Der weise Herrscher
Karl IV. - Kaiser des Reiches
und König von Böhmen
Teil 1
Mit Václav (Wenzel) III. starb die männliche Linie der Přemysliden im Jahre 1306 aus. Nach einer Interimszeit wurde schließlich der Luxemburger Johann (1310-1346) zum König von Böhmen gewählt. Nun hatten mit den Habsburgern in Österreich und den Luxemburgern in Böhmen und Schlesien zwei Regentenfamilien die Herrschaft erlangt, die ihre Stammbesitzungen in den Zwischenländern westlich des Rheins hatten. Genau wie in Österreich führte dies auch in Böhmen zu einer Internationalisierung des kulturellen und sozialen Lebens. Johanns Sohn Karl IV. (gest. 1316), der 1346 zum deutschen König, 1347 zum König von Böhmen und 1355 zum römischen Kaiser gewählt wurde, erwuchs sogar zum bedeutendsten europäischen Herrscher seiner Zeit. Unter seiner Regentschaft wurde Böhmen für einige Jahrzehnte zum Kernstück Mitteleuropas; er war der Herrscher zweier Völker, der Tschechen und der Deutschen, und für beide wollte er eine gemeinsame Heimat schaffen. Seiner Herkunft nach teils Franzose, teils Deutscher, mit einem kräftigen Schuß slavischen Blutes durch seine Mutter Eliška (Elizabeth) Přemyslovná, in seiner geistigen Erziehung völlig international geprägt - er wuchs in Frankreich auf und beherrschte fünf Sprachen -, liebte er doch die tschechische Muttersprache ganz besonders.
Karl IV. war eine in die geistige Welt eingeweihte Persönlichkeit.[1] Er selbst deutet auf dieses Geheimnis in seiner Autobiographie (der ersten, die eine Herrscherpersönlichkeit überhaupt verfaßt hat), in der von einem ungewöhnlichen Erlebnis berichtet, das sich in seiner Jugend ereignete: "Hier [in Terenzo bei Parma] ward uns, als uns nachts der Schlaf beschlich, folgende Erscheinung. Ein Engel Gottes trat neben uns zur Linken unseres Lagers, stieß uns an und sprach: 'Stehe auf und komme mit uns!' - Wir antworteten im Geiste: 'Herr, ich weiß nicht wohin, noch auch, wie ich mit Euch gehen soll.' Indem er uns nun vorn an den Haaren faßte, trug er uns mit sich in die Luft empor bis über eine große Schlachtreihe bewaffneter Reiter, welche kampfbereit vor einer Burg standen. Und er hielt uns über der Schlachtreihe in den Lüften und sprach zu uns: 'Blicke hin und schaue!' Und siehe da, ein anderer Engel fuhr mit feurigem Schwert vom Himmel herab, durchstieß einen Mann in der Mitte der Schlachtreihe und verstümmelte sein Glied mit dem Schwerte; anscheinend zum Sterben verwundet, rang dieser auf dem Pferde sitzend mit dem Tode. Da sprach der Engel, der uns an den Haaren hielt: 'Erkennst du jenen, der vom Engel durchbohrt und zu Tode verwundet worden ist?' - 'Herr, ich kenne ihn nicht', sprachen wir, 'und auch den Ort erkenne ich nicht'. Er sprach: 'Wisse, dies ist der Dauphin von Vienne (...)'."[2] Einige Tage nach diesem Erlebnis erfuhr Karl, daß der Dauphin bei der Belagerung der Burg des Grafen von Savoyen von einem Pfeil tödlich getroffen wurde.
Auf seiner Burg Karlstein unweit von Prag, in die er sich gerne zu geistiger Versenkung zurückzog, ließ er die Heiligkreuzkapelle als "bewußte Nachbildung der Gralburg" errichten;[3] die Wände der Wendeltreppe, die in diese Kapelle führte, waren mit Szenen aus dem Leben des hl. Wenzel bemalt, in denen man "die chymische Hochzeit des Christian Rosenkreutz in primitiver Form" erkennen kann.[4] Seine Autobiographie verrät eine intensive meditative Beschäftigung mit religiösen und geistigen Inhalten: "Als wir wieder in Böhmen angelangt waren, geschah es einst, daß wir von Bunzlau nach Tauschim kamen; und als uns eben der Schlaf übermannen wollte, kam uns eine heftige Imagination (fortis imaginacio) über jenes Evangelium: 'Das Himmelreich ist gleich einem verborgenen Schatz im Acker', welches am Tage der Ludmila gelesen wird; und indem die Imagination begann (incipiens imaginari), entwarf ich im Schlafe die Auslegung. Beim Erwachen aber hatte ich die Bearbeitung des ersten Teiles des Evangeliums noch vollkommen inne, und so führte ich sie unter dem Beistand der göttlichen Gnade völlig zu Ende."[5] Karl machte nie ein Hehl aus seinen geistigen Vorbildern. Eine ganz besondere Verehrung zollte er dem hl. Wenzel, dessen Namen er von der Taufe bis zum achten Lebensjahr trug und über den er eigenhändig eine neue Vita verfaßte.[6] Statuen und Bilder des Heiligen schmückten Prag, das unter Karl völlig umgestaltet wurde. Auch die böhmische Königskrone wurde von Karl neu gestiftet, die dadurch als "St.-Wenzels-Krone" ideologische Grundlage des böhmischen Staatsrechts wurde.
Karl wandte sich auch nach Westen, vor allem nach seiner Wahl zum deutschen Kaiser im Jahre 1355, indem er demonstrativ an die Strömung anknüpfte, die sich von der hl. Odilie herleitete. Im Mai 1354 kam er in Begleitung seines Kanzlers Johann von Olmütz zum erstenmal als Pilger auf den Odilienberg im Elsaß. Dort erhielt er den rechten Vorderarm der Heiligen als Reliquie für die neue Prager Kathedrale St. Veit, denn er war ein eifriger Reliquiensammler. "Die Reliquiengabe hatte zur Folge, daß in Prag ein neues Zentrum des Odilienkultes entstand."[7] Karl verband sich noch mit einer dritten Tradition: mit der kyrillo-methodianischen Slavenmission. Sie sollte in engem Zusammenhang mit den Plänen des Kaisers in der Ostpolitik stehen.
quelle:celtoslavica.de/bibliothek/karl
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