von pentium » 19. November 2020, 09:38
Zerstörungen infolge des Mauerbaus
Die eigentliche Zerstörung des Invalidenfriedhofs begann mit dem Bau der Berliner Mauer durch die DDR 1961. Am Westufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals verlief die Grenze zwischen Ost- und West-Berlin. Ab November 1961 galten daher Einschränkungen für das Betreten des Friedhofs; Besucher mussten bei der Friedhofsverwaltung Berechtigungsmarken beantragen.[57]
Je weiter die Grenzanlagen ausgebaut wurden, desto mehr nahmen die Zerstörungen auf dem Invalidenfriedhof zu. Als vordere Grenzmauer diente hier die aus Ziegelsteinen bestehende alte Friedhofsmauer aus dem Jahr 1902, auf die ein Zaun aufgesetzt wurde. Die Lücke in der Mitte der Mauer wurde beseitigt, die dort stehende „Königslinde“ (benannt nach König Friedrich II., der bei Invalidenhausbesuchen an der betreffenden Stelle gerastet haben soll), wurde gefällt. Im davor gelegenen Bereich bewachten Boote den zu Ost-Berlin gehörenden Schifffahrtskanal. Auf den Grabfeldern E, F und G wurde ein Todesstreifen mit Wachtürmen, Kontrollstreifen, Lichttrasse und einer Laufanlage für Wachhunde sowie einer Betontrasse („Kolonnenweg“) angelegt. Störende Grabsteine auf dem Grenzstreifen wurden abgeräumt und zunächst auf anderen Teilen des Friedhofs abgelegt, später ganz beseitigt. Zu den wenigen sachgemäß versetzten Grabmalen gehörte das von Max Hoffmann (1869–1927), das von Grabfeld E in Grabfeld C verlegt wurde. Der Grenzstreifen wurde vom restlichen Friedhof durch eine erst aus Stacheldrahtzaun, ab 1975 aus Betonplatten bestehende „Hinterlandsicherung“ abgetrennt.
1967 war etwa ein Drittel des Friedhofs eingeebnet, darunter auch Grabmale, die hinter der eigentlichen Sperrzone lagen. Wertvolle Grabgitter wurden abgebaut und anderorts wieder verwendet. Sporadische Einwände der Denkmalschützer konnten sich gegen die Forderungen der Grenzsicherungstruppen nach Übersichtlichkeit des Geländes und nach Schussfreiheit nicht durchsetzen. 1971 entstand im nördlich der Grabfelder A und B gelegenen Grabfeld I auf Beschluss des Ministerrats der DDR eine Garage mit 40 Stellplätzen und eine Waschhalle. Das Grabfeld wurde komplett eingeebnet; es gehört heute nicht mehr zum Friedhofsgelände. In den Jahren 1972–1975 wurden weitere Grabstellen niedergelegt oder anonym verlagert. Zerstört wurde so auch das von den Architekten Wilhelm Böckmann und Hermann Ende errichtete spätklassizistische Mausoleum des Bautechnikers Carl Rabitz in Feld E. Auch das benachbarte Grab von Manfred von Richthofen wurde beseitigt, dessen sterbliche Überreste auf Antrag seiner Familie nach Wiesbaden umgebettet. Die verbliebene Vegetation im Grenzstreifen wurde entfernt.[59]
Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die den Invalidenfriedhof 1978 besuchten, machten folgende Beobachtungen:
„Der Friedhof wirkt vernachlässigt, dürres Gras überwuchert Grabplatten, nur einige Gräber sind noch erhalten, ganz wenige werden gepflegt. Mehr Sorgfalt als den Gräbern hat man den ‚Grenzsicherungsanlagen‘ gewidmet. Quer durch den jetzt noch vorhandenen Teil des Friedhofs zieht sich eine Linie hin, an der Tafeln verkünden: ‚Grenzgebiet / Betreten und Befahren verboten!‘ Hinter dieser Linie – für uns unerreichbar, wenn wir uns nicht Ärger einhandeln wollen – eine Reihe beachtlicher Grabdenkmäler. Dahinter eine Plattenmauer. Vor der Mauer eine sogenannte Hundelaufanlage. [...] Einen Steinwurf von uns entfernt, aber unerreichbar im Sperrgebiet gelegen, Scharnhorsts mächtiges Grabmal, umfriedet mit einem Metallzaun. [...] Von der Grabanlage des Feldmarschalls Hermann von Boyen (1771–1848) ist nur noch eine Rückmauer erhalten. Das große Eisengußdenkmal, das Schinkel dem Vertrauten Friedrich Wilhelms III., dem Generalleutnant Job von Witzleben (1783–1837), schuf, rostet vor sich hin.“
– FAZ: „Das Scharnhorst-Grab im Niemandsland“, 25. November 1978[60]
Nur die Gräber von Repräsentanten der Freiheitskriege wie Scharnhorst, in dessen Nachfolge die Nationale Volksarmee der DDR sich sah, und Friesen verhinderten vermutlich die völlige Zerstörung des Invalidenfriedhofs. So erklärt sich auch der Widerstand der Ost-Berliner Denkmalschützer gegen den seit den 1960er-Jahren mehrfach vorgebrachten Vorschlag, das Scharnhorst-Grabmal vom Invalidenfriedhof auf einen öffentlichen Platz zu verlegen. Nach dem Erlass eines neuen Denkmalpflegegesetzes 1975 und dem Einsturz des Witzleben-Denkmals im Jahr 1984 gab es zwar erneute Bemühungen, verbliebene Grabstätten zu schützen; erstmals wurden so die entstandenen Schäden fotografisch dokumentiert. Dennoch verhinderte der Widerstand der Grenzsicherungstruppen bis 1989, dass umfassende Maßnahmen zum Schutz des Bestandes ergriffen wurden.[61]
Von den 3000 Grabstellen, die 1961 noch existierten, waren 1989 nur etwa 230 übrig geblieben.
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*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther
Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
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