Die Macht der Kerzen

Hier können Bücher vorgestellt und besprochen werden, die in den Bereich politische Systeme gehören.

Die Macht der Kerzen

Beitragvon Werner Thal » 16. Oktober 2019, 12:35

Aus dem Ch. Links Verlag - Berlin

Die Macht der Kerzen 3. Auflage

Erinnerungen an die Friedliche Revolution

Mit einem Essay von Timothy Garton Ash

96 Seiten, 17 Abbildungen, Broschur
ISBN 978-3-96289-046-9
15,00 € (D)

Der evangelische Pfarrer Werner Krätschell war Ende der 1980er-Jahre als Superintendent
für 24 evangelische Kirchengemeinden im Norden Ost-Berlins verantwortlich. Im Pfarrhaus
an der Breiten Straße trafen sich Oppositionelle: Künstler und Intellektuelle wie Reiner
Kunze und Adolf Dresen, Kirchenleute wie Ruth und Hans Misselwitz. Das Haus war ein
Treffpunkt der demokratischen Opposition und der Friedlichen Revolution, auch die Stasi
war immer in der Nähe. In der Wendezeit saß Krätschell als einer der Moderatoren am
Berliner Runden Tisch. Anhand seiner Tagebuchaufzeichnungen aus dem letzten Jahr der
DDR erinnert er sich und kommentiert aus heutiger Sicht die ereignisreiche Zeit der
Friedlichen Revolution in Ost-Berlin.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Volker Zottmann » 16. Oktober 2019, 13:37

Die Kerzen hatten eine große Symbolkraft und verschmolzen somit die Massen.
Schade nur, dass es Menschen wie Kristian Karnak nicht spürten, nie selbst so konnten.
Die haben ja auch keinen Kloß im Hals, wenn sie an das friedliche Öffnen der Grenzen denken. Eben keinerlei Gespür, was Menschen wie Dir und mir bislang fehlte.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon karnak » 16. Oktober 2019, 13:50

Es geht doch gar nicht darum zu wissen was Du und andere bei welchen Gelegenheiten spüren [flash] , es geht darum dass sich eine politische Diktatur die Du und Andere auch noch als eine Menschenverachtende definieren nicht durch ein paar Kerzenträger von irgendwelcher Gewaltanwendung abhalten lässt. Der Widerspruch steckt doch schon in diesen beiden Argumentationen und ist deswegen nichts weiter als aufgeblasenes Geschichtsverständnis und Aufwertung der eigenen Rolle auf ein mehr als naives Niveau.Oder die Diktatur war eben doch nicht ganz so Menschenverachtend , eine dieser beiden Varianten kann nur stimmen. [flash]
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Interessierter » 16. Oktober 2019, 14:47

karnak » 16. Okt 2019, 14:50
Es geht doch gar nicht darum zu wissen was Du und andere bei welchen Gelegenheiten spüren [flash] , es geht darum dass sich eine politische Diktatur die Du und Andere auch noch als eine Menschenverachtende definieren nicht durch ein paar Kerzenträger von irgendwelcher Gewaltanwendung abhalten lässt.


Natürlich ist ein Forum auch dazu da, um zu erfahren welche Empfindungen andere Menschen hatten, als diese menschenverachtende Diktatur davongejagt wurde.
Diese Diktatur war menschenverachtend, dass definierten nicht nur Volker und Andere so, das war einfach so und ist längst belegt und hier auch schon ausdiskutiert. Wenn du das immer noch nicht wahrhaben möchtest, dann interessiert das doch nach 30 Jahren keinen Demokraten mehr.

Natürlich entfachen Kerzen eine gewisse Wirkung auf die staatlichen Unterdrücker; aber entscheidend war doch auch, dass die Russen ihre Unterstützung für eine gewaltsame Niederschlagung versagten.

Die Wirkung zwischen Macht und Einfluss scheint dir bis heute nicht klar zu sein.
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon karnak » 16. Oktober 2019, 15:00

Das mit den Russen kommt dann schon eher hin, dazu kam, dass eben bei der Nomenklatura nicht nur menschenverachtende Trunkenbolde und Idioten zum Einsatz kamen die nebenher noch schon über Jahre von einer gewissen Resignation belastet waren und deswegen ihrer realistischen Einschätzung der Lage im Land Rechnung getragen haben. Dieses rührseelige Gewurbel zu den Kerzchen jedenfalls mag im Gottesdienst anlässlich des 3. Oktober ja ganz gut kommen aber es gibt nun mal Unterschiede zwischen dem richtigen Leben und irgendwelchen esoterischen bzw. religiösen Vorstellungen wie die Welt so funktioniert und funktionieren sollte.
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Nov65 » 16. Oktober 2019, 15:40

@Karnak, mich bringt deine Ansicht auf. Kerzen in der Hand symbolisieren Friedfertigkeit. Das ist auf der ganzen Welt eine gewaltfreie Botschaft von Demonstrierenden. Das hat leider die jungen Männer von MfS und NVA-Hochschulen nicht abgehalten, auf die Demonstranten im Herbst `89 einzudreschen( Deren Fotos müsste man eigentlich noch auswerten.). Ohne die friedfertigen Demonstranten und die Fluchten über etliche Botschaften sowie die befristete Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze und natürlich das Stillhalten der Sowjetarmee haben die von dir positiv gesehenen Politniks und Militärs der DDR bewogen, auch ihre Waffen im Depot zu lassen. Nicht etwa deren Friedfertigkeit und Humanität.
Ich glaube, du überbewertest, wie auch Krenz, die Gewaltlosigkeit der militärischen Kräfte der DDR angesichts des drohenden Machtverfalls. Sie hatten nichts mehr dagegenzusetzen. Sie standen allein da: Kein Volk, keine Freunde in Moskau.
Grüße von Andreas
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Nostalgiker » 16. Oktober 2019, 16:03

Auf welche Kerzen haltenden Menschen wurde denn im Herbst 1989 "eingedroschen" Nov65? Erzähl mal genaueres und zeig mal Bilder davon.

Die einzig dokumentierten gewalttätigen Übergriffe sind die im September 1989 in Leipzig und die um den 7.Oktober in Berlin Mitte und Prenzlauer Berg. Und da hatten die Demonstranten gerade keine Kerzen dabei.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon karnak » 16. Oktober 2019, 16:05

Kann ich nicht ändern, dass Dich das aufbringt. [grin] Was meine "Gefühlsregungen " angeht, denen kann ich ohne rot zu werden Ausdruck verleihen weil ich mit meinen fast 63 Jahren Gelebt und Erlebt habe, dass hat bei mir des öfteren Ernüchterung ausgelöst und deswegen braucht man mir nicht mit solch idealistisch verbrähmten Geschichtsschreibungen kommen. Was ich schmunzelnd durchaus ertragen könnte, was aber nervend ist , der eigentlich wahre Hintergrund dieser Geschichtchen, sich selbst in der Historie aufzuwerten, auch wenn man FAST gar nicht daran beteiligt war , und den " Gegner" als den absoluten Vollidioten hinzustellen. [hallo]
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Nov65 » 16. Oktober 2019, 16:35

Nostalgiker hat geschrieben:Auf welche Kerzen haltenden Menschen wurde denn im Herbst 1989 "eingedroschen" Nov65? Erzähl mal genaueres und zeig mal Bilder davon.

Die einzig dokumentierten gewalttätigen Übergriffe sind die im September 1989 in Leipzig und die um den 7.Oktober in Berlin Mitte und Prenzlauer Berg. Und da hatten die Demonstranten gerade keine Kerzen dabei.

Ganz logisch und bezeichnend deine Gegenwehr. Die Demonstranten waren nicht bewaffnet, hatten Plakate und keine Messer, auch bei von dir angemerkten Terminen. Aber eingedroschen haben die Regimetreuen natürlich nicht. Nein, die jungen Burschen in und ohne Uniform haben den Demonstranten Eis und Lutscher überreicht. Leider kann ich dir davon keine Fotos übergeben. Besorg`sie dir doch aus Archiven.
Für wie blöd hältst du eigentlich deine Umgebung?
Andreas
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Kumpel » 16. Oktober 2019, 17:16

karnak hat geschrieben:.................... was aber nervend ist , der eigentlich wahre Hintergrund dieser Geschichtchen, sich selbst in der Historie aufzuwerten, auch wenn man FAST gar nicht daran beteiligt war , und den " Gegner" als den absoluten Vollidioten hinzustellen.


Also mein Beitrag , ganz freimütig war das ich mich bevor der Laden in sich zusammen fiel vom Acker gemacht habe , da gibt es nichts auf oder abzuwerten.
Das damals oder heute jemand meint das da nur Idioten am Werke waren schließe ich mal aus.
Diesen '' Gegner'' hatte man schon ernst genommen , dafür war die Angst viel zu groß.
In jeder mickrigen Kreisstadt gab es eine Dienststelle der Stasi und eine SED Kreisleitung die Tag und Nacht besetzt waren.
Allein schon die Fenster und Türen, zumindest von der Kreisleitung in meinem Kreis unterschieden sich eklatant von denen der umliegenden Gebäude und wenn ich da manchmal dran vorbeigelatscht bin dachte ich mir ,wenn hier mal was ist dann gibt es richtig Ärger und kein Pardon.
Dieses flächendeckende System machte alles andere als den Eindruck als das es sich von ein paar tausend Demonstranten oder Kerzen bezwingen lassen würde.
Kumpel
 

Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Nostalgiker » 16. Oktober 2019, 17:27

Nov65 hat geschrieben:
Nostalgiker hat geschrieben:Auf welche Kerzen haltenden Menschen wurde denn im Herbst 1989 "eingedroschen" Nov65? Erzähl mal genaueres und zeig mal Bilder davon.

Die einzig dokumentierten gewalttätigen Übergriffe sind die im September 1989 in Leipzig und die um den 7.Oktober in Berlin Mitte und Prenzlauer Berg. Und da hatten die Demonstranten gerade keine Kerzen dabei.

Ganz logisch und bezeichnend deine Gegenwehr. Die Demonstranten waren nicht bewaffnet, hatten Plakate und keine Messer, auch bei von dir angemerkten Terminen. Aber eingedroschen haben die Regimetreuen natürlich nicht. Nein, die jungen Burschen in und ohne Uniform haben den Demonstranten Eis und Lutscher überreicht. Leider kann ich dir davon keine Fotos übergeben. Besorg`sie dir doch aus Archiven.
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Alles in Ordnung bei dir? Ich meine Geistig, denn du schreibst extrem wirres Zeug. Deine Aversion gegen mich trübt zusätzlich deine Argumentation.
Ein anderer User würde da von Gossenjargon und Fäkalsprache labern bei dem was du von dir gibst ......

Warst du in Leipzig im September dabei oder am 6.7. und 8. Oktober '89 in Berlin?
In Leipzig war ich nicht aber in Berlin im Bereich um die Gethsemenakirche war ich schon und ich weiß noch was ich gesehen habe.

Also lass deine primitive Anmache, du toleranter "Demokrat"
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon augenzeuge » 16. Oktober 2019, 18:20

karnak hat geschrieben:Oder die Diktatur war eben doch nicht ganz so Menschenverachtend , eine dieser beiden Varianten kann nur stimmen. [flash]


Nein, beides stimmt. Man muss nur die Zeitschiene beachten. Als die Kerzen kamen, lag die Diktatur schon angeschlagen am Boden....einige schlugen noch menschenverachtend um sich. Vorher trauten es sich noch mehr.

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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Nov65 » 16. Oktober 2019, 18:43

Bei den hier vorgebrachten Zweifeln an vorgefallenen Übergriffen der Staatsmacht im Herbst`89 fragt man sich schon, ob diese Leute denn keine Bilder und Videos über diese Vorkommnisse im TV gesehen haben.
Oder ist das wieder nur Sperrfeuer?
Vielleicht gräbt ja ein User mal solche Beweise in den Archiven aus?
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon augenzeuge » 16. Oktober 2019, 18:51

Die Demonstration, in kurzer Zeit auf circa 3.000 Teilnehmer angewachsen, skandiert nun Rufe wie „Gorbi hilf uns!“, „Keine Gewalt!“ und „Wir sind das Volk!“. Sie sind von den Leipziger Montagsdemonstrationen bekannt. Erst nachdem Michail Gorbatschow das Festbankett in der Innenstadt in Richtung Flughafen Schönefeld verlassen hat, geben Stasi und Volkspolizei ihre Zurückhaltung auf. Ordnungsgruppen der Freien Deutschen Jugend werden eingesetzt, um den Demonstrationszug aufzuhalten.

Der Zug wird aus dem Stadtzentrum abgedrängt und bewegt sich in Richtung Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg, wo seit Tagen eine Mahnwache mit vielen jugendlichen Teilnehmern abgehalten wird. An der Hans-Beimler-Straße (heute Otto-Braun-Straße), Ecke Mollstrasse, dem Sitz der DDR-Nachrichtenagentur ADN, skandieren die Teilnehmer: „Lügner! Lügner!“, „Pressefreiheit!“, Meinungsfreiheit!“. Inzwischen sind Mannschaftswagen der Polizei vorgefahren. Es kommt zu ersten Handgreiflichkeiten. Dann gehen Spezialeinheiten der Stasi brutal gegen die friedlichen Demonstranten vor.

„Gorbi hilf uns!“, „Keine Gewalt!“, „Wir sind das Volk!“
Es wird wahllos zugegriffen, Frauen werden herausgezerrt und verprügelt – ein Trick, um die männlichen Demonstranten zu provozieren. Die Volkspolizei folgt dem Vorbild der Stasi-Einsatzkräfte und prügelt Demonstranten in die bereitstehenden LKW, mit denen Verhaftete abtransportiert werden. Dazu setzt die Volkspolizei Wasserwerfer und, erstmals in der DDR-Geschichte, eigens für diese Art Einsatz entwickelte Räumfahrzeuge ein.

Auch um die Gethsemanekirche in Berlin-Prenzlauer Berg gruppieren sich am Abend des 7. Oktober 1989 Sicherheitskräfte. Die Kirche ist schon seit Tagen ein zentraler Treffpunkt der Berliner oppositionellen Szene. Als die Teilnehmer einer Bittandacht für inhaftierte Oppositionelle aus Leipzig das Gotteshaus verlassen wollen, greift die Polizei zu. Sie bildet einen Kessel und verhaftet zahlreiche Leute. Viele Menschen – auch völlig unbeteiligte Anwohner – werden stundenlang auf Ostberliner Polizeirevieren festgehalten, erniedrigt und misshandelt.

Nach ihrer Freilassung schildern viele Verhaftete ihre Erlebnisse in Gedächtnisprotokollen. Diese werden in der Gethsemanekirche gesammelt, wo sich mittlerweile das Zentrum der demokratischen Bewegung in Ost-Berlin befindet. Die Gedächtnisprotokolle vermitteln ein erschütterndes Bild der staatlich angeordneten Gewalt gegen das Volk. (Uta Ihlow, damals 24 Jahre alt, berichtet im Zeitzeugen-Interview über die Ereignisse am 7. Oktober 1989.)


Gedächtnisprotokolle
Auf das Plus unten links am Bild drücken, dann kann man es auch lesen:
https://www.jugendopposition.de/themen/ ... protokolle
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Klaus B. » 16. Oktober 2019, 19:04

Ich mische mich mal wieder ein... Für damals Dabeigewesene in der DDR war das Unerwartete, dass sich so viele Menschen gemeinsam auf die Strasse getraut haben, weil sie ausdrücken wollten, dass es so nicht weitergehen könne. Außerdem waren die damaligen Machthaber insofern überrumpelt, weil nunmehr nicht mehr Randgruppen oder "subversive Elemente" protestierten, sondern die Arbeiter, die Bauern, die Lehrer, die Schüler, kurzum jenes Klientel, das die Mehrheit ausmachte. Die Kerzen in der Hand als Zeichen des Bekenntnisses zur Gewaltfreiheit und die damaligen Zufluchtsorte in den Kirchen taten ihr Übriges... Die Leninsche Revolutionstheorie passte nicht zu dieser Realität.
Natürlich waren diese Ereignisse befeuert von der damaligen wirtschaftlichen Lage und der Perestroika Gorbatschows in der Sowjetunion.
Heute, nach 30 Jahren, würde ich mir keinen respektlosen Scherz über die mutigen Menschen mit den Kerzen in den Händen erlauben, denn sie waren unermesslich mutig in einem Maße, das man heute nicht mehr kennt!
Und dass die damalige Macht keine Waffen angewendet hat, ist keinesfalls ein Beleg für deren Menschenliebe, eher ein Zeichen gewesen für "Frack voll" und "Rette sich, wer kann!" Übrigens haben die am 9. November diensttuenden Grenzer, die die Schlagbäume hochziehen ließen, wohl den Menschen in der DDR näher gestanden, als ihrer eigenen Führung! Und davor habe ich immer noch viel Respekt!

VG Klaus B. [rose]
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Nov65 » 16. Oktober 2019, 19:10

Toll, Klaus.
Grüße von Andreas
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon zonenhasser » 16. Oktober 2019, 21:13

Bild

Ich nehme z. Zt. am Halle-Forum teil. S/A-Innenminister Stahlknecht bezeichnete die DDR eindeutig als Unrechtsstaat. Es sprach auch OBM Wiegand. Für die Terroropfer wurde eine Schweigeminute eingelegt.

https://aufarbeitung.sachsen-anhalt.de/ ... en-ochsen/
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
Bert Brecht
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Volker Zottmann » 16. Oktober 2019, 21:41

Da schließe ich mich Klaus B. an. Schrieb ja schon fast Gleichlautendes.
Für Zweifler, ob Kerzen was bewirken, sei nur mal Quedlinburg erwähnt. Gemessen an der Einwohnerschaft hat Quedlinburg mehr Demonstranten als Berlin oder Leipzig aufgeboten. Das ist zweifelsfei inzwischen belegt und nachlesbar.
Da ich dabei war, weiß ich wo und wie viele Kerzen beim Marsch und kurzem Innehalten vor der SED-Kreisleitung (heute Amtsgericht) genau dort vor und auf dem steinernen Zaunsockel abgestellt wurden. Alle marschierenden Protestler waren still vor der SED-Kreisleitung, keiner gab Anlass zur Konfrontation. Und hinter allen (!) herabgelassenen schäbigen Holzrollos standen innen welche, die durch die Ritzen der kaputten Rollos versuchten einen Blick zu erhaschen. Später erfuhr man, dass stundenlang keiner das "Haus der Einheit" verließ. Die Kerzen haben unweigerlich Eindruck hinterlassen!

Derweil fand schon die dramatische Abschlusskundgebung auf dem völlig verstopften Markt statt. Erstmals haben die 3 Redner ohne ihre Manuskripte geredet, gestammelt. Zuvor war ihnen hundertfach zugerufen worden, dass keiner irgend ein Blatt zum Verlesen irgendwelcher Botschaften benutzen solle. Selbst der LDPD-Oberbürgermeister L. hielt sich dran und stammelte sich einen ab.
Nach diesem Abend war klar, dass auch Dank der Kerzen und der Besonnenheit Aller keiner zu Schaden kam und der Sieg ans einfache Volk ging .

Die verschanzten SED-Kreisleitungsgenossen aber erinnerten mich genau an Vaters Berichte von 1953 in Quedlinburg. Parallelen taten sich auf:
Damals haben sich die Verantwortlichen selbst in den vergitterten Kellern des damaligen Fianzamtes (früher Reichsbank) eingeschlossen und auf die Russen gehofft..... Das kann jeder der will im Internet recherchieren.
Einer dieser Feiglinge hat meinen Vater und einen Dekorateur auf dem Markt aufgefordert sich doch auch in Sicherheit zu bringen. Beide lehnten ab und sagten, dass sie keinen Grund haben, denn sie hätten ja nichts verbrochen. Weder dem Kollegen noch meinem Vater passierte danach später was, da hat sicher mein Opa schützend die Hand ausgebreitet...

Diesmal war der Russe nicht mehr zur Stelle. Und nur weil den Oberen DDR-weit klar war, dass diesmal auch ihr eigenes Blut spritzen würde, blieben die Waffen in Kellern, Waffenkammern und Halftern. Gut so!

Gruß Volker
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Re: Die Macht der Kerzen

Beitragvon Volker Zottmann » 16. Oktober 2019, 21:56

Danke an Zonenhasser mit seinem Beitrag.
Da diese Veranstaltungen wohl jährlich stattfinden, werde ich nächstes Jahr versuchen dort zu sein. Mich interessieren bestimmte tödliche Fluchten, neben der vom Schüler Heiko Runge aus HaNeu, im Bereich der Grenzkompanie Sorge.
Die nächsten zwei Tage muss ich statt dessen meine Frau kutschieren, die genau an beiden Tagen wieder wegen ihrer Augen in Halberstadt und Wernigerode zur Behandlung ist.
Schade, aber die Gesundheit geht vor.

Gruß Volker
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