Fluchtweg Bulgarien
Der Versuch, die DDR zu verlassen, war strafbar. Etwa 75.000 DDR-Bürger sind deshalb verurteilt worden.
Allein über Bulgarien sollen zwischen 1960 und 1990 zirka 4.500 Fluchtversuche unternommen worden sein.
Was die DDR-Bürger nicht wussten: Bulgarische Grenzsoldaten erhielten für Todesschüsse auf deutsche
Flüchtlinge von der DDR-Regierung Prämien von 1.000 bis 2.000 DDR-Mark - ein Vermögen damals in
Bulgarien. Etwa 100 Todesfälle durch Erschießungen im bulgarischen Grenzgebiet soll es gegeben haben.
Professor Stefan Appelius untersucht derzeit die "Rätsel der verschwundenen Leichen" und sucht Menschen,
deren Angehörige und Freunde nach Osteuropa-Reisen spurlos verschwunden sind.
Helga Priester wusste von alledem nichts, als sie im Frühjahr 1963 auf einer Party in der Mensa der
Rostocker Universität Max Aust begegnete: "Bei einer Flasche Sekt lernten wir uns näher kennen und
tauschten unsere politischen Ansichten aus: Wir waren mit dem System nicht einverstanden und wollten
nicht länger eingemauert leben."
Die einzige Möglichkeit, aus der DDR herauszukommen, sei eine Ausreise nach Bulgarien, eröffnet ihr
Max seinen Plan. Der dichte Wald in Bulgarien könne nicht lückenlos bewacht werden. Er wirkt so
entschlossen, dass Helga Priester ihm und seinem Vorhaben gern Glauben schenkt. Als offizielle
Teilnehmer einer DDR-Auslandsreise nach Süd-Bulgarien beginnen Helga Priester und Max Aust im Sommer
1963 die Flucht. Eine schwierige Wanderung mit angstvollen Begegnungen und anstrengenden Kletter-
partien führt sie immer näher an die bulgarisch-griechische Grenze, die damals viel stärker bewacht
wurde, als ihr Fluchtpartner Max glaubte.
Ihre Zeit in bulgarischen Gefängnissen, die Überstellung in die DDR, den Prozess und die harte Haft in
der Rostocker Stasi-Untersuchungshaftanstalt schildert Helga Priester in ihren Erinnerungen, die sie Mitte
der sechziger Jahre heimlich aufzeichnete.
Helga Priester, Fluchtweg Bulgarien, Zeitgut Verlag, Berlin
ISBN 978-3-86614-127-8, € 6,90
W. T.