Die Schlacht um Kreta (Operation „Merkur“)

Die Schlacht um Kreta (Operation „Merkur“)

Beitragvon pentium » 20. April 2017, 20:34

Obst iR Kurt Gärtner
Die Schlacht um Kreta


12_Analyse_1.jpg


Vor 70 Jahren, am 20. Mai 1941, begann die spektakuläre deutsche Luftlandung auf Kreta. Eine gut verteidigte Insel mit der Längenausdehnung von 260 km und einer Breite von bis zu 60 km allein aus der Luft anzugreifen und einzunehmen, kann als kühnes militärisches Unternehmen bewertet werden. Bei der Schlacht um die Insel Kreta waren auf deutscher Seite über 22.000 und auf alliierter Seite rd. 42.000 Soldaten eingesetzt.

Die von deutschen Luftlande- und Fallschirmjägerverbänden durchgeführte Invasion war die erste große Luftlandeoperation der Geschichte. Jedoch ohne massiven Einsatz der Gebirgsjäger wäre Kreta nicht zu nehmen gewesen.

Strategische Überlegungen
Die Briten waren der Meinung, wer Kreta besitzt, könnte die Zufahrt zum Ägäischen Meer sowie östlichen Mittelmeer kontrollieren und dies begünstige den Einsatz in Malta und Ägypten. Sie bereiteten frühzeitig die Besetzung Kretas vor. Ab dem 1. November 1940 befand sich ein britisches Infanteriebataillon auf Kreta. In den folgenden Monaten kamen zusätzlich einige britische Infanterieverbände und Fliegerabwehreinheiten nach Kreta. Die Briten bauten den Hafen in der Suda-Bucht als Versorgungsstützpunkt für die Mittelmeerflotte aus. Bis Februar 1941 wurden in Maleme, Rethymnon und Heraklion für die RAF Einsatzflugplätze vorbereitet. Nach der am 29. April 1941 abgeschlossenen Besetzung des griechischen Festlandes durch die deutsche Wehrmacht flohen das griechische Königshaus und Teile der Streitkräfte auf Kreta.
Das deutsche Oberkommando ging davon aus, dass mit der Inbesitznahme von Kreta die Transportwege von Griechenland und Afrika nach Italien gesichert und die deutsche Lufthoheit bis an den Suezkanal erweitert werden könnte. Darüber hinaus wollte man britische Luftoperationen in Richtung Rumänien unterbinden. Die rumänischen Ölfelder waren für die deutsche Energieversorgung und Kriegsführung von entscheidender Bedeutung. Der militärische Nachrichtendienst unterschätzte die Stärke der Alliierten auf Kreta, da er mit etwa 15.000 britischen und 3.000 griechischen Soldaten rechnete. Außerdem konnte die Luftaufklärung viele gut getarnte britische Stellungen nicht finden und so entstand ein falsches Feindlagebild.

Verteidigungsplan der „Creforce“
Auf Weisung des britischen Premierministers Churchill wurde ein Teil des britischen Expeditionskorps nach Kreta verlegt, um eine wirksame Verteidigung zu gewährleisten. Der bisherige Kommandant der 2. Neuseeländischen Division, Generalmajor B. Freyberg, wurde vom britischen Oberkommandierenden Nahost, General A. Wavell, zum Kommandanten auf Kreta ernannt. Er ging sofort nach der Kommandoübergabe daran, geeignete Maßnahmen für die Abwehr eines deutschen Angriffs nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Generalmajor Freyberg erwartete einen kombinierten Angriff vom Meer und aus der Luft. In der „Creforce“ Order Nr. 3 vom 3. Mai 1941 bildete er vier Verteidigungsbereiche:
• Im Raum Maleme, Galatas, die 2. Neuseeländische Division (4., 5. sowie 10. Brigade, plus 3.200 Griechen) unter Brigadier Puttik.
• Im Raum Chania, Suda- Bucht, eine divisionsstarke Kampfgruppe (britische, australische und griechische Einheiten) unter Generalmajor Weston.
• Im Raum Rethymnon die 19. australische Brigade (plus 3.200 Griechen) unter Brigadier Vasey.
• Im Raum Heraklion die 14. britische Brigade (plus 2.700 Griechen) unter Brigadier Chappel. Mit Einrechnung der Sondertruppen waren es insgesamt etwa 42.000 Mann. Da die Briten die deutsche Verschlüsselungsmaschine Enigma dechiffrieren konnten, waren sie über die Angriffspläne in annähernd allen Einzelheiten informiert (Ultra- Berichte).

Der deutsche Angriffsplan
Am 25. April 1941 unterzeichnete das Oberkommando der Wehrmacht die Weisung Nr. 28 für die Kriegsführung beim Unternehmen „Merkur“. Sie legte fest, dass die Besetzung der Insel Kreta als Basis für die Luftkriegsführung gegen Großbr itannien im Ost-Mittelmeer vorzubereiten ist. Mit der Gesamtführung der Operation zur Eroberung von Kreta beauftragte Reichsmarschall Göring den Oberbefehlshaber der Luftflotte 4, Generaloberst Alexander Löhr. Diesem wurden das VIII. Fliegerkorps unter General Wolfram von Richthofen und das XI. Fliegerkorps unter General Student unmittelbar unterstellt. Für die eigentliche Landung war die 7. Fliegerdivision (Fallschirmjäger) unter Generalleutnant Wilhelm Süßmann und die 5. Gebirgsdivision unter Generalmajor Julius Ringel vorgesehen.
Durch starke Fallschirmjäger- Vorausabteilungen und Sturmtruppen sollten mit massiver Luftunterstützung die Flugplätze und wichtigsten Städte auf Kreta überraschend in Besitz genommen werden. Wegen fehlenden Transportraumes und zur Sicherstellung einer wirksamen Luftunterstützung musste die Invasion in zwei Wellen durchgeführt werden.
1. Welle – Gruppe West: Verstärktes Luftlande- Sturmregiment (Generalmajor Meindl) nimmt nach Landung mit Lastenseglern und Fallschirmabsprung den Flugplatz bei Maleme ein. Zusätzlich soll nach Kastelli aufgeklärt und mit der Gruppe Mitte Verbindung hergestellt werden.
1. Welle – Gruppe Mitte: Verstärktes Fallschirmjäger- Regiment 3 (Oberst Heidrich) bindet nach Fallschirmabsprung im Talkessel entlang der Straße Chania-Alikianou die dort vermuteten starken Feindkräfte und geht Richtung Chania vor. Nach dem Freikämpfen des Absetzraumes sollen der Kommandeur der 7. Fliegerdivision und sein Gefechtsstab mittels Lastensegler landen und die Führung über die Gruppe Mitte übernehmen.
2. Welle – Gruppe Ost: Verstärktes Fallschirmjäger- Regiment 1 (Oberst Bräuer) nimmt nach Fallschirmabsprung Flugplatz und Stadt Heraklion ein.
2. Welle – Gruppe Mitte: Vermindertes Fallschirmjäger- Regiment 2 (Oberst Sturm) nimmt nach Fallschirmsprung Flugplatz und Stadt Rethymnon ein.
In der 3. Welle (2.Tag) sollte die 5. Gebirgsdivision im Lufttransport und mit Seelandung zur Verstärkung nach Kreta gebracht werden. Insgesamt wurden 13.980 Gebirgsjäger und 8.060 Fallschirmjäger eingesetzt.

....
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Die Schlacht um Kreta (Operation „Merkur“)

Beitragvon pentium » 20. April 2017, 20:38

Die Schlacht um Kreta
Fortsetzung


Sturmangriff aus der Luft
Im Morgengrauen des 20. Mai 1941 starteten ab 4.15 Uhr Jagd-, Kampf- und Transportflugzeuge in Richtung Kreta. Die Masse der fliegenden Verbände griff alle bisher bekannten Ziele an. Unmittelbar vor der Landung der Lastensegler und Transportflugzeuge bombardierten Stuka und Zerstörer noch einmal die aufgeklärten Stellungen der „Creforce“, um primär die schweren Waffen im Absetz- und Landegebiet auszuschalten. Die gut getarnten britischen Stellungen wurden häufig nicht getroffen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass das Luftlande-Sturmregiment, das um 7.15 Uhr landete, hohe Verluste erlitt. Das 1. Bataillon konnte nicht – wie vorgesehen – die beherrschende Höhe 107 nehmen. Das 2. Bataillon wurde im Raum Kamisiana, Rapaniana abgesetzt und sammelte sich bei geringem Feindbeschuss auf den befohlenen Höhen ostwärts Spilia. Das 3. Bataillon konnte durch schlechte Sicht (Staubwolken) erst verspätet starten und wurde im Raum Maleme, Pyrgos, Kondomari und Modi (Modhion) auseinandergezogen abgesetzt. Dabei fiel die Masse des Bataillons aus, da es mitten in die gut ausgebauten Feindstellungen der 5. neuseeländischen Brigade hineinsprang und sofort unter starken Beschuss kam. Regimentsstab und das 4. Bataillon wurden westlich der Ortschaft Tavronitis abgesetzt und gingen gegen den Westteil des Flugplatzes Maleme vor. Dabei wurde der Regimentskommandeur, Generalmajor Meindl, schwer verwundet. Auch das Fallschirmjäger-Regiment 3 konnte seine Aufgabe, die Hauptstadt Chania zu besetzen, nicht erfüllen, das 1. Bataillon und 3. Bataillon blieben in den Vororten liegen. Der Führer der Gruppe Mitte, Generalleutnant Süßmann, Kommandeur der 7. Fliegerdivision (Fallschirmjäger), fiel schon beim Anflug seines Lastenseglers. Wie bei der 1. Welle wurden die Fallschirmjäger schon in der Luft bekämpft und mussten hohe Verluste hinnehmen.

Mehr als bei bisherigen Kampfhandlungen befanden sich die deutschen Truppen während der ersten Tage in der Schlacht um Kreta am Rande des Chaos. Es kämpften in der Anfangsphase nicht organisierte Kompanien, sondern oft nur bunt zusammengewürfelte Haufen. Viele Stabsoffiziere und Hauptleute waren gefallen und so mussten häufig junge Offiziere und erfahrene Unteroffiziere das Kommando übernehmen.
In den frühen Morgenstunden des 21. Mai 1941 griffen Teile des 1. Bataillons des Luftlande-Sturmregiments die Höhe 107 an. Diese relativ schwachen Kräfte stießen mitten in die Absetzbewegungen der neuseeländischen A-Kp/22. Baon hinein, säuberten die Höhe und besetzten sie. Die A-Kp hatte auf Befehl des Bataillonskommandanten die Höhe 107 verlassen. Das entscheidende Gelände in diesem Abschnitt wurde somit kampflos aufgegeben. Gegen 16.00 Uhr des 21. Mai landeten unter schwerem Artilleriefeuer Teile des II./Gebirgsjäger- Regimentes 100 und des Regimentsstabes.
Um etwa 17.00 Uhr sprang Oberst Ramcke mit seiner Kampfgruppe über Maleme ab. 15 Min. nach der Landung auf Kreta übernahm Oberst Ramcke die Führung des Luftlande-Sturmregimentes. Mithilfe der Luftwaffe und durch den aufopfernden Einsatz der Fallschirmjäger gelang es Oberst Ramcke, den Flugplatz Maleme endgültig unter deutsche Kontrolle zu bringen.
In jedem der vier Einsatzräume auf Kreta hatten die „Creforce“ eine erdrückende Übermacht. Aber nirgends erfolgte ein wuchtiger Gegenangriff gegen die dezimierten und weit verstreuten Fallschirmjäger. Alle Gegenangriffe wurden abgewehrt und scheiterten, weil sie nur zaghaft durchgeführt wurden.
In den Morgenstunden des 22. Mai 1941 gingen die Kampfgruppen Gericke und Stentzler weiter nach Osten bis auf die Höhen südlich von Pyrgos vor. Am Abend des 22. Mai verfügte der Kommandeur des Gebirgsjäger- Regimentes 100, Oberst Utz, über fast das gesamte Regiment und griff sofort Richtung Modi (Modhion) an. Wenig später landete Generalmajor Ringel am Flugplatz Maleme. Der Kommandeur der 5. Gebirgsdivision übernahm die Führung über den Einsatzraum Maleme, Chania. Er ließ unverzüglich alle zerstreut eingesetzten Truppen ordnen. Die Masse der Gebirgs- und Fallschirmjäger setzte Generalmajor Ringel zum Angriff in Richtung Chania und Suda- Bucht ein. Die Verbände des Luftlandekopfes Maleme erhielten folgende Aufträge: Gruppe Oberst Utz mit vermindertem Gebirgsjäger- Regiment 100 führt Umfassungsangriffe im gebirgigen Süden durch, um ein Vorgehen der Fallschirmjäger an der Küste zu erleichtern. Gruppe Oberst Ramcke mit Luftlande-Sturmregiment greift in Abstimmung mit den Gebirgsjägern entlang der Küste an. Gruppe Major Schätte mit Gebirgs-Pionierbataillon 95 sichert den äußersten Westen von Kreta. Weniger durch frontale Angriffe als mit dauernden Umfassungen der Südflanke durch Gebirgsjäger wurden die alliierten Truppen zum Rückzug gezwungen. Mit Unterstützung der kampferprobten und zähen Gebirgsjäger zog Oberst Ramcke am 27. Mai in Chania ein. Generalmajor Freyberg gestand die Niederlage ein und beantragte die Evakuierung der alliierten Truppen. Einige Tage später wurde Ierapetra vom Gebirgsjäger-Regiment 100 eingenommen. Nachdem auch der Hafen von Sfakia besetzt wurde, endete der Einsatz in Kreta für das Regiment. Die besiegte „Creforce“ trat den Marsch an die Südküste an, um sich von dort nach Ägypten einschiffen zu lassen.

Ursachen von Sieg und Niederlage
Der wesentliche Grund für die völlige Fehleinschätzung des Gegners durch die deutsche Wehrmacht und das Chaos der Fallschirmjäger am Beginn der Luftoperation waren die mangelhaften Ergebnisse der deutschen Luftaufklärung. Letztlich haben aber Initiative über Passivität und Auftragstaktik über Befehlstaktik gesiegt. Schwere Führungsfehler der Alliierten und die deutsche Luftüberlegenheit waren ebenfalls entscheidende Faktoren. Beide Seiten kämpften verbissen und hatten hohe Verluste. Deutsche Wehrmacht: etwa 4.000 Gefallene, 300 Vermisste und 3.100 Verwundete. „Creforce“: etwa 5.000 Gefallene (davon 1.500 Griechen), 2.300 Verwundete (ohne Griechen) und 16.600 Gefangene. Der Widerstand von kretischen Irregulären (Partisanen) führte zu unmenschlichen Repressalien gegen die Zivilbevölkerung durch deutsche Truppen. Die eigentliche Schlacht um Kreta wurde von den unteren Offiziersdienstgraden, Unteroffizieren und Mannschaften auf beiden Seiten geschlagen. Verloren wurde sie von der Führung der neuseeländischen Truppen.

DER SOLDAT-Ausgabe Nr. 12/2011 vom 22. Juni
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Die Schlacht um Kreta (Operation „Merkur“)

Beitragvon pentium » 26. April 2017, 15:28

Bewaffnung der deutschen Soldaten

Die Fallschirmjäger führten beim Absprung nur Pistolen und Handgranaten am Soldaten mit. Maschinengewehre, Karabiner und Maschinenpistolen wurden in Abwurfbehältern an Lastenfallschirmen abgeworfen. Das sollte den Fallschirmjäger vor Verletzungen bei der Landung schützen. Die Fallschirme der Waffenbehälter waren farbig markiert. Erst nach Kreta wurde durch die Erfahrungen mit dem Absprung in eine Gefechtszone mit Waffe am Mann experimentiert. Rund 25 Prozent der Truppen waren mit MP40-Maschinenpistolen ausgerüstet, für jeden achten bis zwölften Soldaten war ein MG34-Maschinengewehr vorgesehen.

Seiner Konstruktion wegen erwies sich von Anfang an der Granatwerfer als zweckmäßig. Beim 8-cm-Granatwerfer 42 wurde das Rohr verkürzt, damit er in die Abwurfbehälter passte. Prädestiniert waren die zerlegbaren 7,5-cm-Gebirgsgeschütze 36, deren Konstruktion von jeher auf ein geringes Gewicht hin optimiert war. Diese und die 3,7-cm-PaK 36 wurden auch mit Fallschirmen abgesetzt. Die Deutschen setzten auf Kreta mit dem Leicht-Geschütz 40 (LG40) erstmals eine neue Panzerabwehrwaffe ein, die leichter als die bisherigen Waffen war. Die schweren Waffen konnten nach dem Fallschirmabwurf erst mit Beiwagenkrädern nach Luftanlandung oder Beutefahrzeugen beweglich gemacht werden. Schwere Waffen wie Feldkanonen oder gar Haubitzen standen den luftgelandeten „Leichten Infanterieverbänden“ nicht oder nur als Beutewaffen zur Verfügung.

...
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45323
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge


Zurück zu Zweiter Weltkrieg

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast