Die DDR und die Kubakrise
Vor 55 Jahren fuhr ein DDR-Urlauberschiff mitten in die Kubakrise. Die Passagiere waren plötzlich Beobachter im Poker der Supermächte. In der fernen DDR versetzte Ulbricht die Streitkräfte in erhöhte Gefechtsbereitschaft. Es sollte ein schöner Urlaub werden: Sonne, Palmen und Karibikflair. Doch die Reise von hunderten DDR-Bürgern nach Kuba fiel sprichwörtlich ins Wasser. Die Kuba-Krise war schuld.
Erste Karibikreise in den Wirren der WeltpolitikDas Passagierschiff "Völkerfreundschaft" nahm im Oktober 1962 das erste Mal Kurs auf Kuba. Die DDR hatte die Karibikinsel vor den Toren der USA nach dem Bau der Mauer als neues Urlaubsziel entdeckt. Sorglos fuhr das Kreuzfahrt-Schiff Richtung Karibik - an Bord 500 erwartungsfrohe Passagiere. Über allgemeines Geschehen informierte zwar eine dreiseitige Schiffszeitung, doch die unmittelbare Weltpolitik sollte die DDR-Urlauber einholen.
Urlauber von Kriegsschiffen bedrängtAuf ihrem Weg nach Havanna tauchten plötzlich amerikanische Kriegsschiffe auf und bedrängten die "Völkerfreundschaft". Mehrfach musste sie sich als harmloses Urlauberschiff legitimieren. Selbst im Weißen Haus diskutierte man über das DDR-Kreuzfahrt-Schiff. Es gab die klare Devise, kein Schiff durchzulassen, das sich nicht kontrollieren ließ, dennoch entschied man, das Passagierschiff passieren zu lassen, erzählt Historiker Raimund Krämer.
Dem Kapitän der "Völkerfreundschaft" Gerd Peters war gleich klar, es wird heikel. Der Urlaubskreuzer durfte zwar in den Hafen einfahren, aber nicht zur Landungsbrücke und dort anlegen. Peters erinnert er sich in einer MDR-Dokumentation: "Und es wurde sofort die Information ausgegeben, dass Kuba für die Sicherheit der 'Völkerfreundschaft', ihrer Passagiere und Besatzung unter diesen Umständen nicht garantieren kann."
Reaktion der DDR auf KubakriseDie DDR-Führung sei von den sowjetischen Plänen auf Kuba überrascht gewesen, erklärt der Historiker Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau. Mit der Eskalation des Konfliktes Ende Oktober 1962 wurden die NVA sowie die Bündnistruppen des "Warschauer Paktes" in Alarm versetzt, SED-Chef Ulbricht verstärkte die Überwachung der Luft- und Seegrenzen, ordnete die Aufschiebung der bevorstehenden Entlassung von mehr als 30 000 Mann an und befahl erhöhte Gefechtsbereitschaft - erstmals auch von Kernwaffeneinsatzmitteln, schreibt Uhl in seinem Aufsatz "'Jederzeit gefechtsbereit' - Die NVA während der Kubakrise".
Insgesamt wurden die personellen, materiellen und technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, um im Verteidigungsfall eine Kriegsstärke der NVA von 227.000 Mann sicherzustellen zu können.
Historiker Matthias Uhl DHI MoskauDer Karibikurlaub für die DD-Bürger war damit beendet. Die "Völkerfreundschaft" verlässt nach zwei Tagen wieder Havanna. Doch kaum war das DDR-Kreuzfahrtschiff auf hoher See, kommt eine Nachricht, die die Welt aufatmen ließ: Die sowjetischen Atomraketen werden abgezogen. Die Kuba-Krise ist zu Ende - für die DDR-Urlauber kam die Wende jedoch zu spät. Die "Völkerfreundschaft" hielt weiter Kurs auf Rostock.
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