Interessant und zum Thema sind auch die früheren Tatorte. Im Buch von Hammerich "Stets am Feind" schreibt der Autor über den MAD in der Belletristik und im Unterhaltungsfernsehen. Eine besonders positiv bewertete Form der aktiven Öffentlichkeitsarbeit war die Einflussnahme des Dienstes auf vier »Tatort«-Folgen, die zwischen 1977 und 1985 den MAD zum Thema hatten. Sie konnten das Image des MAD allein aufgrund der erreichten Zuschauer – den ersten »Tatort« mit MAD-Bezug sahen rund 16 Millionen Menschen – nachhaltig verbessern.
Die größte Niederlage des MAD: Oberst Joachim Krase alias »Günter Fiedler«
Der 175. Tatort »Baranskis Geschäft« mit Horst Bollmann als pensioniertem MAD-Oberstleutnant bereits einen der wohl spektakulärsten Spionagefälle in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Rund fünf Jahre vor der Aufdeckung des IM »Günter Fiedler« dürften die meisten der über 16 Millionen Zuschauer der Anfang Dezember 1985 ausgestrahlten Folge gezweifelt haben, ob so ein Szenario in der Realität überhaupt möglich war. Die Realität sollte das spannende Drehbuch bei Weitem übertreffen.
Der langjährige stellvertretende Amtschef, Oberst Joachim Krase, hatte seit 1969 für Ostberlin gearbeitet. Nach 1989 brach sein ehemaliger Führungsoffizier das Schweigen und offenbarte damit die wohl empfindlichste Niederlage des MAD. Ein daraufhin erstelltes Gutachten des Verteidigungsministeriums bescheinigte Krases erfolgreiche Arbeit. Demnach war der MAD vom Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre nicht in der Lage, seinen Abwehrauftrag zu erfüllen.
Diese Einschätzung muss jedoch deutlich revidiert werden, da Krase nur wenige Jahre Teil- oder Vollzugang zu nachrichtendienstlichen Vorgängen hatte. Eine vergleichbare Niederlage musste bis dahin nur das BfV hinnehmen, nachdem sich Klaus Kuron im Oktober 1990 selbst gestellt und verhaftet worden war. Der für die Gegenspionage DDR zuständige Mitarbeiter der Spionageabwehrabteilung im BfV hatte durch seine achtjährige Verratstätigkeit die Abwehrarbeit seiner Behörde erheblich beeinträchtigen können.
Im Gegensatz zu Kuron wurde der Fall Krase allerdings nicht mehr vor Gericht verhandelt, da Krase bereits 1988 verstorben war. Im Zuge des Verfahrens gegen Generalleutnant a.D. Günther Kratsch wegen Landesverrat und geheimdienstlicher Agententätigkeit im Jahre 1993 wurde der Fall Krase aber zumindest aufgearbeitet, wenn auch bis heute wichtige Fragen offen geblieben sind. Aus den Gerichtsunterlagen geht hervor, dass Krase in der Neujahrsnacht 1969 auf der Halbinsel Priwall bei Travemünde einen Grenzposten der DDR angesprochen und um ein Gespräch mit einem Abwehroffizier gebeten haben soll.
Peter Siebenmorgen geht hingegen davon aus, dass Krase kein Selbstanbieter war, sondern von der operativen Grenzaufklärung kontaktiert und angeworben wurde. Allerdings wird dies quellenmäßig nicht belegt und ist aufgrund der Quellenlage mehr als unwahrscheinlich. Krase war damals 43 Jahre alt, verheiratet, Vater eines neunjährigen Sohnes und Major im MAD. Genauer gesagt, war er stellvertretender Dezernatsleiter in der MAD-Gruppe I in Kiel, zuständig für die Spionageabwehr. Auf diesem Feld sollte er sich in seinen fast dreißig Dienstjahren in der Bundeswehr zu einem wirklichen Experten entwickeln.
Selbstanbieter wie Krase unterzog das MfS einer besonderen Überprüfung. Vorrangig galt es zu klären, ob diese Selbstanbietung keine Provokation oder gezielte Maßnahme der gegnerischen Spionage war. Zu groß war die Angst, der nachrichtendienstliche Gegner aus dem Westen könnte auf diese Weise Agenten in die Reihen der Staatssicherheit einschleusen. Dabei waren Selbstanbieter keine Ausnahmen, wie eine Statistik aus dem Jahre 1971 zeigt.
Demnach hatten sich von den damals 139 West-IM, die für die Hauptabteilung II (HA II) arbeiteten, über 14 Prozent selbst angeboten. Ein Blick auf die Spitzenquellen des MfS zeigt, dass auch dort ein hoher Anteil der Inoffiziellen Mitarbeiter Selbstanbieter waren.
Für Krase kam ein weiterer Kontakt wenig später mit einem Oberst der Hauptabteilung I, die für die Militärische Abwehr innerhalb der NVA und den Grenztruppen der DDR zuständig war, im Bereich der damaligen Zonengrenze bei Schönberg zustande. Die Brisanz dieses Vorganges, also die mögliche Selbstanbietung eines Stabsoffiziers des MAD, wurde so hoch eingestuft, dass sogar der zuständige Minister offensichtlich unverzüglich eingeschaltet wurde. Minister für Staatssicherheit Erich Mielke entschied, den Fall der Hauptabteilung II zu übertragen. Deren Abteilung 2 war für die »operative Bearbeitung« der westdeutschen Nachrichtendienste und für die Durchführung »offensiver Maßnahmen im Operationsgebiet« zuständig.
Mehr dazu im Buch:
Helmut R. Hammerich, »Stets am Feind!«, Der Militärische Abschirmdienst (MAD) 1956–1990.