von Merkur » 20. November 2020, 15:07
So, jetzt mal weiter im Text des Buches. Auf S. 31 f schreibt Booß:
"In den Kreisdienststellen existieren in den 1980er-Jahren IM-Karteien, die Auskunft über den Wohnort, die Arbeitsstätte, Einsatzrichtung und weitere Verwendungsmöglichkeiten der IM gaben. Sie gewähren heute einen guten Überblick über die Schwerpunkte des IM-Einsatzes der Kreisdienststelle, was Rückschlüsse auf die Schwerpunktsetzung der Arbeit erlaubt. Eine Auswertung der IM-Kartei der Kreisdienststelle Gransee förderte einen weiteren erstaunlichen Befund zutage. Entgegen der landläufigen Vorstellungen von der Staatssicherheit als DDR-Institution, die vorrangig Andersdenkende verfolgte, zeigt eine Aufnahme der IM-Einsatzstruktur zum Ende der DDR ein ganz anderes Bild.
Die mit Abstand wichtigsten Einsatzfelder für IM lagen im Bereich der Wirtschaft, der Spionageabwehr im Umfeld von militärischen Einrichtungen, bei der Volkspolizei und dem Staatsapparat insgesamt. Würde man alle gegen Bereiche der Kirche, der Jugend, gegen den politischen Untergrund, im Umweltschutz und bei der Kultur eingesetzten IM zusammenrechnen und unterstellen, dass es hier um staatskritische Überwachungsbereiche ginge, käme man dagegen nur auf 9,4% der IM-Kapazitäten. Das zuweilen als >>Ideologiepolizei<< charakterisierte MfS war also zumindest nicht in Gransee vorrangig mit der Verfolgung von Andersdenkenden befasst, sondern mit Problemen, Schwachstellen, Angriffspunkten und Überwachung der Wirtschaft, der bewaffneten Organe, wie der sowjetischen Streitkräfte, der NVA, der Volkspolizei und des Staatssektors." (...)
Nach meinen Erfahrungen deckt sich die auf Gransee bezogene Darstellung auch mit anderen DDR-Kreisen.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.