von pentium » 18. April 2019, 12:55
Weshalb die Dornenkrone von Notre-Dame so wertvoll ist
Reliquien gibt es heute auch bei Ebay. Früher reiste man dafür bis nach Jerusalem - ins Heilige Land, sollte es etwas Besonderes sein. Die Kapsel mit einer Haarlocke, die einem Heiligen gehört haben soll, kostet im Internethandel 99 Euro. Die Dornenkrone, die aus den Flammen von Notre-Dame gerettet wurde, gilt als unbezahlbar. Auch wenn sie im Mittelalter durchaus käuflich war.
Überbleibsel, die mit Jesus - dem Mensch gewordenen Gottessohn - in Verbindung stehen: Sie sind Reliquien der Güteklasse eins. Eine astronomische Summe bezahlte vor rund 800 Jahren der französische König Ludwig IX. dem Kaiser Balduin II. in Konstantinopel, heute Istanbul - und zwar für eine Reihe von Christus-Reliquien. Darunter ein Stück vom Kreuz, an dem Jesus hingerichtet wurde. Und jene Dornenkrone, die schon einmal beinahe auf einem Schuttplatz gelandet wäre. Revolutionäre, die an die französische Nation glaubten, aber nicht an Gott, hielten wenig vom Reliquienkult. Also brachte man die Dornenkrone Ende des 18. Jahrhunderts in Sicherheit. Von Paris nach Rom, in den Vatikan, wo man sie in zwei Teile schnitt. Nur eine Hälfte kehrte später nach Frankreich zurück. Eine 1-A-Reliquie: Darauf wollte auch der Papst nicht ganz verzichten.
Die Dornenkrone, die Jesus bei seiner Hinrichtung trug, ist das Karfreitagssymbol schlechthin - für das Leiden Christi, den Schmerzensmann. Da hing er am Kreuz, die römischen Besatzer gaben ihm den Spottnamen "König der Juden" und setzten ihm zum Hohn einen Stachelholzkranz aufs Haupt. Gewehrt hat Christus sich nicht. Auch wenn er der Gottessohn war, ist er Mensch geblieben. Unglaublich, oder?
Reliquien sind dazu da, das Unglaubliche dingfest zu machen. Im Jahr 325 buddelte Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, das Kreuz Jesu in Jerusalem aus. Tausende heilige Splitter wurden daraus. Im Ring des Papstes, in zig Kirchen sind diese gelandet. Wieder zusammengesetzt, ergäben all diese Späne ein Riesenkreuz. Zuviel Holz, um wahr zu sein. Was soll's? Dinge sind vergänglich. Was zählt, ist der Glaube, der dahinter wächst.
Ulrich Hammerschmidt für die Freie Presse....
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