Rassismus im Amateurfußball

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Rassismus im Amateurfußball

Beitragvon Interessierter » 17. November 2019, 11:25

Wie ein Verein in Sachsen-Anhalt boykottiert wird

Schwarze Spieler sind bei Blau-Weiß Grana völlig normal. Doch der Amateurklub wird rassistisch angefeindet und boykottiert. Der Fall ist zum Politikum geworden.


Rumms. Momodou Jawara lässt seine Hände hart zusammenklatschen. Die linke Hand, vielmehr sein ganzer Arm, soll dabei sein Bein darstellen, der rechte Arm das Bein seines Gegenspielers. Der bricht sich beim Fußballspiel von Jawaras Blau-Weiß Grana gegen Löbitz mehrfach das Schien- und Wadenbein. Das Spiel wird abgebrochen, später wird der schwerverletzte Spieler mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. „Ich war am Boden, ich wollte ihn nicht treffen“, sagt Jawara und klatscht wieder, diesmal sanfter, in die Hände. Passiert ist das vor elf Wochen. Da begann der Hass.

„Es war ein Pressschlag“, sagt der 30-Jährige. Das Spiel der Kreisliga Staffel 2 im Burgenlandkreis im südlichen Sachsen-Anhalt wird jäh beendet. Im Spielberichtsbogen wird die Schiedsrichterin die Aktion später nicht erwähnen. Nur die Verletzung als Grund für den Spielabbruch. Kein Verstoß gegen die Regeln, eher ein unglücklicher Unfall.


Jawara wird zum Ziel rechter Blogs

Im sozialen Netzwerk Facebook entsteht innerhalb weniger Stunden ein Shitstorm: Die Vereine aus der Kreisliga Staffel 2 und deren Umfeld verbreiten den Artikel. Dieser wird hundertfach kommentiert, oft rassistisch. In einem Kommentar wird Blau-Weiß Grana wegen der vielen afrikanischstämmigen Spieler in „Schwarz-Weiß Ghana“ umbenannt, in den harmloseren werden sie als „Drecksschweine“ beschimpft. Schnell kursieren weitere Artikel rechter Blogs: „Brutalo Armutsasylant bricht 4 Fußballern grundlos Beine“, steht über einem. Jawaras Gesicht wird auf Fotos gezeigt. Der Hauptsponsor Granas möchte, dass die Mannschaft nicht mehr in den Trikots mit seinem Firmenschriftzug aufläuft. Er habe ausrichten lassen, der Klub solle doch lieber wieder mit deutschen Spielern spielen, erzählen sie in Grana.

Vereine boykottieren die Spiele gegen Grana

Eine Woche nach der Partie in Löbitz empfängt Grana den TSV Tröglitz im Burgenlandpokal. Koch telefoniert herum, er will, dass das Spiel ohne Zwischenfälle stattfinden kann. Die Polizei schickt Zivilbeamte. Die Tröglitzer reisen an, beide Mannschaften bereiten sich auf das Spiel vor. Als die Gäste vor Anpfiff das Spielerprotokoll unterzeichnen sollen und die Startaufstellung der Granaer sehen, entscheiden sie nicht anzutreten. „Wegen mir“, sagt Jawara.

Eine Woche nach dem Tröglitzer Boykott weigert sich der nächste Klub, gegen Jawara und seinen Verein anzutreten. Jawara bietet seinen Mitspielern an, auf seinen Einsatz zu verzichten, damit das Spiel stattfinden kann. Doch seine Mitspieler hätten geantwortet: „Nein, dann haben die Nazis was zu sagen.“ Sie grillen stattdessen.

Der Fall Grana wird zum Politikum

Der Fall Grana wird auch außerhalb des Burgenlandes wahrgenommen. Ein Verwandter des Kapitäns richtet eine Crowdfunding-Kampagne ein, nachdem der Sponsor abgesprungen war. Die ehemalige Familien- und Justizministerin Katarina Barley spendet, auch die Partei Die Linke, der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert spricht in einem Video über den Fall, Außenminister Maas schreibt auf Twitter: „Solidarität mit einer Mannschaft, die tolle Arbeit leistet und es gerade echt nicht einfach hat.“ In Grana bekommen sie das mit. Sie sind stolz auf ihr integratives Projekt.

Ende Oktober organisieren sie in Grana ein Jugendturnier gegen Rassismus. Aus Halle und Leipzig reisen Fans anderer Vereine an, um ihre Solidarität mit Jawara und Blau-Weiß Grana zu zeigen. Neben dem Platz hängt ein Banner: „Kein Platz für Rassismus und Gewalt“. Um 15 Uhr dann soll die Ligabegegnung Granas gegen Meineweh/Osterfeld angepfiffen werden. Das erste Spiel Jawaras seit acht Wochen. Doch die Gäste treten nicht an.

Von den folgenden drei Spielen finden zwei statt. Und am Samstag steht nun erneut das Spiel gegen Tröglitz an. „Vielleicht kommen ein paar Leute, die mich nicht kennen“, sagt Jawara. „Denen kann ich dann beweisen, dass der echte Momo nicht so ist, wie er von anderen dargestellt wird.“ Jawara will zeigen, dass sie falsch liegen. Wenn er Deutscher wäre, sagt er, wäre alles anders. Dann würde niemand über das Geschehene schreiben, sie würden vielleicht kurz darüber reden. Und dann wäre alles vorbei.

Der vollständige Beitrag hier:
https://www.tagesspiegel.de/sport/rassi ... 34000.html
Interessierter
 

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