"Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Hier können Bücher vorgestellt und besprochen werden, die in den Bereich politische Systeme gehören.

"Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Interessierter » 17. Oktober 2019, 10:12

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Ein West-Journalist wird gefoltert: Das Beispiel Helwig-Wilson

Hans-Joachim Helwig-Wilson, geboren 1931, Journalist und Pressefotograf mit Akkreditierung für Ost-Berlin, SPD-Mitglied, war jenseits der Sektorengrenze genauso zu Hause wie in West-Berlin, wo er lebte. Vor dem Mauerbau bewegte er sich im Osten mit größter Selbstverständlichkeit, besuchte Arbeiterkonferenzen und Feste des sozialistischen Kalenders, baute sich zudem ein Netz von Informanten auf, die ihn oft Inoffizielles über die DDR wissen ließen.

Der Bau der Mauer hatte Helwig-Wilson die Arbeit nicht erschwert: "Ich war ja akkreditiert und konnte jederzeit ohne Probleme über die Sektorengrenze fahren." Auch am 28. August 1961 machte er sich auf den Weg nach Osten. Mit einem Telegramm hatte man Helwig-Wilson nach Ost-Berlin rufen wollen, um ihm ein Angebot zu unterbreiten: "Die sagten, ich solle als West-Berliner Korrespondent für das 'Neue Deutschland' arbeiten." Der Kontakt wurde telefonisch hergestellt, und das "Neue Deutschland" versprach, einen Wagen vorbei zu schicken.

Die dunkle EMW-Limousine, die das "Neue Deutschland" geschickt hatte, fuhr vor. Der Wagen hielt vor einem Tor in der Magdalenenstraße. Hupte dreimal. "Das fand ich etwas seltsam." Das Tor öffnete sich, und der schwere Sechszylinder aus Eisenach schob sich in einen Hof - ein Gefängnishof. Starr vor Überraschung ließ Helwig-Wilson sich aus dem Auto zerren, durch Türen und über Flure führen, bis er in einer Einzelzelle stand. Vor dem Zusperren der Tür fragte er die Männer: "Ist das eine Verhaftung?"

Etwas später wurde der Journalist in einen anderen Raum geführt, in dem er von "etwa zehn Stasileuten" angebrüllt und durchsucht wurde. Er musste sich ausziehen. In Häftlingskleidung kam er wieder in die Zelle. Die Zeit kroch bis zum Abend. Dann begann das erste Verhör. "Da fingen die furchtbar an zu toben."

Bald wurde Helwig-Wilson klar, dass ihm aus vielen seiner Geschichten und Fototermine ein Strick gedreht werden sollte. In 14 Tagen nahezu ununterbrochenen Verhören zählte nicht das Argument, Helwig-Wilson habe nur Pressematerial, keine Geheimnisse im Westen veröffentlicht: "Der Vernehmer hat getobt wie ein Irrer." Schließlich brach der Journalist zusammen. "Ich war völlig am Ende - da unterschrieb ich denn das Geständnis, Agent des Verfassungsschutzes zu sein."


Erst zwei Tage vor seinem Gerichtstermin Ende Februar 1962 erfuhr Helwig-Wilson die Anklagepunkte: "Spionage und schwere Hetze". Die Klageschrift war Bezirksstaatsanwalt Klühsendorf, wie sich anhand von Stasi-Akten nachvollziehen lässt, vom MfS diktiert worden. Gemäß einer handschriftlichen Stasi-Anweisung in der Gerichtsakte, "Strafvorschlag 13/14 Jahre Zuchthaus" wurde Helwig-Wilson zu 13 Jahren verurteilt: Präzise zehn Jahre Zuchthaus für Spionage, drei für Hetze.

Dabei war der Journalist psychisch und physisch schon nach der U-Haft völlig am Ende. Körperlich klagte er über quälende Rückenschmerzen: "Ein Oberleutnant der Volkspolizei war mein behandelnder Arzt. Ohne zuvor eine Diagnose zu erstellen, gab er mir eine Injektion in die Wirbelsäule." Die Injektion warf Helwig-Wilson erst recht aufs Krankenlager: Nach der Spritze konnte er nicht mehr gehen. Obwohl die Behandlung offenbar fehlerhaft gewesen war, sind drei weitere Injektionen notiert worden, jedes Mal gefolgt von Komplikationen.



Helwig-Wilsons Gesundheitszustand wurde so schlecht, dass er dachte, er würde die DDR nie lebend verlassen können. Um sicherzustellen, dass sein Körper als Beweis für die schlechte Behandlung würde dienen können, verfügte er testamentarisch, dass er nicht, wie bei Häftlingen in der DDR üblich, nach seinem Tode verbrannt werden, sondern im Zinksarg nach West-Berlin überführt werden sollte.


Doch es kam anders. Eines Tages wurde er nach Berlin-Friedrichsfelde gefahren, stieg dort in den Wagen eines West-Berliner Rechtsanwalts um, der ihn nach West-Berlin brachte. In West-Berlin kam der Journalist zunächst wieder ins Krankenhaus: "Nach 16 Wochen wurde ich als Pflegefall entlassen".

https://kress.de/news/detail/beitrag/13 ... still.html
Interessierter
 

Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon augenzeuge » 17. Oktober 2019, 13:37

"Der Vernehmer hat getobt wie ein Irrer." Schließlich brach der Journalist zusammen. "Ich war völlig am Ende - da unterschrieb ich denn das Geständnis, Agent des Verfassungsschutzes zu sein."


Typische Wahrheitsfindung des MfS?

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Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Olaf Sch. » 17. Oktober 2019, 17:38

Ja, absolut. Mein Vater hatte die abgespeckte Version durch, als er kurz vor dem Mauerbau Medizin für seine Tochter aus Westberlin holte und bei der Wiedereinreise hops genommen wurde und verhört wurde.
Olaf Sch.
 

Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Interessierter » 25. Januar 2021, 16:06

Dazu eine Rezension aus 2019:

Staatlich organisierter Terror gegen politisch anders Denkende in der DDR

Dieses Buch hat mich sehr bewegt, ich konnte kaum aufhören es zu lesen. Als ehemaliger DDR-Bürger wusste ich sehr wohl, dass es gefährlich war, in der Öffentlichkeit eine andere politische Meinung zu vertreten. Als der Ausreiseantrag für mich und meine Familie lief hatten wir besonders Angst bespitzelt zu werden. Wir hatten Glück und mussten lediglich die regelmäßigen Gängeleien durch die Behörden erdulden. Im Juli 1989 konnten wir dann ausreisen. Beim Lesen dieses Buches ist mir wieder bewußt geworden, wie viel Glück wir hatten. Wir hätten auch grundlos eingesperrt werden können. Diese Gedanken kamen mir auch, als ich die Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen besucht habe.
Wenn man bedenkt, mit welcher Brutalität und Willkür die Personen, über die in diesem Buch berichtet wird, behandelt wurden, dann ist doch wohl ganz klar, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Auch wenn die Vertreter der Linken dies heute immer wieder bestreiten. Es ist gut, dass es solche Bücher gibt, die die Schicksale von politisch anders Denkenden in der DDR schildern, damit dies allen in Erinnerung bleibt. Alle Menschen, die heute mit verklärtem Blick zurückschauen und sagen, dass die DDR doch gar nicht so schlecht war, sollten diese Art Bücher lesen.
Interessierter
 

Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Olaf Sch. » 25. Januar 2021, 17:25

wenn man sich dann von Ramelow & Co. anhören muss, die DDR war kein Unrechtsstaat, da bekommt man das Kotzen.
Olaf Sch.
 

Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon andr.k » 25. Januar 2021, 17:26

Interessierter hat geschrieben:Alle Menschen, die heute mit verklärtem Blick zurückschauen und sagen, dass die DDR doch gar nicht so schlecht war, sollten diese Art Bücher lesen.


Ein Buch für den "Interessierter". Das liegt bestimmt demnächst auf seinen Küchentisch. Freue mich schon ganz gewaltig, wenn er aus dem Buch berichtet.

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Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Volker Zottmann » 25. Januar 2021, 19:04

Wer wissen will, was ein echter Querulant nach Stasimanie ist, der muss nur hier lesen.

Gruß Volker
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Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon andr.k » 25. Januar 2021, 20:19

Volker Zottmann hat geschrieben:Wer wissen will, was ein echter Querulant nach Stasimanie ist, der muss nur hier lesen.

Gruß Volker


Na, Zottmann Volker, kommt der SED- Genosse in Dir wieder durch? Frei nach dem Motto: "Die Partei hat immer Recht"? Das ist ja nix neues hier. Wenn die Argumente fehlen, dann wird fix den Unliebsamen das MfS an die Hacken gedichtet.

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Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Volker Zottmann » 25. Januar 2021, 22:14

Ich schrieb nicht bei der Stasi, ich schrieb ala Stasi.
Und das ist treffend. Du bist immer nur nölend und hetzend unterwegs.
Versuchs mal mit Höflichkeit, eigenen Episoden beisteuern und zivilisierten Umgangsformen und weniger mit versuchter Zersetzung.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon Interessierter » 26. Januar 2021, 08:11

Volker Zottmann » 25. Jan 2021, 22:14
Ich schrieb nicht bei der Stasi, ich schrieb ala Stasi.
Und das ist treffend. Du bist immer nur nölend und hetzend unterwegs.
Versuchs mal mit Höflichkeit, eigenen Episoden beisteuern und zivilisierten Umgangsformen und weniger mit versuchter Zersetzung.

Gruß Volker


Moin Volker, aber angesprochen fühlt sich unser schnüffelnder " Bibliothekar " und Lebenslaufersteller " merkwürdigerweise " trotzdem.
[denken]

Seine Manie scheint ihm aber dann gleichzeitig Probleme mit der Rechtschreibung zu bescheren.

. Das liegt bestimmt demnächst auf seinen Küchentisch.
[flash]
Interessierter
 

Re: "Dich kriegen wir weich": Leben im Unrechtsstaat DDR"

Beitragvon andr.k » 26. Januar 2021, 15:55

Interessierter hat geschrieben:
Volker Zottmann » 25. Jan 2021, 22:14
Ich schrieb nicht bei der Stasi, ich schrieb ala Stasi.
Und das ist treffend. Du bist immer nur nölend und hetzend unterwegs.
Versuchs mal mit Höflichkeit, eigenen Episoden beisteuern und zivilisierten Umgangsformen und weniger mit versuchter Zersetzung.

Gruß Volker


Moin Volker, aber angesprochen fühlt sich unser schnüffelnder " Bibliothekar " und Lebenslaufersteller " merkwürdigerweise " trotzdem.


Seine Manie scheint ihm aber dann gleichzeitig Probleme mit der Rechtschreibung zu bescheren.

. Das liegt bestimmt demnächst auf seinen Küchentisch.
[flash]

Wieder nix zum Thema ... [grins] [flash]
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