Kumpel hat geschrieben:Mich würde mal interessieren ab welchem Zeitpunkt oder welche Punkte ausschlaggebend waren bis man einen Ausreisewilligen hat laufen lassen.
Die Punkte kanntest du nicht. Grundsätzlich war deren Aufgabe, das man das "Ersuchen" zurückzieht. Und dazu hatte man sich viel Zeit genommen, man wollte erkennen, wie du tickst.
Das konnte schon mal 2h dauern. Pro Gespräch.
Man hat dich in eine von 4 Kategorien eingeteilt. A: hat eigentlich keine Ahnung, will das nicht, hat keine Argumente, kann leicht "eingenordet" werden; B: Hat Argumente, ist etwas cleverer, ist Ansporn für Inneres, C: zeigt leichte, tlw. noch unverfestigte Feindbilder, muss politisch bearbeitet werden, die Chancen der Rückdrängung liegen bei 30%, und D: Keine Chance auf Rückdrängung.
Dann war das Ziel die Isolation der Personen. Hierzu wurden u.a. Freunde als Informant zwangsweise verpflichtet. Letzteres habe ich mehrfach erleben müssen.
Diese Einschätzung wandelte sich in den Gesprächen. Zusätzlich gab es im Betrieb Gespräche und Schikane, das Spiel, good and bad cop- wie wir heute wissen. Mit jungen, unerfahrenen Menschen konnten die viel machen.
Stets wurde dir vermittelt, dass du nicht das Recht hast, du es nie schaffst. Viele glaubten dann irgendwann daran. Richtig ernst genommen wurdest du, wenn du aktiv geworden bist. Wobei das auch im Knast enden konnte. Oft war es ein überlegtes Taktieren, so wie bei mir der Weg in die StäV. Dann kam es darauf an, wie du denen das verkaufen konntest. Mein Motto war, ich ärgere die Stasi, in dem Inneres nicht von denen die Infos bekam, sondern von mir. So wie ich es wollte. Die feindliche Verbindungsaufnahme durfte nicht im Raum stehen. So führte mein Weg von der StäV direkt zu Inneres mit meinen Informationen. Es war Freitag Nachmittag, man wollte mich abwimmeln, als ich ein Wort (StäV) sagte, hatte man plötzlich sehr viel Zeit.
Ich ging allen Vorwürfen aus dem Weg. Gewollt naiv vermittelte ich das Bild, dass ich zum Ziel komme, egal was sie mir erzählen, sie nur die Bearbeiter sind und ich mich über die Umzugsmodalitäten erkundigt habe.
Zu deiner Frage. Ausschlaggebend waren 2 Dinge. Einmal, dass man bei dir keine Erfolgsaussichten gesehen hat, und dass die richtigen Leute im Westen Druck machen konnten.
Bis zuletzt gab es kein Gespräch, wo man dir vermittelte, morgen geht es los. Der Hinweis auf Erfolg kam urplötzlich, man wurde von der Arbeit weggerufen, sollte zu Inneres kommen.
Dort wurde eine Überprüfung angekündigt, der Laufzettel ausgehändigt. Damit war klar, was passiert. Aber wann wusste man nicht. Bei mir war es so, dass der Laufzettel innerhalb von wenigen Tagen abgegeben werden musste. Bei der Abgabe konnte man dann die Güst mitteilen, über die man ausreisen wollte. Wer mit dem PKW ausreisen wollte, bekam ein Schreiben, welches er noch in Ostberlin absegnen lassen musste, er also noch mal schnell ins Ministerium zu fahren hatte. Dann passierte 2 Wochen nichts. An einem Tag kam ein Mopedkurier mit Unterlagen. Darin stand, morgen früh konnte man sich im Rathaus die Papiere abholen, und musste bis 24 Uhr raus sein. Das wars.
AZ