Obst iR Kurt Gärtner
Die Schlacht um Kreta
Vor 70 Jahren, am 20. Mai 1941, begann die spektakuläre deutsche Luftlandung auf Kreta. Eine gut verteidigte Insel mit der Längenausdehnung von 260 km und einer Breite von bis zu 60 km allein aus der Luft anzugreifen und einzunehmen, kann als kühnes militärisches Unternehmen bewertet werden. Bei der Schlacht um die Insel Kreta waren auf deutscher Seite über 22.000 und auf alliierter Seite rd. 42.000 Soldaten eingesetzt.
Die von deutschen Luftlande- und Fallschirmjägerverbänden durchgeführte Invasion war die erste große Luftlandeoperation der Geschichte. Jedoch ohne massiven Einsatz der Gebirgsjäger wäre Kreta nicht zu nehmen gewesen.
Strategische Überlegungen
Die Briten waren der Meinung, wer Kreta besitzt, könnte die Zufahrt zum Ägäischen Meer sowie östlichen Mittelmeer kontrollieren und dies begünstige den Einsatz in Malta und Ägypten. Sie bereiteten frühzeitig die Besetzung Kretas vor. Ab dem 1. November 1940 befand sich ein britisches Infanteriebataillon auf Kreta. In den folgenden Monaten kamen zusätzlich einige britische Infanterieverbände und Fliegerabwehreinheiten nach Kreta. Die Briten bauten den Hafen in der Suda-Bucht als Versorgungsstützpunkt für die Mittelmeerflotte aus. Bis Februar 1941 wurden in Maleme, Rethymnon und Heraklion für die RAF Einsatzflugplätze vorbereitet. Nach der am 29. April 1941 abgeschlossenen Besetzung des griechischen Festlandes durch die deutsche Wehrmacht flohen das griechische Königshaus und Teile der Streitkräfte auf Kreta.
Das deutsche Oberkommando ging davon aus, dass mit der Inbesitznahme von Kreta die Transportwege von Griechenland und Afrika nach Italien gesichert und die deutsche Lufthoheit bis an den Suezkanal erweitert werden könnte. Darüber hinaus wollte man britische Luftoperationen in Richtung Rumänien unterbinden. Die rumänischen Ölfelder waren für die deutsche Energieversorgung und Kriegsführung von entscheidender Bedeutung. Der militärische Nachrichtendienst unterschätzte die Stärke der Alliierten auf Kreta, da er mit etwa 15.000 britischen und 3.000 griechischen Soldaten rechnete. Außerdem konnte die Luftaufklärung viele gut getarnte britische Stellungen nicht finden und so entstand ein falsches Feindlagebild.
Verteidigungsplan der „Creforce“
Auf Weisung des britischen Premierministers Churchill wurde ein Teil des britischen Expeditionskorps nach Kreta verlegt, um eine wirksame Verteidigung zu gewährleisten. Der bisherige Kommandant der 2. Neuseeländischen Division, Generalmajor B. Freyberg, wurde vom britischen Oberkommandierenden Nahost, General A. Wavell, zum Kommandanten auf Kreta ernannt. Er ging sofort nach der Kommandoübergabe daran, geeignete Maßnahmen für die Abwehr eines deutschen Angriffs nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Generalmajor Freyberg erwartete einen kombinierten Angriff vom Meer und aus der Luft. In der „Creforce“ Order Nr. 3 vom 3. Mai 1941 bildete er vier Verteidigungsbereiche:
• Im Raum Maleme, Galatas, die 2. Neuseeländische Division (4., 5. sowie 10. Brigade, plus 3.200 Griechen) unter Brigadier Puttik.
• Im Raum Chania, Suda- Bucht, eine divisionsstarke Kampfgruppe (britische, australische und griechische Einheiten) unter Generalmajor Weston.
• Im Raum Rethymnon die 19. australische Brigade (plus 3.200 Griechen) unter Brigadier Vasey.
• Im Raum Heraklion die 14. britische Brigade (plus 2.700 Griechen) unter Brigadier Chappel. Mit Einrechnung der Sondertruppen waren es insgesamt etwa 42.000 Mann. Da die Briten die deutsche Verschlüsselungsmaschine Enigma dechiffrieren konnten, waren sie über die Angriffspläne in annähernd allen Einzelheiten informiert (Ultra- Berichte).
Der deutsche Angriffsplan
Am 25. April 1941 unterzeichnete das Oberkommando der Wehrmacht die Weisung Nr. 28 für die Kriegsführung beim Unternehmen „Merkur“. Sie legte fest, dass die Besetzung der Insel Kreta als Basis für die Luftkriegsführung gegen Großbr itannien im Ost-Mittelmeer vorzubereiten ist. Mit der Gesamtführung der Operation zur Eroberung von Kreta beauftragte Reichsmarschall Göring den Oberbefehlshaber der Luftflotte 4, Generaloberst Alexander Löhr. Diesem wurden das VIII. Fliegerkorps unter General Wolfram von Richthofen und das XI. Fliegerkorps unter General Student unmittelbar unterstellt. Für die eigentliche Landung war die 7. Fliegerdivision (Fallschirmjäger) unter Generalleutnant Wilhelm Süßmann und die 5. Gebirgsdivision unter Generalmajor Julius Ringel vorgesehen.
Durch starke Fallschirmjäger- Vorausabteilungen und Sturmtruppen sollten mit massiver Luftunterstützung die Flugplätze und wichtigsten Städte auf Kreta überraschend in Besitz genommen werden. Wegen fehlenden Transportraumes und zur Sicherstellung einer wirksamen Luftunterstützung musste die Invasion in zwei Wellen durchgeführt werden.
1. Welle – Gruppe West: Verstärktes Luftlande- Sturmregiment (Generalmajor Meindl) nimmt nach Landung mit Lastenseglern und Fallschirmabsprung den Flugplatz bei Maleme ein. Zusätzlich soll nach Kastelli aufgeklärt und mit der Gruppe Mitte Verbindung hergestellt werden.
1. Welle – Gruppe Mitte: Verstärktes Fallschirmjäger- Regiment 3 (Oberst Heidrich) bindet nach Fallschirmabsprung im Talkessel entlang der Straße Chania-Alikianou die dort vermuteten starken Feindkräfte und geht Richtung Chania vor. Nach dem Freikämpfen des Absetzraumes sollen der Kommandeur der 7. Fliegerdivision und sein Gefechtsstab mittels Lastensegler landen und die Führung über die Gruppe Mitte übernehmen.
2. Welle – Gruppe Ost: Verstärktes Fallschirmjäger- Regiment 1 (Oberst Bräuer) nimmt nach Fallschirmabsprung Flugplatz und Stadt Heraklion ein.
2. Welle – Gruppe Mitte: Vermindertes Fallschirmjäger- Regiment 2 (Oberst Sturm) nimmt nach Fallschirmsprung Flugplatz und Stadt Rethymnon ein.
In der 3. Welle (2.Tag) sollte die 5. Gebirgsdivision im Lufttransport und mit Seelandung zur Verstärkung nach Kreta gebracht werden. Insgesamt wurden 13.980 Gebirgsjäger und 8.060 Fallschirmjäger eingesetzt.
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