Die Klubs von damals....

Die Klubs von damals....

Beitragvon pentium » 20. April 2016, 13:19

Die Klubs von damals und was aus ihnen geworden ist
Teil 1


WISMUT AUE

Heißt heute FC Erzgebirge und spielt in der dritten Liga. Auch das frühere Otto-Grotewohl-Stadion trägt mittlerweile den Namen Erzgebirgsstadion. Kurios: Im Oktober 1954 wurde die Vereinsspitze nach Karl-Marx-Stadt delegiert und die Mannschaft in Wismut Karl-Marx-Stadt umbenannt, ihre Heimspiele trug sie jedoch weiterhin in Aue aus. Mit Erfolg: 1956, ’57 und ’59 wurde das Team – mit dem Namen einer anderen Stadt – Meister. 1959 stand Wismut sogar im Viertelfi nale des Landesmeister-Wettbewerbs und unterlag erst im Wiederholungsspiel den Young Boys Bern. 1963 nahm der Klub seinen alten Namen wieder an, weitere Erfolge blieben jedoch aus. Bekannte Spieler: Bringfried „Binges“ Müller, Heinz Satrapa, Willy Tröger, Dieter Erler, Karl Wolf, Siegfried Wolf.

3 x Meister (1956, ’57, ’59), 1 x Pokalsieger (1955)

1. FC UNION BERLIN

Heißt heute immer noch so und spielt in der Zweiten Liga. Die „Schlosserjungs“ von der Alten Försterei waren zu DDR-Zeiten der Klub des Volkes, sportliche Erfolge – von einem Pokalsieg 1968 einmal abgesehen – blieben aus. Stasi-Chef Erich Mielke delegierte die besten Spieler zum BFC Dynamo, die Zuschauer (Regimegegner und Andersdenkende) strömten – vom Image des ewigen Verlierers scheinbar magisch angezogen – aber eher zum zumeist zweitklassigen Klub aus dem Köpenicker Stadtteil Oberschöneweide. Als Union Oberschöneweide zog der Klub 1923 sogar ins Finale um die Deutsche Meisterschaft ein, unterlag aber dem Hamburger SV mit 0:3. Legendär ist die Flucht einiger Spieler im Juni 1950 nach West-Berlin und die Gründung des parallel (und heute noch) existierenden Union 06. Ein Schlag, von dem sich der Klub nur schwer erholte. Nach unzähligen Umbenennungen führt der Klub seit 1966 seinen heutigen Namen. Die zahlreichen Rückschläge im Laufe der Vereinshistorie – verschobene Spiele, verhinderte Europapokalteilnahmen, mehrere knapp verpasste oder am Grünen Tisch abgesprochene Aufstiege – brachten dem Klub den Beinamen „die Eisernen“ sowie den Schlachtruf („Eisern Union!“) ein. Bekannte Spieler: Ralf Sträßer, Sergej Barbarez, Marko Rehmer, Robert Huth.

1 x Pokalsieger (1968)

BFC DYNAMO

Heißt nach einer zwischenzeitlichen Umbenennung in FC Berlin wieder wie zu DDR-Zeiten, spielt aber weitaus weniger erfolgreich in der Regionalliga Nordost. Von 1979 bis ’88 fragwürdiger Serienmeister, die Gerüchte über Spielmanipulationen zugunsten des DDR-Rekordmeisters durch Mielkes Einfluss konnten nie vollständig ausgeräumt werden. Besonders umstritten war eine Entscheidung des Schiedsrichters Bernd Stumpf im Jahr 1986, auch als „Schand-Elfmeter von Leipzig“ bekannt. Beim Großteil der Fußballfans in der DDR war der BFC aus der Hauptstadt trotz oder gerade wegen seiner Erfolge unbeliebt. Bis in die Gegenwart scheint der Makel dieser Erfolge fortzubestehen, und sie werden auf der offiziellen Website des BFC Dynamo auch nicht erwähnt.
Im Europapokal, lief es weniger rund. 1980 und ’84 erreichten die Dynamos immerhin das Viertelfinale im Landesmeister-Cup. Unvergessen die 0:5-Klatsche im Bremer Weserstadion 1988 nach einem 3:0-Hinspielsieg im direkt an der Mauer gelegenen Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark (unter den Torschützen: Thomas Doll und Andreas Thom). Nach dem Ende der DDR (und dem Verlust des „Förderers“ Mielke) hatte Dynamo nicht nur sportlich, sondern auch mit seinen rechtsradikalen Problem-Fans zu kämpfen. Bekannte Spieler: Thomas Doll, Rainer Ernst, Falko Götz, Werner Lihsa, Wolf-Rüdiger Netz, Frank Rohde, Bodo Rudwaleit, Frank Terletzki, Andreas Thom, Norbert Trieloff.

10 x Meister (1979, ’80, ’81, ’82, ’83, ’84, ’85, ’86, ’87, ’88), 2 x Pokalsieger (1988, ’89)

CHEMIE BÖHLEN

Das Team aus dem 6000-Einwohner-Örtchen südlich von Leipzig machte lediglich als Fahrstuhlmannschaft auf sich aufmerksam. Zwischen 1977 und ’83 stieg Chemie zwei Mal auf und drei Mal ab. Nur einmal, in der Premierensaison 1977/78, wurde im Stadion an der Jahnbaude der Klassenerhalt bejubelt. Mit der Wende kam auch für Böhlen das Aus. Nur wenige Wochen nach der Umbenennung in FSV Böhlen ging der Verein im FC Sachsen Leipzig (vormals Chemie) auf.

STAHL BRANDENBURG

Heißt nach dem Konkurs seit 1998 wieder „Stahl“, diesmal „FC“ anstatt wie zuvor „BSG“ bzw. „BSV“. Das Team vom Stadion am Quenz spielt allerdings nur noch sechstklassig in der Landesliga. Besonders bitter: Die Stahler sind noch nicht einmal mehr die Nummer 1 in der eigenen Stadt: Während sie in der Verbandsliga-Runde 2005/06 nur Vorletzter wurden und absteigen mussten, hielt der Ortsrivale BSC Süd 05 mit Rang sechs die Klasse. Von 1984 bis zum Ende der DDR spielte Stahl ununterbrochen in der Oberliga und wurde 1986 sogar Fünfter, wodurch sich das Team für den UEFA-Cup qualifi zierte (Zweitrunden-Aus gegen den späteren Sieger IFK Göteborg). Nach der Wende durften die Brandenburger (mit Stürmer Roy Präger) in der zweigeteilten Zweiten Liga (Nord) ran, stiegen aber als Tabellenletzter sang- und klanglos ab. In jener Spielzeit verschliss Stahl vier (!) Trainer. Seitdem geht es ständig bergab, der Sturz in die Landesliga ist der vorläufige Tiefpunkt. Bekannte Spieler: Roy Präger.

ENERGIE COTTBUS

Heißt heute immer noch so (lediglich das „BSG“ für Betriebssportgemeinschaft musste nach der Wende dem westlichen „FC“ weichen) und spielt in der 3. Lige. Zu DDR-Zeiten hatte Energie allerdings wenig zu melden, wurde erst 1973 erstklassig und beendete fünf von insgesamt nur sechs Oberliga-Spielzeiten als Absteiger. Titel geschweige denn internationale Auftritte blieben in der Lausitz aus. Mit der Wende kam die Wende. Unter Trainer „Ede“ Geyer sorgte der Klub für Furore, als er 1997 als Regionalligist ins DFB-Pokal-Finale vorstieß (0:2 gegen den VfB Stuttgart) und souverän in die Zweite Liga aufstieg.
In der Saison 2014/15 spielt Energie Cottbus in der 3. Liga und belegte am Ende der Saison den siebten Tabellenplatz. Nach zwei Siegen zum Auftakt der Saison 2015/16 war Energie Tabellenführer, aus den folgenden sieben Partien wurden aber lediglich zwei Punkte geholt. Es folgte die Trennung von Stefan Krämer als Trainer am 19. September 2015 [2] und die Berufung des ehemaligen Cottbuser Spielers Vasile Miriuta zum neuen Übungsleiter.[3] Vasile Miriuta ist nach dem Absturz auf einen Abstiegsplatz von seinen Aufgaben entbunden worden. Claus-Dieter Wollitz übernimmt die schwierige Aufgabe für die letzten fünf Spiele der Saison 2015/2016.

DYNAMO DRESDEN

Damals SG, heute 1. FC – aber immer noch Dynamo. Mit 15 Titeln (acht Mal Meister, sieben Mal Pokalsieger) ist Dynamo zudem der erfolgreichste DDR-Klub. Unvergessen ist das deutsch-deutsche Duell im Landesmeister Pokal 1973, als Dynamo in der zweiten Runde dem späteren Sieger FC Bayern zwei heiße Gefechte lieferte und nach dem 3:4 im Olympiastadion zu Hause „nur“ ein 3:3 erreichte. Auch gegen den HSV, den VfB Stuttgart (zwei Mal) und Bayer Uerdingen (legendär das 3:7 in der Grotenburg 1986) zog Dynamo den Kürzeren.
Imposant war vor allem die Heimstärke bei internationalen Auftritten: Nur drei Mal in 49 Begegnungen verließen die Dresdner als Verlierer den Rasen. Nach der Wiedervereinigung – Dynamo qualifizierte sich als Vizemeister gemeinsam mit Hansa Rostock als einziges DDR-Team für die Bundesliga – versuchten sich ehemalige Stars im Rudolf-Harbig-Stadion als Trainer, zwielichtige Figuren pfuschten als Präsidenten herum und führten den Verein an den Rand des Ruins. Dem sportlichen Bundesliga-Abstieg 1994 folgte der Lizenzentzug und der direkte Durchmarsch in die Regionalliga. Zwischendurch war Dynamo sogar nur noch viertklassig, ehe 2004 die vielumjubelte Rückkehr in die Zweite Liga gelang. Nach zwei Jahren war dieses Gastspiel allerdings schon wieder beendet. Ein kleiner Trost für die Dynamo-Fans: Für den Sommer 2007 ist die Rückbenennung in SG Dynamo bereits beschlossene Sache – verbunden mit der Hoffnung auf bessere Zeiten. Lokalrivale Dresdner SC, während des Zweiten Weltkriegs zwei Mal Deutscher Meister und Pokalsieger, wurde übrigens nach 1945 aufgelöst und war zu DDR-Zeiten nicht existent. Bekannte Spieler: „Dixie“ Dörner, Matthias Döschner, Eduard Geyer, Torsten Gütschow, Reinhard Häfner, Ulf Kirsten, Hans-Jürgen Kreische, Frank Lieberam, Ralf Minge, Hans-Uwe Pilz, Klaus Sammer, Matthias Sammer, Andreas Trautmann.
Am 34. Spieltag der Saison 2015/2016 in der 3.Liga erreichte der Verein 4 Spieltage vor Saisonende den Wiederaufstieg in die zweite Bundesliga durch ein 2:2 beim 1. FC Magdeburg.

8 x Meister (1953, ’71 , ’73 , ’76 , ’77 ,’78 , ’89 , ’90), 7 x Pokalsieger (1952, ’71 ,’77 , ’82 , ’84 , ’85 , ’90)

STAHL EISENHÜTTENSTADT

Heißt heute kurz und knapp EFC Stahl – und gurkt in der Brandenburg - Liga herum. Bei der Vereinsgründung (1950) hieß die Stadt noch Fürstenberg, drei Jahre später wurde sie als Wohnstadt des benachbarten Eisenhüttenkombinats Ost in Stalinstadt umbenannt. Doch sowohl als Stahl Fürstenberg als auch als Stahl Stalinstadt blieb der Klub erfolglos und durfte erst als Stahl Eisenhüttenstadt, so heißt die Grenzstadt zu Polen seit 1960, den Aufstieg in die Oberliga bejubeln (1969). Allerdings ging es sofort – und für die nächsten 20 Jahre – wieder runter. Nach der Rückkehr ins Oberhaus 1989 wurde den „Hüttenwerkern“ die Eingliederung der DDR-Teams in den DFB zum Verhängnis. Der neunte Platz in der letzten Oberliga-Saison berechtigte zwar zur Zweitliga-Qualifikation. Hier scheiterte Stahl aber an Lok Leipzig und verschwand von der Bildfläche – zumindest fast, denn als Finalist des letzten FDGB-Pokals qualifizierte sich der Klub für den Cup der Pokalsieger 1991/92, scheiterte aber in der ersten Runde – als gesamtdeutscher Oberligist – klar an Galatasaray Istanbul (1:2, 0:3). Seitdem ging es stetig bergab. Der Insolvenz 2004 folgte der Zwangsabstieg in die Verbandsliga. Bekannte Spieler: Bodo Rudwaleit.

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Re: Die Klubs von damals....

Beitragvon pentium » 20. April 2016, 13:55

Die Klubs von damals und was aus ihnen geworden ist
Teil 2

ROT-WEISS ERFURT

Die Wurzeln dieses reinen Fußballvereins, der seit Januar 1966 ohne Unterbrechung seinen Namen trägt, reichen bis zum 1895 gegründeten Cricket Club Erfurt zurück, der 1909 (als SC Erfurt) das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft erreichte, allerdings mit einem peinlichen 1:9 an Phönix Karlsruhe scheiterte. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterlagen die zunächst in Fortuna umbenannten Erfurter 1949 im Finale um die Ostzonen-Meisterschaft Union Halle mit 1:4 und hatten zwei Jahre später ziemliches Pech: Aus Fortuna war mittlerweile die BSG Kommunales Wirtschaftsunternehmen (KWU) und im März 1951 die BSG Turbine geworden, und als solche hätte Erfurt die DDR-Meisterschaft gewonnen, wenn das Torverhältnis damals schon eine Rolle gespielt hätte. Tat es aber nicht, und so musste bei Punktgleichheit mit Chemie Leipzig ein Entscheidungsspiel her, das Turbine vor 60.000 Zuschauern in Karl-Marx-Stadt 0:2 verlor.
1954 und ’55 holte Turbine dann endlich zwei Mal den Titel. Anschließend gab es im Klub, der sich 1966 in FC Rot-Weiß umbenannte, nur noch wenig zu jubeln. Nach dem Abstieg 1958 mutierten die Erfurter im Georgi-Dimitrov-Stadion zur Grauen Maus, die aber immerhin seit 1972 ununterbrochen erstklassig war. Ausgerechnet die letzte Oberliga-Saison war mit Platz drei die erfolgreichste, am Ende fehlte sogar nur ein Punkt auf Platz zwei und der Qualifikation für die Bundesliga! So ging es allerdings in der Zweiten Liga Süd weiter. Hier wurde Erfurt abgeschlagener Letzter (13 Punkte auf das rettende Ufer), obwohl es im UEFA-Pokal in zwei Duellen gegen niederländische Erstligisten für Furore sorgte: Nach zwei 1:0-Siegen über den FC Groningen war in der zweiten Runde gegen den späteren Cup-Gewinner Ajax Amsterdam Schluss. Wieder führte Rot-Weiß in seiner mittlerweile in Steigerwaldstadion umbenannten Heimspielstätte mit 1:0, doch Wim Jonk und Dennis Bergkamp drehten den Spieß um, in Amsterdam gab es schließlich nichts zu erben (0:3). 2004 kehrte Erfurt ein vorerst letztes Mal in die Zweite Liga zurück, wurde aber nach gutem Start wieder nur Letzter. Derzeit spielt Erfurt in der 3.Liga. Immerhin. Bekannte Spieler: Rüdiger Schnuphase, Thomas Linke.

2 x Meister (1954, ’55)

VORWÄRTS FRANKFURT

Heißt heute 1.FC Frankfurt, spielt in der Oberliga Nordost, Staffel Nord – und hat eine ziemlich bewegte Historie hinter sich. Denn als der Klub Anfang der 50er Jahre als sportliches Aushängeschild der DDR-Streitkräfte gegründet wurde, war er noch in Leipzig beheimatet. Als SV Vorwärts KVP („Kasernierte Volkspolizei“) wurde der Verein schließlich 1953 – nach dem Abstieg in die Zweite Liga – in die Hauptstadt delegiert. Der Grund: Ost-Berlin spielte im Oberliga-Fußball keine Rolle, weil alle guten Spieler in den Westteil der Stadt abwanderten. Diesem Umstand sollte durch „fluchtresistente“ Spieler, da Armeeangehörige, Einhalt geboten werden. Als Vorwärts Berlin gelang nicht nur der sofortige Wiederaufstieg, sondern auch noch der Gewinn des FDGB-Pokals 1954. Es war der Beginn einer langen Dominanz, die nach sechs Meister- und drei Vize-Titeln 1970 mit dem zweiten Pokalsieg endete. Am 31. Juli 1971 wurde Vorwärts unter mysteriösen Umständen an die polnische Grenze nach Frankfurt/Oder delegiert. Bis heute hält sich das Gerücht, dass Stasi-Chef Erich Mielke – als Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo Günstling des BFC – den Stadtkonkurrenten ein für allemal loswerden wollte. Mit Erfolg: Bis auf einige UEFA-Cup-Teilnahmen gab es im Frankfurter Stadion der Freundschaft nicht allzu viel zu feiern.
Mit dem Ende der DDR war auch das Ende des bisherigen FC Vorwärts gekommen, da die NVA zum 3. Oktober 1990 aufgelöst wurde und es im Umfeld der Bundeswehr eine der Armeesportvereinigung Vorwärts vergleichbare Organisationsstruktur nicht gab, der man sich hätte anschließen können.
Im letzten Jahr der Oberliga 1990/91, welche während der Saison – bedingt durch die Vereinigung – zur NOFV-Oberliga wurde, spielte die zuvor soeben wieder aufgestiegene Mannschaft dann schließlich ab Februar 1991 als FC Victoria 91 Frankfurt. Mit der offiziellen Neugründung des Vereins unter diesem neuen Namen konnte der Spielbetrieb bis zum Saisonende fortgeführt werden.
Das primäre Saisonziel, die Qualifikation zur 1. oder 2. Bundesliga, verfehlte der bisherige Armeesportklub allerdings deutlich – nicht zuletzt als Folge der Auflösung der NVA und dem daraus resultierenden personellen und strukturellen Substanzverlust für den Verein. Der FC Victoria schloss die Saison als Tabellenletzter (14. Platz) ab und erreichte damit nicht einmal die Qualifikationsrunde zur 2. Bundesliga, wofür der 12. Platz notwendig gewesen wäre. Der Verein verschwand so schließlich aus dem Blickfeld des Profifußballs.
Am 1. Juli 2012 schloss sich der MSV Eintracht Frankfurt dem Frankfurter FC Viktoria an und der Verein benannte sich in 1. FC Frankfurt (Oder) E.V. um. Das „E.V.“ im Namen steht dabei für die beiden Ursprungsvereine „Eintracht“ und „Viktoria“. Ziel des Zusammenschlusses sollte die mittelfristige Etablierung des Frankfurter Fußballs in höheren Spielklassen sein. Am Ende der Saison 2014/15 konnte der erste Erfolg gefeiert werden. Die Mannschaft bezwang am letzten Spieltag der Brandenburg-Liga Miersdorf/Zeuthen mit 5:1 und stieg so als Tabellenerster und Brandenburg-Meister in die Oberliga Nordost auf.
Bekannte Spieler: Horst Assmy, Otto Fräßdorf, Gerhard Körner, Rainer Nachtigall, Jürgen „Kuppe“ Nöldner, Jürgen Piepenburg, Karl-Heinz Spickenagel, Günther Wirth.

6 x Meister (1958, ’60, ’62, ’65, ’66, ’69), 2 x Pokalsieger (1954, ’70)

CHEMIE HALLE

Heute heißt der Verein Hallescher FC und spielt in der 3. Liga. Die Wende kam für Chemie zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, immerhin standen Anfang der 90er elf ehemalige Spieler des HFC in der Bundesliga unter Vertrag, darunter ein Dariusz Wosz oder ein René Tretschok. Seinen zu DDR-Zeiten gängigen Namen, HFC Chemie Halle, erhielt der Klub erst 1966. Anfang der 70er qualifi zierte sich Chemie mit einem dritten Platz sogar für den UEFA-Pokal, doch die Teilnahme am internationalen Wettbewerb endete in einer Tragödie: Nach einem 0:0 zu Hause gegen die PSV Eindhoven wurde das Team aus Halle in den Niederlanden in einen Hotelgroßbrand verwickelt. Während es einigen Spielern, wie Klaus Urbanczyk oder Erhard Mosert, unter wagemutigem Einsatz gelang, einigen Gästen das Leben zu retten, kam Nachwuchsspieler Wolfgang Hoffmann in den Flammen um. Chemie zog sich aus dem UEFA-Pokal zurück. Die letzte Saison in der DDR-Oberliga beendete Halle auf einem beachtlichen vierten Rang. Die Zukunft schien rosig, doch nach dem Exodus der Spieler und dem sofortigen Abstieg aus der gesamtdeutschen Zweiten Liga musste der HFC sogar kurzzeitig seine Vormachtstellung in der eigenen Stadt abgeben, als der VfL Halle 96 vorbeizog. Nun ist die Hackordnung wieder hergestellt ...
Bekannte Spieler: Bernd Bransch, Klaus Urbanczyk, Werner Peter, René Tretschok, Dariusz Wosz.

2 x Meister (1949, ’52), 2 x Pokalsieger (1956, ’62)

CARL ZEISS JENA

In der Saison 1980/81 spielte der FC Carl Zeiss die europäischen Top-Klubs reihenweise an die Wand. Unvergessen ist dabei der 1. Oktober 1980, als die AS Rom – nach 0:3-Hinspielniederlage – im Ernst-Abbe-Sportfeld mit einem grandiosen 4:0 auseinander genommen wurde. Über die weiteren Stationen Valencia, Newport (Wales) und Lissabon (Benfica) erreichte die von Hans Meyer (ja, genau der Hans Meyer) trainierte Elf das Finale im Cup der Pokalsieger. In Düsseldorf unterlag die Truppe um Kapitän Kurbjuweit im Ostblock-Duell allerdings Dinamo Tiflis nach 1:0-Führung mit 1:2 und verpasste den großen Coup. Den landete der Klub in den 50er Jahren, als er sich die Dienste eines Studenten der Jenaer Uni sicherte: Georg Buschner reifte zum Nationalspieler und feierte anschließend beachtliche Erfolge als Trainer. Mit Carl Zeiss wurde er drei Mal Meister (beim ersten Mal noch als „Motor Jena“, wie der Klub bis 1966 hieß), die DDR-Auswahl führte er 1974 mit bekanntem Ausgang zur WM nach Deutschland. Buschner hatte 1970 den Job des Auswahltrainers übernommen, zunächst in Doppelfunktion als CZ-Coach, ab 1971 war er ausschließlich für die Belange der Nationalmannschaft verantwortlich.
Unter seinem Nachfolger Hans Meyer wuchsen Größen wie etwa Keeper Hans-Ulrich Grapenthin oder Lothar Kurbjuweit heran, der Klub etablierte sich als Konstante, was folgende Statistik eindeutig belegt: In der „Ewigen Tabelle“ der DDR-Oberliga liegt Carl Zeiss vor dem BFC Dynamo und Dynamo Dresden auf Rang 1. Der Einzug ins Europapokal-Finale 1981 war der letzte große Erfolg der Thüringer, die vor allem nach der Wende für einige Zeit in der Versenkung verschwanden. Heute spielt Carl Zeiss in der Regionalliga Nord/Ost.
Mit dem namenstiftenden Optik-Unternehmen hat der Verein heute übrigens nichts mehr zu tun. Er hat ihn lediglich aus Identifikationsgründen behalten. Bekannte Spieler: Peter Ducke, Roland Ducke, Hans-Ulrich Grapenthin, Lothar Kurbjuweit, Lutz Lindemann, Bernd Schneider, Rüdiger Schnuphase, Eberhard Vogel.

3 x Meister (1963, ’68, ’70), 4 x Pokalsieger

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Re: Die Klubs von damals....

Beitragvon pentium » 20. April 2016, 14:32

Die Klubs von damals und was aus ihnen geworden ist
Teil 2


FC KARL-MARX-STADT

Heißt heute Chemnitzer FC und ist nach mehreren Jahren in der Zweiten Liga mittlerweile nur noch dritttklassig. Immerhin lassen sich die „Himmelblauen“ an der Gellertstraße ein neues Stadion bauen. Zu DDR-Zeiten trug der Verein den Namen FC Karl-Marx-Stadt, weil die Stadt von 1953 bis 1990 so hieß. Gegründet wurde der Klub 1946 noch als SG Chemnitz-Nord, die wiederum Nachfolgeverein des Polizei-Sportvereins Chemnitz war. Der PSV erreichte 1935 das Halbfi nale um die Deutsche Meisterschaft, scheiterte aber in Düsseldorf am späteren Champion Schalke 04 mit 2:3. Den größten Erfolg landete der FCK 1967, als er mit sieben Zählern Vorsprung auf Lok Leipzig zum ersten – und letzten – Mal DDR-Meister wurde. 1986 stieß als Zehnjähriger ein gewisser Michael Ballack zum FC Karl-Marx-Stadt, der die „Umwandlung“ zum Chemnitzer FC miterlebte und den Klub erst 1995 verließ. Den letzten großen internationalen Auftritt hatten die „Himmelblauen“ 1990, als sie in die dritte Runde des UEFA-Cups vordrangen und im Hinspiel bei Juventus Turin lange 1:0 führten. Doch Salvatore Schillaci (82‘) und Pierluigi Casiraghi (88‘) retteten „Juve“ den 2:1-Sieg. In Chemnitz siegten die Turiner 1:0, wenige Wochen später holten sie schließlich den Cup. Bekannte Spieler: Dieter Erler, Rico Steinmann, Eberhard Vogel.

1 x Meister (1967)

LOKOMOTIVE LEIPZIG

Gemeinsam mit Dynamo Dresden war „Lok“ der populärste Klub der DDR – auch wenn es ihm nie gelang, die Meisterschaft zu holen. Der Nachfolgeverein des ersten deutschen Meisters VfB Leipzig erlebte seine große Zeit erst in den 70ern und 80ern, wurde drei Mal Vizemeister und erlebte zahlreiche Europapokal-Abende. 1974 scheiterte die „Loksche“ erst im UEFA-Cup- Halbfinale an Tottenham Hotspur, 1989 standen die Blau-Gelben sogar im Finale des Cups der Pokalsieger, unterlagen aber Ajax Amsterdam durch ein Marco-van-Basten-Tor mit 0:1. Nach der Wende etablierte sich der VfB Leipzig, wie der Klub nach der Wiedervereinigung zunächst wieder hieß, an der Spitze der Zweiten Liga und stieg 1993 – nach langem Zweikampf mit dem SV Waldhof im Kampf um Platz 3 – sogar auf, nach nur einem Jahr allerdings wieder ab. Der Weg ging ständig bergab und endete 2004 im Bankrott. Der von Fans neu gegründete 1.FC Lokomotive startete in der untersten Klasse einen Neuanfang und hat sich mittlerweile durch zwei Meisterschaften und eine Fusion (mit dem SSV Torgau) bis in die Oberliga Nordost hochgekämpft. Bekannte Spieler: Manfred Geisler, René Müller, Uwe Zötzsche, Matthias Liebers, Matthias Lindner.

5 x Pokalsieger (1957, ’76, ’81, ’86, ’87)

CHEMIE LEIPZIG

Heißt heute FC Sachsen Leipzig, entstand 1990 aus der Fusion der Vereine BSG Chemie Leipzig und BSG Chemie Böhlen. War zu DDRZeiten nur die Nummer 2 in der sächsischen Metropole. Chemie galt – ähnlich wie Union Berlin – als volksnaher „Klub der kleinen Leute“ und hatte darunter zu leiden, dass talentierte Spieler immer wieder zum privilegierten Lokalrivalen Lok abkommandiert wurden. Immerhin reichte es für das Team aus dem Stadtteil Leutzsch zu zwei Meistertiteln und einem Pokalsieg. Nach der Wende kratzten die Leutzscher mehrfach am Tor zur Zweiten Liga, den großen Sprung schafften sie allerdings nie.
Derzeit spielt man in der Sachsenliga. Bekannte Spieler: Bernd Bauchspieß, Henning Frenzel, Manfred Walter.

2 x Meister (1951, ’64), 1 x Pokalsieger (1966)

1. FC MAGDEBURG

Heute unvorstellbar, im Mai 1974 noch Realität: Die „Regionalauswahl“ des 1.FC Magdeburg besiegt den AC Mailand 2:0. Und das nicht etwa in irgendeinem Freundschaftskick, sondern im Europapokalfi nale. Der Triumph von Rotterdam markiert zugleich den einzigen internationalen Erfolg eines DDR-Klubs. Der 1.FCM erfreute sich mit Spielern wie Jürgen Sparwasser, Jürgen Pommerenke und „Paule“ Seguin seiner Goldenen Generation, die in den 70er Jahren zudem drei Meisterschaften und drei Pokalsiege bejubelte. In den 80er Jahren blieb den Blau-Weißen mit Ausnahme des FDGB-Pokalsiegs 1983 nur die Statistenrolle, nach der Wende führten grobe Managementfehler zum Absturz des Klubs, der die Qualifikation für die zweite Bundesliga verpasste. Größtes Highlight der jüngeren Vereinsgeschichte war der DFB-Pokalsieg gegen den FC Bayern München 2001. Ein Jahr später ebbte die Euphorie durch die Insolvenz und den Zwangsabstieg aus der Regionalliga schnell ab. Immerhin
spielen die Magdeburger nicht schlecht in der 3.Liga.
Bekannte Spieler: Martin Hoffmann, Jürgen Pommerenke, Detlef Raugust, Wolfgang Seguin, Jürgen Sparwasser, Joachim Streich, Wolfgang Zapf.

3 x Meister (1972, ’74, ’75), 7 x Pokalsieger (1964, ’65, ’69, ’73, ’78, ’79, ’83), 1 x Europapokalsieger (1974)

STAHL RIESA

Der Fußball-Klub aus Mannheims Partnerstadt spielte zwischen 1968 und ’88 als BSG Stahl Riesa 16 Spielzeiten in der DDR-Oberliga, allerdings meist gegen den Abstieg. 1975 erreichten die Stahler mit Rang sechs die beste Platzierung und verpassten den UEFA-Pokal-Einzug nur knapp. Nach der Wende ereilte den Verein dasselbe Schicksal vieler anderer DDR - Klubs. Sportlicher Absturz, Namensänderungen, schlechtes Management, Insolvenz. Heute spielt der TSV Stahl Riesa in der Sachsenliga. Bekannte Spieler: Willi Arlt, Ulf Kirsten, Hans-Ulrich Thomale.

HANSA ROSTOCK

Hansa ist seit der Wende mit elf Bundesliga-Spielzeiten der mit Abstand erfolgreichste Ost-Verein. Die Geschichte des Klubs beginnt im Erzgebirge. Die 1945 gegründete BSG Empor Lauter wurde 1954 als Tabellenführer der Oberliga nach Rostock delegiert, um der Ostseestadt einen attraktiven Fußballverein zu schenken. Bis 1965 spielte der Klub als Empor Rostock, später als Hansa – doch Erfolge gab es erst im letzten Jahr der DDR-Oberliga zu feiern: 1991 gelang Hansa sogar das Double. Die Qualifikation für die Bundesliga war somit geglückt. Hier sorgte Hansa für Furore, als es nach Siegen über Nürnberg (4:0), in München (2:1) und gegen Dortmund (5:1) die Tabellenspitze zierte. Am Ende stieg Hansa dennoch ab, ließ es sich aber nicht nehmen, Eintracht Frankfurt mit einem 2:1 am letzten Spieltag noch die Meisterfeier zu verderben. Von 1995 bis 2005 mischten die Rostocker ununterbrochen in der Eliteklasse mit. Heute spielt Hansa in der 3.Liga.
Bekannte Spieler: Thomas Doll, Daniel Hoffmann, Juri Schlünz, Klaus-Dieter Seehaus, Joachim Streich, Florian Weichert.

1 x Meister (1991), 1 x Pokalsieger (1991)


SACHSENRING ZWICKAU

Heißt heute FSV Zwickau und spielt in der Regionalliga Nordost. Nachdem 1948 die SG Planitz die Ostzonenmeisterschaft gewonnen hatte, wurde das Team aus dem südlichen Vorort nach Zwickau delegiert und der ZSG Horch (benannt nach den Auto-Werken) angegliedert. 1950 folgte der zweite – und letzte – Meistertitel. Danach wurde Horch, das später Motor und ab 1968 Sachsenring hieß, ähnlich wie andere kleine Klubs vom Staat entscheidend benachteiligt. Das hinderte Sachsenring nicht daran, 1976 sensationell das Halbfinale im Cup der Pokalsieger zu erreichen. Nach der Wende blieb Zwickau zunächst außen vor, stieg aber 1994 in die Zweite Liga auf, wo es 1996 sogar am Bundesliga-Aufstieg schnupperte. Nach dem Abstieg 1998 ging es – mit den üblichen Begleiterscheinungen Zahlungsunfähigkeit und Insolvenzverfahren – bergab.

2 x Meister (1948, ’50), 3 x Pokalsieger (1963, ’67, ’75)

Quellen: SportWoche Nr. 38/06 & 39/06
die wiki und das Amateurfussball-Forum

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Re: Die Klubs von damals....

Beitragvon Zicke » 20. April 2016, 15:06

Bekannte Spieler: Bernd Bauchspieß, Henning Frenzel, Manfred Walter.

Frenzel hat nie für die BSG Chemie gespielt
Er begann 1952 bei der heimatlichen Betriebssportgemeinschaft Motor Geithain Fußball zu spielen. 1959 wechselte er zum DDR-Oberligisten SC Lokomotive Leipzig. Dort spielte er zunächst in der Juniorenmannschaft und gewann 1960 mit ihr den DDR-Juniorenpokal. Am 10. Juli 1960 bestritt Frenzel in Halberstadt sein einziges Junioren-Länderspiel. In der Begegnung DDR - Bulgarien (0:0) wurde er als Mittelstürmer eingesetzt. 1961 kam er in drei Nachwuchsländerspielen zum Einsatz.

da wäre jetzt in der BSG Klause die Post abgegangen [grins]
Menschen, die keinen Arsch in der Hose haben, müssen nicht zwangsläufig schlank sein.

Meine Rechtschreibfehler könnt Ihr Samstags ab 17 Uhr bei Rewe gegen eine lecker Senfgurke tauschen.
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Re: Die Klubs von damals....

Beitragvon pentium » 20. April 2016, 15:14

Zicke hat geschrieben:Bekannte Spieler: Bernd Bauchspieß, Henning Frenzel, Manfred Walter.

Frenzel hat nie für die BSG Chemie gespielt
Er begann 1952 bei der heimatlichen Betriebssportgemeinschaft Motor Geithain Fußball zu spielen. 1959 wechselte er zum DDR-Oberligisten SC Lokomotive Leipzig. Dort spielte er zunächst in der Juniorenmannschaft und gewann 1960 mit ihr den DDR-Juniorenpokal. Am 10. Juli 1960 bestritt Frenzel in Halberstadt sein einziges Junioren-Länderspiel. In der Begegnung DDR - Bulgarien (0:0) wurde er als Mittelstürmer eingesetzt. 1961 kam er in drei Nachwuchsländerspielen zum Einsatz.

da wäre jetzt in der BSG Klause die Post abgegangen [grins]


Stimmt! Danke für den Hinweis @Zicke.

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Re: Die Klubs von damals....

Beitragvon Interessierter » 29. Januar 2020, 09:55

Union-Berlin-Fans im Visier der Stasi

Über „negativ-dekadente“ Fußballfans und den Umgang mit ihnen in der Hauptstadt der DDR

Im Oktober 1977 sahen sich die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes dazu veranlasst, die Parteiführung der SED in mehreren Berichten über die Umtriebe der Fans des 1. FC. Union Berlin zu informieren. Den Anlass dazu hatten vermehrte Ausschreitungen bei Auswärtsfahrten des Vereins und Krawalle am Alexanderplatz gegeben, die ebenfalls mit Anhängern von Union in Verbindung gebracht wurden.

So wurden beispielsweise in Fernzügen und S-Bahnen der Deutschen Reichsbahn: „Scheiben, Lampen und Toilettenanlagen zerschlagen, Sitzbänke durch Abreißen von Teilen und Zerschlitzen des Bezugsmaterials zerstört, Haltestangen aus ihrer Befestigung gerissen und Feuerlöscher entleert. Abgerissene Gegenstände wurden in der Regel während der Fahrt aus den Zügen geworfen. In zwei Fällen wurde in D-Zügen während der Fahrt missbräuchlich die Notbremse gezogen.“

Das sind Delikte, die einem aus der Nachberichterstattung zur Fußball-Bundesliga der Gegenwart nur zu bekannt vorkommen. Für die SED waren randalierende Fußballfans aber ein besonders großes Problem, da es solches Verhalten in der sozialistischen DDR eigentlich überhaupt nicht mehr geben durfte. Die Mitarbeiter der Stasi störten sich auch an den Parolen der jungen Männer, die die besondere Lage Ost-Berlins thematisierten, wie beispielsweise: „30 Meter im Quadrat, hohe Mauer, Stacheldraht, zwischen hohen Häusern Minen, das ist unser Ost-Berlin“. Die Anhänger des Vereins aus Köpenick skandierten außerdem immer wieder Parolen in denen Parteiführung und Volkspolizei direkt angegriffen wurden. In den Berichten der Stasi sind auch immer wieder angestimmte neonazistische Fangesänge vermerkt. Dazu hatten Union-Fans den Schiedsrichter beim Auswärtsspiel in Halle am 15.10.1977 mehrfach antisemitisch beleidigt. Diese Fans der „Eisernen“ aus Köpenick griffen damit das Bild der DDR als antifaschistischen und sozialistischen Staat an.

Die Stasi erklärte das Verhalten der Fans vor allem mit „negativ-dekadenten“ Einflüssen aus dem Westen wie der Beatmusik oder ganz konkret mit den freundschaftlichen Kontakten zwischen Union-Anhängern und dem West-Berliner Verein Hertha BSC. Die meisten dieser Jugendlichen „Rowdys“ verbrächten ihre Freizeit sehr eintönig und trieben wenig Sport. Außerdem seien bei den betroffenen Personen häufig Probleme bei der elterlichen und schulischen Erziehung aufgetreten. So wurden bei ihnen angeblich schon früh „Tendenzen zur Aufsässigkeit und Herumtreiberei“ festgestellt. Die Behörde versuchte die Jugendlichen also als gesellschaftliche Außenseiter darzustellen. Als Orte, an denen die Täter besonders häufig wohnhaft seien, machten die Beamten Treptow, Köpenick und Lichtenberg aus.

Als Problemlösung schwebte den Stasi-Mitarbeitern die Aussprache drakonischer Strafen sowie eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Vereinsführung von Union Berlin und mit den jeweiligen Vorgesetzten der als „Rowdys“ identifizierten Jugendlichen vor. Die Kontrolle über diese Personen sollte also noch mal erhöht werden. Verurteilte Randalierer wurden manchmal namentlich in den Zeitungen der DDR genannt und so an den öffentlichen Pranger gestellt.

Die Berichterstattung der Zeitungen zu Randalen von Fußballfans in der DDR ist auch unter einem weiteren Aspekt interessant: der Systemkonkurrenz mit der BRD. Über die Krawalle am Alexanderplatz vom 7.10.1977 berichteten mehrere westdeutsche Medien. Im „Neuen Deutschland“, das über das Ereignis selbst nur eine kleine Notiz am 10.10. veröffentlicht hatte, erschien am 14. Oktober ein empörter Bericht über die westliche Berichterstattung: Die Zeitungen der DDR würden sich bei vergleichbaren Ereignissen im Westen immer in Zurückhaltung üben. Der Artikel stellte die Ausschreitungen vor dem Fernsehturm gänzlich anders als der Berichterstatter der Stasi dar, nämlich als Dummheit von Jugendlichen, die „einen Schluck zu viel getrunken hatten“ und noch „von der Beatmusik erregt waren“.

https://ost.berlin/blog/union-berlin-fa ... -der-stasi
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