelpersonen als auch kleine Gruppen können unterwegs mit Überwachungstechnik und Patrouillen besser aufgespürt und umgeleitet werden als mit Mauern." Die neuen Befestigungen seien lediglich symbolpolitische Gesten. Unter Verwendung der archaischen, ja, alttestamentarischen Formensprache der Mauer gaukeln sie dem Volk vor, etwas zu retten, was nicht mehr zu retten ist: isolierte Nationen im Zeitalter der Globalisierung. Unter Einbeziehung des psychoanalytischen Vokabulars Freuds identifiziert Brown diese realitätsferne Inszenierung als Verdrängung der Wirklichkeit, die früher oder später böse enden muss.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellscha ... 18239.html
AZ