Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Bücher, die nicht in den Bereich politische Systeme oder Grenze gehören.

Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Beitragvon augenzeuge » 25. Februar 2017, 22:47

Ich möchte euch einen Autor empfehlen, kein Buch direkt. Weil viele gut sind! Wenn man seinen Humor versteht. [wink] AZ

Der Autor Stefan Schwarz arbeitete für die Staatssicherheit – aus Überzeugung. Schwarz war 24, als die Mauer fiel. Jung, einerseits. Andererseits war er nicht bloß ein kleiner IM, ein "Informeller Mitarbeiter". Er war bis ins Jahr 1990 hinein Stasi-Auszubildender im Status eines OibE.

Sein Vater war der MfS Boss in Erfurt. Den Vater sieht er in mildem Licht, gewissermaßen als Kind seiner Zeit, das an den Sozialismus glaubte, aber die falschen Mittel wählte. Was der Vater aber auch war: eine Machtfigur, für Repressalien gegen Oppositionelle mitverantwortlich, für Angst im Volk, für das menschenverachtende Gesicht der DDR.

Hat sein Vater ihn überredet, zur Stasi zu gehen? "Nein", sagt er. "Ich selbst hab mich korrumpieren lassen von dieser historischen Wichtigkeit, mit der die Politik in der DDR immer hausieren ging. Dass man hier an vorderster Front Geschichte mache. In meinem Elternhaus haben Top-Spione auf der Couch gesessen, George Blake oder Günter Guillaume. Leute, die wirklich am Rad der Geschichte gedreht haben. Das triggert schon ein bisschen die Berufswahl."

"Bei der Stasi gewesen zu sein, das war nicht nur politisch-moralisch oder historisch ein krasser Fehler. Sondern vor allem persönlich, in Hinsicht darauf, was ich von Talent und Neigung her bin." "Die Trennung in Stasi und Nichtstasi ist der Erzfehler der Wende. Es gab in der Stasi genauso helle, kritische Köpfe wie anderswo. Es ist doch bescheuert, bis heute jedem dieses Etikett anzuheften und zu sagen: So, der war Stasi, also fand der alles dufte, was die DDR so verbockte."

Er arbeitete bei der taz, flog raus, als man eine Stasiliste druckte und seinen Namen fand. Dann beim ZDF, flog raus, als man ihn enttarnte....

2002 habe man ihn aus dem Abspann eines Fernsehfilms gestrichen, den er gemacht hatte; verbunden mit dem Hinweis, er werde "nie wieder" für diese Redaktion arbeiten dürfen. Auch noch 2006, auch noch 2010, so sagt es Schwarz, seien ihm Aufträge weggebrochen, manchmal finanziell lebenswichtige Aufträge. Eine Anstalt habe ihm erst die Mitarbeit beim Radio, dann auch die beim Fernsehen aufgekündigt.

"Ich habe mal vorgeschlagen, dass ich alle fünf Jahre turnusgemäß nackt durch die Straßen getrieben werde, damit ich zwischendurch meine Ruhe habe", sagt Schwarz. "Die Leute, die mich rauswarfen, haben häufig überhaupt kein Wort mit mir gewechselt, und die, die mich anklagten, kannten meine Geschichte gar nicht, sondern nur meinen Namen."

Seine Rettung sei der Humor gewesen. Heute verdient er mit dieser Vergangenheit sein Geld: als Comedy-Autor und als freier Mitarbeiter des MDR. Mittlerweile scheint es in der Gesellschaft die Bereitschaft zu geben, differenzierter hinzuschauen.

http://www.zeit.de/zeit-magazin/2016/15 ... asi-comedy

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Re: Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Beitragvon Merkur » 26. Februar 2017, 10:03

Und AZ, hast Du Dir beim Einstellen dieser Zeilen mal Gedanken darüber gemacht, wie man ohne individuelle Prüfung von Schuld und Verantwortlichkeit mit den Menschen umgegangen ist?
Sein Vater hat schon 1995 ein lesenswertes und durchaus kritisches Buch zu seiner Tätigkeit veröffentlicht. Hast Du bestimmt schon gelesen. [wink]
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Beitragvon augenzeuge » 26. Februar 2017, 10:13

Merkur hat geschrieben:Und AZ, hast Du Dir beim Einstellen dieser Zeilen mal Gedanken darüber gemacht, wie man ohne individuelle Prüfung von Schuld und Verantwortlichkeit mit den Menschen umgegangen ist?
Sein Vater hat schon 1995 ein lesenswertes und durchaus kritisches Buch zu seiner Tätigkeit veröffentlicht. Hast Du bestimmt schon gelesen. [wink]


Ich habe mir wirklich Gedanken gemacht. Und gerade deshalb, weil es hier auch klare Ungerechtigkeiten gab, sollte so ein Beitrag in dieses Forum. Auch hier gilt der Spruch, die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen". Dieses Verhalten zieht sich allerdings durch alle Gesellschaften.

Das Buch von Josef Schwarz habe ich nicht gelesen, allerdings einiges darüber schon.
Wenn Schwarz zum Beispiel behauptet, der in Dienstanweisungen und Richtlinien des Ministers für Staatssicherheit wiederholt auftauchende Begriff der "Zersetzung" habe "keinesfalls physische oder psychische Zerstörung einer Persönlichkeit" bedeutet, "sondern Auflösung oder Desorganisation einer Gruppe, indem man Personen aus diesen Gruppen zu beeinflussen versucht" [13] , so ist eben dies unzutreffend. Man braucht nicht einmal nachzulesen, was Jürgen Fuchs dazu geschrieben und dokumentiert hat. Es genügt, in die MfS-Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge [14] zu schauen, in der als "bewährt" charakterisierte "Formen der Zersetzung" u. a. die "systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes", die "systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge", die "Verwendung anonymer und pseudonymer Briefe, Telegramme, Telefonanrufe" sowie "kompromittierender Fotos" und "die gezielte Verbreitung von Gerüchten" [15] ausdrücklich empfohlen werden. Sie wurden in der "politisch-operativen Arbeit" des MfS in der DDR wie im westlichen Operationsgebiet auch gezielt angewandt.


Das ist auch eine Bestätigung meiner Auffassung:
Heute sind Schuldzuweisungen an der Tagesordnung. Auf den revolutionären Herbst '89 bezogen, räsoniert Schwarz: "Wir wurden von unserer Regierung, die zwar erst wenige Tage im Amt war, aber trotzdem die Verantwortung für die innere Sicherheit hatte, genauso im Stich gelassen, wie von Krenz während der überstürzten Öffnung der ,Mauer'. Man überließ uns ganz allein die Verantwortung." [25] Hieraus will er auch erklären, warum die Staatssicherheit dem Geschehen kampflos zusah: "Wir wollten die Waffen nicht gegen das Volk einsetzen! Das hätte unseren moralischen und politischen Auffassungen und unserer Erziehung widersprochen. Andererseits waren wir auch nicht bereit, eine Führung zu verteidigen, die sich mehr und mehr als unfähig erwiesen hatte, die anstehenden Probleme zu lösen. Sie hatte die Macht bereits verspielt." [26]

Die Frage, warum von der Staatssicherheit keinerlei Impulse zur Reform des Regimes ausgingen, lässt sich aus den Memoiren mit zwei Hinweisen beantworten. Zum einen war die Stasi-Repressionselite von absoluter Ergebenheit gegenüber der SED erfüllt. Auch die drei ehemaligen Generäle waren gläubige Kommunisten, die nichts ohne Weisung der Partei zu tun gewohnt waren. "Das MfS handelt im Auftrag der Politik. Es ist kein Staat im Staate, sondern Machtinstrument der herrschenden Partei, ihr Schild und Schwert, wie Mielke oftmals betont hat. Die jeweils Mächtigen entziehen sich später der Verantwortung, dies laut zu sagen. Honecker, Krenz und später auch Modrow." [27] Zum anderen mangelte es ihnen an Mut und Zivilcourage. Großmann räumt das heute offen ein: "Uns fehlt der Mut. Wir sind verstrickt in Parteiräson, Parteidisziplin und in die Angst vor persönlichen Nachteilen, eingebunden in die starren Strukturen, Teil des Ganzen, letztlich aber isoliert vom Ganzen. Trotzdem glauben wir unverdrossen an den Fortbestand der DDR."
https://www.bpb.de/apuz/26113/memoiren- ... lieu?p=all

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Re: Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Beitragvon Merkur » 26. Februar 2017, 10:28

augenzeuge hat geschrieben:Ich habe mir wirklich Gedanken gemacht. Und gerade deshalb, weil es hier auch klare Ungerechtigkeiten gab, sollte so ein Beitrag in dieses Forum.
AZ


Dann habe ich Dein Statement dazu irgendwie überlesen. [wink]
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Beitragvon Nostalgiker » 26. Februar 2017, 10:44

Auch die drei ehemaligen Generäle waren gläubige Kommunisten,

Es würde eventuell der bpb ein wenig besser zu Gesicht stehen wenn sie statt des Wortes "Glaube" das Wort "Überzeugt" im Zusammenhang mit der Charakterisierung eines bestimmten Kreises von Kommunisten verwenden würde.

Ansonsten würde ich persönlich, wenn ich das Buch, oder die Bücher, um das es hier geht schon nicht gelesen habe mir mehrere Meinungen von unterschiedlichsten Rezensenten/Kritikern einholen um mir eine überblicksartige Meinung zu bilden.
Es sei denn das ich nur die Rezensionen auswähle bei denen ich überwiegend sicher sein kann das meine bereits vorhandene Ansicht zum Thema dadurch vertieft und bestätigt wird.
Gerüchteweise soll es ja Leute geben die lesen keine Bücher aus bestimmten Verlagen weil sie von vornherein zu wissen meinen was in dem Buch stehen könnte wenn es in diesem Verlag erscheint.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Der Stasi-Mann, der uns zum Lachen bringt

Beitragvon Merkur » 26. Februar 2017, 12:08

augenzeuge hat geschrieben:Das Buch von Josef Schwarz habe ich nicht gelesen, allerdings einiges darüber schon.
AZ


Um die Sichtweise von Schwarz zu Antragstellern, Andersdenkenden usw. zu erfahren, musst Du den Gesamtzusammenhang lesen. Ein herausgerissenes Zitat ist da m. E. wenig hilfreich.
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