von augenzeuge » 3. November 2019, 14:59
Es gab allerdings auch Ausnahmen: Der Eisenbahnknotenpunkt Hamm etwa erwies sich für die Amerikaner nach eigener Einschätzung als „Hornissennest“, bevor er am 7. April fiel, und auch in Teilen Dortmunds entwickelte sich ein regelrechter Häuserkampf. In einigen sauerländischen Dörfern rund um das Rothaargebirge und in Borchen südlich von Paderborn organisierten fanatische deutsche Offiziere ebenfalls erbitterten Widerstand, der auf beiden Seiten hohe Verluste forderte. Insgesamt starben bei der Eroberung des Ruhrkessels rund 1.500 US-Soldaten, auf deutscher Seite über 10.000.
Die deutsche Zivilbevölkerung erlebte den Moment des Kriegsendes in aller Regel als einen Augenblick höchster Dramatik. Vor allem die Frage, ob ein Ort kampflos übergeben werden durfte oder verteidigt werden sollte, barg große Gefahr. Stießen nämlich die vorrückenden Alliierten auf Widerstand, so bombardierten sie den betreffenden Ort zunächst mit Artillerie oder aus der Luft, um das Leben ihrer Soldaten zu schonen. Um dies zu verhindern, stellten sich auf deutscher Seite nicht selten couragierte Zivilisten oder besonnene Soldaten den Verteidigungsplänen fanatischer Endsieggläubiger entgegen und setzten die friedliche Kapitulation ihrer Stadt durch. Einige bezahlten ihren Mut allerdings mit dem Leben: Der Bürgermeister von Brackwede bei Bielefeld beispielsweise wurde, nachdem er angeordnet hatte, die Panzersperren vor dem Ort zu öffnen, auf Befehl des Kreisleiters erschossen. Obwohl dies vom NS-Regime strikt verboten worden war, empfingen in aller Regel weiße Fahnen die in einen Ort einrückenden Alliierten. Aus Bettwäsche, Handtüchern, Hemden oder gar langen Unterhosen gefertigt, galten sie als das sicherste Mittel, um feindlichem Beschuss zu entgehen.
Sobald die feindlichen Panzer zu hören waren, zogen sich die Bewohner zumeist in die Keller ihrer Häuser zurück und erwarteten dort das Eintreffen der fremden Truppen. Manche Filmaufnahmen der US-Truppen vermitteln einen Eindruck von der ängstlichen Spannung, mit der die Bevölkerung das Eintreffen der fremden Soldaten beobachtete. Vielfach löste sich die Anspannung aber offenbar rasch und machte besonders bei Kindern ersten neugierigen Annäherungsversuchen Platz.
Der münstersche Journalist Paul Wantzen, bis zum Schluss ein überzeugter Parteigänger des NS-Regimes, notierte am Tage der Besetzung in sein Tagebuch: „Scheußlich war es zu erleben, dass deutsche Frauen an die Straßen liefen und die Amerikaner um Zigaretten und Kaffee anbettelten ... Und ‚deutsche‘ Jungens kletterten auf die Panzer und setzten sich zu den Amerikanern auf die Geschütze. So würdelos können wohl nur Deutsche sein!“
Ort für Ort drückten die US-Truppen unter dem Oberbefehl von General Eisenhower in der ersten Aprilhälfte 1945 die Fronten des Ruhrkessels ein, spalteten ihn am 14. April in zwei Teile und nahmen ihn bis zum 21. April komplett ein. Am gleichen Tag erschoss sich der Befehlshaber der deutschen Truppen, Generalfeldmarschall Walter Model, in einem Wald bei Duisburg. Rund 300.000 seiner Soldaten mussten den Weg in die Gefangenschaft antreten. Manchem 15- oder 16-Jährigen schnitten die Amerikaner aber auch nur die Hosenbeine der Uniform ab und schickten ihn in Shorts nach Hause. Schlechter erging es den Funktionären des untergegangenen Hitler-Regimes. Sofern es ihnen nicht gelang unterzutauchen oder – was in den Tagen des Kriegsendes massenhaft geschah – sie sich durch Selbstmord der Verhaftung entzogen, wurden sie umgehend interniert.
Mit den Lagern Recklinghausen-Hillerheide, Hemer sowie Staumühle und Eselheide in der Senne richteten die Alliierten allein in Westfalen vier große Internierungscamps ein. Einer der ersten hochrangigen Würdenträger, der den Amerikanern ins Netz ging, war der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen, im „Dritten Reich“ zunächst Hitlers Vizekanzler und später als Diplomat tätig. Am 9. April 1945 wurde der gebürtige Werler in einer Jagdhütte bei Meschede festgenommen. Filmaufnahmen und Fotografien dokumentieren, dass die Amerikaner sich der Bedeutung ihres Fangs sehr bewusst waren.
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