Untergang der Musson
Der Untergang der Musson war ein Unfall, der sich im Rahmen einer Flugabwehrübung der Sowjetischen Marine am 16. April 1987 ereignete und bei dem 39 Seeleute ums Leben kamen.
Die sowjetische Marine konzentrierte sich Mitte der 1980er Jahre auf die Verteidigung von küstennahen Seeräumen und bereitete sich für den Kriegsfall auf Störaktionen vor, die in Gebieten bis zu 2000 Kilometer von der sowjetischen Küste entfernt Bewegungen von NATO-Kräften behindern sollten.[1]
Die Übungstätigkeit der sowjetischen Marine und der Marineluftwaffe hatte ab 1986 deutlich nachgelassen. Westliche Analysten führten das auf Sparmaßnahmen zurück.[2]
Für den Anfang des Jahres 1987 plante die Sowjetische Marine dennoch ein Frühjahrsmanöver ihrer Pazifikflotte, es nahmen jedoch nur Raketenschiffe der 165. Raketenbootbrigade teil.
Ablaufplan der Übung
Ein P-15M-Marschflugkörper, wie er auch von RK-42 verschossen wurden.
Konteradmiral Leonid Golowko war für die Übung verantwortlich. Der ausgearbeitete Plan sah vor, dass die Flottille in zwei Verbände geteilt werden sollte und bis zu drei Übungsmarschflugkörper von einem dieser Verbände auf den anderen abgeschossen werden sollten. Die Schiffe des so angegriffenen Verbandes sollten eine möglichst effektive Flugabwehrformation einnehmen und dann mit ihren Flugabwehrraketen die ankommenden Marschflugkörper abschießen. Die Flugabwehrformation sollte eine Diamant-Formation sein, in der die Bris die Führung übernehmen sollte, Wichr und MPK-117 sollten ihr achtern, versetzt nach backbord und steuerbord, folgen und Musson den Schluss der Formation bilden.
Die Schiffe der Flottille, die man für die Übung vorgesehen hatte, waren:
Verband 1 (Abwehr):
U-Jagd-Korvette MPK-117 (russ.: МПК-117), Projekt 1124
Korvette Wichr (russ.: Вихрь; „Wirbelsturm“), Projekt 1234
Korvette Bris (russ: Бриз; „Seewind“, „Brise“), Projekt 1234
Korvette Musson (russ.: Муссон; „Monsun“), Projekt 1234
Verband 2 (Angriff):
Flugkörperkorvette RK-42 (russ.: РК-42), Projekt 1241.1
Flugkörperschnellboot RK-87 (russ.: РК-87), Projekt 205 U
Die vier Schiffe in Verband 1 waren in der Lage moderne Luftabwehrraketen einzusetzen. Jedes Schiff verfügte über eine Startvorrichtung, in der je zwei dieser Raketen in Bereitschaft gehalten werden konnten. Mögliche Raketentypen waren zwei Varianten der SA-N-4-Rakete:
9M33 (3PK OCA-M) SA-N-4, Mindestflughöhe des Ziels > 50 m
9M33M (3PK OCA-MА) SA-N-4C, Mindestflughöhe des Ziels > 25 m
Die beiden Schiffe in Verband 2 konnten zwei verschiedene Marschflugkörpertypen einsetzen. Mögliche Marschflugkörper waren:
P-15 (russ.: П-15) Natocode: SS-N-2B Styx, Reichweite 50 km, Flughöhe zwischen 100 und 400 Metern
P-15M (russ.: П-15M) Natocode: SS-N-2C Styx, Reichweite 80 km, Flughöhe zwischen 25 und 50 Metern[3]
Zusätzlich hätte ein unbemannter Flugkörper, eine Drohne vom Typ La-17 (russ.: Ла-17), die Rolle der Marschflugkörper übernehmen können.
Verzögerungen
Zunächst für die letzte Märzwoche geplant, verzögerte sich der Übungstermin mehrfach. Die erste Verzögerung ergab sich durch Lieferschwierigkeiten bei den Flugabwehrraketen für zwei Schiffe des Flottenverbandes. Nachdem diese Raketen geliefert worden waren, verschob sich der Übungstermin wegen verschiedener Störfaktoren im Übungsgebiet weiter.
Zwei amerikanische Kriegsschiffe, die Fregatten USS Francis Hammond und USS Knox, waren in den ersten Apriltagen in der Nähe des Übungsgebietes gesichtet worden.[A 1] Die Übung wurde verschoben, aber im Anschluss konnte dann bis zum 7. April die zugesicherte Luftsicherung im Zielgebiet nicht gewährleistet werden, so dass es erneut zu einer Verzögerung kam.
Am nächsten Tag war die Sicht schlecht und Fischerboote waren im Übungsgebiet gemeldet. Am Samstag dem 11. April 1987 meldeten schließlich zwei Boote des Verbandes, die U-Jagd-Korvette MPK-117 und die Korvette Bris, technische Schwierigkeiten und das Auslaufen verschob sich abermals.[4]
Tatsächlicher Verlauf
Nachdem die Übung mehrfach verschoben worden war, wurde sie schließlich für Donnerstag den 16. April angesetzt. Die Korvette Bris musste wegen der noch nicht behobenen Schäden im Hafen bleiben.[A 2] Luftabwehrraketen vom Typ 9K33 (SA-N-4) wurden für diese Übung in das Magazin der Korvette Musson verladen. Der simulierte Angreifer RK-42 erhielt P-15M-Raketen.
Planung
Mit Wissen von Konteradmiral Golowko änderten die Teilnehmer den Ablaufplan der Übung dahingehend, dass der Abstand zwischen den beiden Verbänden im Moment des Raketenabschusses drastisch verkürzt wurde und die Marschgeschwindigkeit des Luftabwehrverbandes während der Abfangphase deutlich reduziert wurde.
Der Flottenverband verließ seinen Stützpunkt bei Wladiwostok und lief nach Süden ins Japanische Meer.
Nachdem bereits mehrere Einzelübungen durchgeführt waren, setzte RK-42 zum simulierten Angriff auf die Musson an.
Der dafür verwendete Übungsmarschflugkörper war eine voll funktionsfähige Waffe, bei der lediglich der Sprengstoff entfernt und durch ein Gegengewicht ersetzt worden war.
Abschuss
Die Bedienmannschaft auf dem Schiff, das den Flugkörper startete, sollte gemäß den Vorschriften für solche Übungen manuell ein weit entferntes Zielgebiet festlegen, in dem der Marschflugkörper nach einem Zielschiff suchen sollte. Die Zielsuchsysteme des Marschflugkörpers sollten dabei deaktiviert sein. Der Kurs des Flugkörpers zwischen Startpunkt und Zielgebiet sollte ihn dann achtern an dem Schiff vorbeiführen, das die Flugabwehrübung durchführte.
Die Leitsysteme an Bord der Tarantul-Klasse Korvette RK-42 ließen eine solche Programmierung aber nicht zu, sondern zwangen die Programmierer, einen erkannten Kontakt direkt anzupeilen.[5] Durch die abgeschalteten Suchsysteme im Marschflugkörper bestand jedoch trotzdem kaum eine Möglichkeit, dass der Flugkörper die angepeilte Musson auch wirklich traf.[6] Selbst wenn die geschätzte Position des Ziels zum Zeitpunkt des Starts seiner tatsächlichen Position bei Ankunft des Flugkörpers entsprechen sollte, würde durch das abgeschaltete Suchsystem kein Befehl zum Zielanflug gegeben werden, so dass der Marschflugkörper sein Ziel überfliegen würde.
Die Korvette RK-42 änderte ihren Kurs in Richtung des Zielpunktes und startete um 18:42 Uhr Ortszeit einen Marschflugkörper vom Typ P-15M (П-15М). Die Entfernung zur Korvette Musson betrug zu diesem Zeitpunkt rund 21 Kilometer, der simulierte Angreifer RK-42 lag von der Musson aus gesehen in 340°. Die Musson lief mit einer Geschwindigkeit von nur 9 Knoten.
Nachdem sein Feststoffbooster ausgebrannt war, beschleunigte der Marschflugkörper auf 320 Meter pro Sekunde und begann, seinen Flüssigtreibstoff zu verbrennen. Seine Flughöhe lag zwischen 25 und 50 Metern, ständig überprüft durch das eingebaute Höhenradar. Die Zeit bis zum Erreichen der Musson betrug etwa eine Minute.
Die Besatzung der Musson erfasste das anfliegende Ziel mit den Radarsensoren ihres Schiffes und startete zwei der 9K33-(SA-N-4-)Flugabwehrraketen in Folge, um es abzufangen. Von der Musson aus per Funksignal gesteuert, beschleunigten die Raketen auf über 420 Meter pro Sekunde und flogen dem Ziel entgegen. Trotz der Fernlenkung durch die Spezialisten auf der Korvette und der radargestützten Abstandszünder in den Luftabwehrraketen konnte keine der beiden 9K33 den anfliegenden Marschflugkörper zerstören.
Korvettenkapitän Wiktor Rekisch ließ auch den AK-725-Geschützturm achtern mit seinen beiden 57mm-L/75 Kanonen das Feuer auf den SS-N-2C eröffnen. In den 22 Sekunden, die der Marschflugkörper benötigte, um die Distanz zu überwinden, während der er sich in Reichweite der Geschütze befand, wurden nur fünf 57mm-Granaten verschossen,[7] aber auch sie waren nicht in der Lage, das Ziel zu zerstören.[8]
Der Marschflugkörper änderte abrupt, rund 2,5 Kilometer vor dem Schiff, seinen Kurs nach backbord in Richtung der Musson und begann, an Höhe zu verlieren, bevor er die Korvette traf.
quelle: Wiki
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