von Tuskulum » 4. Oktober 2010, 23:01
Durch Zufall bin ich auf diese Seite gestoßen und es hat mich wie ein Blitz getroffen. Ich war mit Klaus Decker (und vielen anderen neuen Soldaten) am 4.5. morgends zum Arbeitseinsatz im Grenzstreifen als Wachposten. Mir ist ein Soldat aufgefallen, der sich ständig umgesehen hat. Erst später wußte ich, daß es der Klaus Decker war, der in der gleichen Nacht bei seinem ersten Einsatz den Eberhard Knospe umgebracht hat. Den Eberhard kannte ich ein halbes Jahr. Er war ein sehr ruhiger Mensch, völlig unpolitisch und es tut mir noch heute unendlich leid, dass er sterben musste. Dabei war das so vermeidbar. Hätte der Decker nur ein wenig länger gewartet und gelernt, wie das am Draht funktioniert, hätte er mit Sicherheit eine Möglichkeit gefunden den Zaun zu überwinden, ohne jemanden umzubringen.
Die Tatschilderung vom Landgericht Braunschweig halte ich für wenig glaubwürdig. Erstens: Hätte Knospe Decker festnehmen wollen, hätte er als erstes sein Waffe entsichert und verlangt, dass Decker seine Waffe auf den Boden wirft. Decker hätte keine Zeit zum Reagieren gehabt. Zweitens: Ein LMG für einen Nahkampf schnell in Anschlag bringen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Haben die Richter mal ein LMG in der Hand gehabt? Das ist viel zu lang und zu schwer. Das wußte sicher auch Knospe. Drittens: Decker gibt an, dass Knospe zu groß und kräftig für einen Kampf ohne Waffe war. Ich weis nicht mehr wie groß Decker war, aber Eberhard Knospe war nicht groß und kräftig. Er war eher schmächtig, in meinen Augen damals eher ein Hänfling (sorry Eberhard), sportlich unterdurchschnittlich. Viertens: Knospe war ein halbes Jahr am Draht. Er konnte wissen, dass er eine Flucht seines Posten nicht verhindern konnte, ohne sein Leben zu riskieren. Alle wußten das. Wir haben sogar damals darüber gesprochen und es gab eine stillschweigende Vereinbarung, dass wenn einer weg wollte, keiner dem anderen etwas zu leide tut. Es war das klassische Gefangenendilemma. Nein, ich denke es weist vieles darauf hin, dass Decker auf Nummer sicher gegangen ist und abgedrückt hat. Hätte er doch bloß gewartet.
Ich war selbst vor einigen Jahren an der Stelle bei der Wirbke. Die Kuhle der Nachtstellung war noch ersichtlich. Ich fand es schade, dass es keine Gedenktafel gegeben hat. Die Idee mit der Begehung finde ich gut. Ich denke nicht, dass man das alles vergessen soll. Bei der nächsten Begehung wäre ich gern dabei.
Tuskulum