ANWALT VOR GERICHT: NSU- UND LOVEPARADE-OPFER NUR ERFUNDEN?
20.07.2020
AACHEN. In zwei der großen Prozesse der letzten Jahre soll ein Anwalt erfundene Opfer vertreten haben. Gegen den Juristen beginnt bald das Verfahren.
Der Rechtsanwalt einer erfundenen Nebenklägerin im Münchner NSU-Prozess steht von August an in Aachen unter anderem wegen Betruges vor Gericht. Der Anwalt soll beim NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München ein angebliches Opfer des Nagelbombenanschlags vom Juni 2004 in der Kölner Keupstraße vertreten haben, das es in Wirklichkeit gar nicht gab.
Dafür soll er von 2013 bis 2015 zu Unrecht Zahlungen von insgesamt mehr als 200.000 Euro erhalten haben, wie das Landgericht Aachen am Montag mitteilte. Der Prozess beginnt den Angaben nach am 7. August.
Angeklagt ist der Anwalt auch wegen mutmaßlicher Straftaten im Zusammenhang mit dem Prozess um die Loveparade-Katastrophe in Duisburg, bei der vor zehn Jahren 21 Menschen starben. Im Prozess vor dem Landgericht Duisburg soll der 52-jährige Rechtsanwalt aus Eschweiler versucht haben, ein vermeintliches Opfer der Techno-Party zu vertreten. Dabei war ihm aber laut Anklage bewusst, dass der Betroffene wahrheitswidrig eine Erkrankung als Folge der Loveparade-Katastrophe nur vorgeschoben habe, teilte das Gericht mit.
Im anderen Teil der Anklage gegen den 52-Jährigen geht es um den NSU-Prozess. Ein echter, mittlerweile verstorbener Nebenkläger soll dem Anwalt gefälschte Unterlagen des nicht existenten Opfers gegen eine Provision angeboten haben, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Obwohl dem Anwalt klar gewesen sei, dass die Unterlagen wie etwa ein ärztliches Attest gefälscht waren, habe er sie beim Oberlandesgericht eingereicht.
Durch bewusste Täuschung habe er vom Bundesamt für Justiz eine pauschale Härteleistung als Opfer eines extremistischen Übergriffs 5000 Euro bezogen, so die Anklage. Dem Anwalt werden unter anderem Betrug, versuchter Betrug, Urkundenfälschung und Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides statt vorgeworden. Der beschuldigte Anwalt war für eine Stellungnahme am Montag zunächst nicht zu erreichen.
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