Schwerin | Die Stasi hatte im Norden der DDR ein besonders dichtes Netz an Spitzeln und Zuträgern aufgebaut. Wie aus den Nachforschungen des Politikwissenschaftlers [b]Helmut Müller-Enbergs hervorgeht, waren kurz vor dem Zusammenbruch der DDR im heutigen Mecklenburg-Vorpommern etwa 20 000 inoffizielle Mitarbeiter (IM) registriert. Damit sei im Durchschnitt ein IM auf 102 Einwohner gekommen. Die Zahl von Oppositionellen oder Dissidenten sei dabei vergleichsweise bedeutungslos gewesen.[/b]
Die nach Brandenburg zweithöchste IM-Dichte liege "vielmehr an dem ländlichen Raum und erheblichen Problemen in Volkswirtschaft und Absicherung militärischer Einrichtungen", erklärte Müller-Enbergs gestern in Schwerin. Zudem waren Schwerin und Rostock "Grenzbezirke", und auch der Ostsee-Küste, über die viele die Flucht in den Westen versuchten, galt die besondere Aufmerksamkeit des Sicherheitsdienstes.
Am Mittwochabend hatte der Wissenschaftler bei der Stasi-Unterlagenbehörde seine Forschungsergebnisse auf einer Veranstaltung in Schwerin vorgestellt. Mit rund 120 Gästen sei der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen, sagte die Landesbeauftragte für die Unterlagen des DDR-Staatssicherheitsdienstes, Marita Pagels- Heineking. Im Bezirk Schwerin soll die Spitzeldichte besonders hoch gewesen sein.
Wie Müller-Enbergs hervorhob, waren Spitzelberichte über beobachtete Personen in der Minderzahl: "Auf sie entfielen lediglich 14 Prozent der von den IM jährlich zusammengetragenen Informationen." Meist seien Informationen zu Stimmungen und Meinungen in der Bevölkerung gesammelt worden, die oftmals banal gewesen, in Einzelfällen aber auch "als Gift genutzt" worden seien. Stilblüten führte Müller-Enbergs auch an: "Der Täter hat auf dem Heimweg einen PKW missbraucht." Oder: "Die gestohlenen Hühner waren Zwerghühner, nur der Hahn war normal." Oder: "Ich halte ihn für einen Alkoholiker, über seine sonstigen politischen Einstellungen ist mir nichts bekannt."
https://www.svz.de/regionales/mecklenbu ... 80981.html
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