Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon augenzeuge » 31. Mai 2011, 18:45

Die letzte Reise in Freiheit führte Jens Karney auf ein Schlachtfeld. Der Berliner kurvte mit dem roten Lada Richtung Luxemburg und Frankreich, erkundete unterwegs die Landschaft der Ardennenoffensive. Während der dreiwöchigen Tour im einst von der DDR-Staatssicherheit spendierten Auto bezogen daheim in der Pintschstraße 12 seine Häscher Position.

Verräter aus Reihen der Stasi wiesen Fahndern des Air-Force-Abwehrdienstes (Kürzel OSI) den Weg zum Altbau in Friedrichshain. Sie enthüllten: Hinter Jens Karney verbarg sich in Wahrheit der frühere US-Sergeant Jeffrey Martin Carney. Unter dem Decknamen Kid spionierte er bis zur Wende für die DDR. Samstag, den 20. April 1991, kam Karney alias Carney aus den Ferien nach Berlin zurück. Montagfrüh, kurz nach 9 Uhr, schlugen die OSI-Agenten zu.

Die auffälligen Tätowierungen bewiesen es: sie hatten den weltweit Gesuchten gefasst. Bewaffnete Greifer identifizierten ihn am schwarzen Panther auf dem rechten, einem Adler auf dem linken Oberarm. In einer Nacht-und Nebelaktion flog man Kid von Tempelhof über Frankfurt in die Staaten aus - heimlich, ohne die zuständigen deutschen Stellen zu informieren. Ein Militärgericht verurteilte den Spion kurz darauf zu 38 Jahren Haft, 11 Jahre saß er in Fort Leavenworth (Kansas)- mittlerweile - seit Mitte 2002 entlassen- hält er sich oft in Berlin auf- er fühlt sich als Deutscher.

Der Funkaufklärer lieferte seit seiner Stationierung in West-Berlin 1983 Dokumente an die "Hauptabteilung Aufklärung", HVA, über 100 an der Zahl. Als Angehöriger der "6912th Electronic Security Group" in Marienfelde beschaffte er Dossiers über die elektronische Kampfführung. Darunter das Dokument "Canopy Wing", geheimer als geheim. Es deckte auf 47 Seiten Schwachstellen der Hochfrequenz-Kommunikation des Sowjet-Generalstabs auf. Kid verriet den bizarren US-Plan, falsche Befehle in den Funkverkehr zwischen Warschauer-Pakt-Piloten und der Bodenleitstelle Eberswalde einzuspeisen; eine Datenbank mit Stimmenprofilen existierte schon. Bis hinauf zu General Tschebrikow von der UdSSR-Staatssicherheit versah man Kids Informationen "mit höchsten Wertigkeiten".

Gedeckter Rückzug über Kuba

1985 verloren die Amis die Spur ihres damals auf der Goodfellow Air Force Base (Texas) dienenden Berufssoldaten. Durch die Versetzung dorthin war Carneys Bedeutung "für uns noch größer", notiert HVA-Chef Markus Wolf in seinen Memoiren. Kid hielt dem Druck jedoch nicht stand, befürchtete, bei einer psychiatrischen Untersuchung komme seine Homosexualität heraus. Deshalb suchte er das Weite. Die Stasi hielt fest: Er habe sich "ohne Abstimmung mit der Zentrale" nach Mexiko abgesetzt, in der DDR-Botschaft als Quelle zu erkennen gegeben und "um politisches Asyl gebeten".

In Ost-Berlin entschied Oberst Dr. Jürgen Rogalla ("Aufklärung Nordamerika und US-Einrichtungen BRD"), den als labil eingeschätzten Spion "raus zu holen". Wahrlich nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit. Der Deserteur wusste viel, kannte konspirative Wohnungen, Telefone, Grenzschleusen, Foto- und Kopierverfahren. Rogallas Erinnerung nach lief die Befehlskette "letztlich bis zu Minister Mielke". Am 3. Oktober 85 fand "im Zusammenwirken mit dem kubanischen Bruderorgan der gedeckte Rückzug" statt. Man habe Carney "ohne Komplikationen heimgebracht". Für die erprobte Route über Havanna genügte ein kubanischer Pass: "Es gab fünf Maschinen täglich." Wilde Mutmaßungen der Amis schmückten Kids Abtauchen damit aus, er sei bei einem Erdbeben umgekommen.

Ein Doppelleben. 1983 begann es dermaßen banal, dass man Kids verhängnisvolle Affäre mit der Stasi für jugendlichen Leichtsinn halten möchte. Bei einem Ausflug in die DDR verpasste der GI die Schließung des Ost-Berliner Grenzübergangs Friedrich-/Zimmerstraße um 24 Uhr. Unvergesslich für HVA-Oberst Heinz Schockenbäumer "die Nacht, in der Carney angefallen ist". "Depressiv und durcheinander, psychisch instabil", war der 19-Jährige gestrandet. Das kann auch angetrunken meinen.

In solchen Fällen verlangte das "Wachhabenden-System" unbedingte Eil-Meldung an die HVA: "Wollt ihr euch den anschauen?" Über die Mobilisierungsliste erreichte man Schockenbäumer daheim. Er befahl einen Offizier zur Friedrichstraße. Der beruhigte den Boy erstmal. Man schleuste ihn Stunden später gen Westen zurück, nicht ohne die Vereinbarung, "bei Interesse über Tag wiederzukommen". Schockenbäumer schnalzt noch heute mit der Zunge ob des Mitarbeiters, den ihm "der Zufall" in die Hände spielte. "Der Selbststeller" sprach aktzentfrei Deutsch, phänomenal sein "phonetisches Gedächtnis". Beschäftigt mit der DDR-Flugfunküberwachung "kannte er die Stimme jedes unserer Piloten". Schockenbäumer war baff.

Sein Major Ralph Dieter Lehmann nahm Carney in Empfang. Kids Führungsoffizier studierte Politik und Psychologie. Vor ihm saß ein junger Spund mit auffällig weichen, verletzlichen Zügen. Aus dem Gesicht ließ sich Schwäche herauslesen. Kid, wie Kind, war der passende Tarnname. Jeff brauchte die erwähnten Tattoos, um sich als ganzer Kerl zu fühlen. Ein Bündel von Impulsen mag den Feldwebel aus Cincinatti (Ohio) zu dem verhängnisvollen Schritt getrieben haben. Naive Weltverbesserungsabsicht, Abenteuerlust, Geltungsdrang, Verzweiflung, auch, wie er sagte, "Hass auf Vorgesetzte". Was immer ihn unter dem Gefühlsansturm motivierte, ein großer Plan stand nicht dahinter. Wenn eine Wahrheit des Augenblicks existiert, dann die: der unbedachte Moment ruinierte sein Leben.

Auf Stasi-Seite zählte: der amerikanische Freund kam aus einer besonders beäugten Spezialeinheit, trat auf, als könne er kein Wässerlein trüben. Niemand hätte in ihm einen Krieger für Wolfs Schattenheer vermutet, kaltblütig genug, nummerierte Top-Secret-Dossiers rauszuschleppen. Kids auffällige Unauffälligkeit bringt die Nachbarin Brigitte Boll auf den Punkt: "Er war zurückhaltend, scheu, hatte einen weichen, kaum zu spürenden Händedruck." Deshalb traf Frau Boll "fast der Schlag", als sie 1997 seine wahre Identität erfuhr. Erst damals deckte "Focus" die widerrechtliche Verschleppung des Spions durch Alliierte auf.

Für Kid bedeutet die Umsiedlung in die DDR nicht bloß den Wechsel von einem Imperium ins andere. Mexiko ist der Scheitelpunkt des Polit-Thrillers; das böse Ende konnte man vorhersagen. Äußerlich tauscht er texanische Sonne gegen sozialistisches Grau; der Schritt kam selbstgewählter Verbannung gleich. Jeff reagiert mit "schweren psychischen Depressionen" auf das Exil. "Krankheitsneurosen" sind Folgen von "Orientierungs- und Partnerlosigkeit", vielleicht auch seelischer Qual über seinen Verrat. Alles zusammen gehört zum Formenkreis eines gebrochenen Charakters.

Anfangs schottete man ihn in Annaberg-Buchholz ab. Dann Wohnen mit Familien- anschluss bei "Herbert und Waltraud", Adresse "Pariser Kommune 1", Berlin. Herbert sei Dozent an der Uni gewesen, berichtet Carneys Lebensgefährte A. Kenner vermuten in den Beiden das "IM-Ehepaar Dr. Martin und Ehefrau". Es kontrollierte laut Akte den völlig ahnungslosen Jens "im Freizeitbereich".

Im Mai 1986 bezieht Carney die renovierte Bleibe in der Pintschstraße, Monatsmiete 49,30 Mark. Möbel von der HVA. Fernseher und Video, Marke JVC, laufen heute daheim in der glanzpolierten Behausung von Freund A. Er hat etwas Verhuschtes, wobei Kids ominöses Verschwinden auch starke Typen an den Rand der Möglichkeiten getragen hätte. Seinem Lover stellt sich Jens mit den Worten vor: "Gebürtiger Dessauer, Angestellter der Technischen Post". Der Mietvertrag tarnt ihn als zugezogen aus "Güstrow, Leninring 12", Unterschrift steil und ungeübt: "Jens Karney."

Kid brauchte eine andere Identität. Für das neue Ich deutschte man Jeffrey in Jens, Carney in Karney ein. Die oberflächliche Veränderung ist ein Indiz, für wie unangreifbar und verborgen man die Person hinter der HVA-Registriernummer 2047/84 hielt. Er steht als "ehemaliger Staatsbürger der USA" auf dem Papier: "Die Legalisierung als DDR-Bürger wurde abgeschlossen", 15. August 1987. Der Aufenthalt sei "offizialisiert durch die Übergabe eines Personalausweises der DDR mit polizeilicher Anmeldung". Beim überfallartigen Eindringen in Carneys Wohnung nehmen die Air-Force-Agenten seinen DDR-Ausweis an sich. Er vermerkt: Augenfarbe braun, Grösse 180 Zentimeter, ferner: "Dieser Pass ist gültig bis 15. 12. 1999." Karneys Bundespass vom 7. März 1991 kassiert der Trupp ebenfalls. Außerdem knipst er rund 100 Farbfotos und nimmt den Lada mit. Kid wollte die Karre verkaufen, ein Suzuki war schon bestellt.

Zur Rundumversorgung durch die Stasi gehörte das sofort verfügbare Telefon. Was der nunmehrige DDRler nicht wusste - sein Apparat wird abgehört. "A, M, PZF, VI" laufen, als da sind: "Abhören, Postkontrolle, Postzollfahndung samt Überwachung bei Ein- und Ausreise." Punkt 4.1 regelt: "Die Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen sind möglichst umfassend, jedoch unbemerkt für Kid zu organisieren." Das Programm entsprang dem bekannten Stasi-Wahn wie seiner in den Akten beklagten "Unberechenbarkeit". Die Aufpasser argwöhnten, Jens werde bei Amnestie für Deserteure sofort eine "NSW-Botschaft" (nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet) anlaufen, "um Übersiedlung" bitten. Sie finden "kein Motiv" für Bindung an die DDR, "außer Angst vor gerichtlicher Bestrafung . . . oder vor Lynchmord durch seine ehemaligen Vorgesetzen". Kurz: Kid fehlt die sozialistische Gesinnung.

"Operation Luft gegen die US-Besatzer"

Nicht eine Silbe der mit Aversion durchtränkten Beurteilungen zeugt von menschlicher Anteilnahme. Verachtung für den Spion schreibt mit. Bestürzend ist zu lesen, in welches Licht die Schreibtischtäter jemanden setzen, der sein Leben für sie riskierte; Jeff drohte in den USA die Todesstrafe. Wenn er damals nicht kapierte, welch finsterer Macht er sich ausgeliefert hatte, dann muss er es beim Studium seiner Stasi-Akten erkennen, die man ihm jetzt in die Haft schickte. Angesichts der Kälte der HVAler erscheint der Täter zugleich als ihr Opfer.

Für Mielkes Spießer-Truppe ist der Schwule ein unsicherer Kantonist. Seine Homosexualität beschäftigt ihre Phantasie. Mit beträchtlichem Biedersinn wird Klage darüber geführt, "dass der Umgangskreis der Quelle schwer überschaubar" sei, "nicht unter Kontrolle gehalten werden kann". Der "ausgedehnte personelle Umgangskreis" erstrecke sich "in mehrere sozialistische Länder (Ungarn, CSSR)". Ein "Teil dieser Personen" fahre "selbst ins Operationsgebiet", gemeint ist die BRD, "gezeichnet: Oberstleutnant Kahnt, Hauptmann Fauth". Kids Freund schildert, wie gern sie herumreisten: "Bis in die SU. In Polen klaute man uns den Lada-Kühlergrill." Erleichtert wird die Liaison mit A. verzeichnet. "Der Einfluss . . . auf die Quelle wird als positiv eingeschätzt."

Erich Mielke persönlich sorgte sich um Kids "arbeitsmäßige Anbindung in der DDR". Im "Objekt Brücke", Köpenicker Staße 114, bestückt man eine konspirative Wohnung mit Robotron-Schreibmaschine und Tonbandgerät. Karney wertet fortan von 7.30 bis 17 Uhr Bänder der "Operation Luft" aus, Lauschangriffe gegen den Westen, auf 2- und 4-Meter-Band. Der Horchposten entsprach in etwa der früheren Aufgabe bei der Air Force, nur gilt jetzt die "Streng Geheime Richtlinie" zur "Bearbeitung ausgewählter Nachrichtenverbindungen der US-Besatzer in Westberlin". Bis zur Sozialversicherung tarnte man ihn als Angehörigen des "Zentralamtes für Funkkontrolle" (ZfK). So weit ging das Komplott, daß man Kid sogar die Stasi-Kollegen nur mit Decknamen vorstellt: Aus Offizier Kahnt wurde "Kramer". Sein direkter Betreuer, Oberleutnant B., heißt einfach "Christian". Er wird nach der Wende zu Karneys Enttarnung beitragen, getreu dem Spionage-Lehrsatz: Die Gefahr trägt meistens ein bekanntes Gesicht.

Bei der Operation "Luft" hört Kid pikanterweise seine alte Truppe, die "6912th ESG", mit ab. Ebenso das "US-Kommandeursautotelefonnetz Alpha". Der Job unterfordert das Talent des Sprachgenies, die "erarbeiteten Informationen" über die US-Botschaft Ost-Berlins gelten gleichwohl als "bedeutsam", monatlich mit 1400 Ostmark belohnt, 1 500 D-Mark-Devisen pro Jahr extra. Die Medaille für Waffenbrüderschaft gab's dazu. Am Tag des Mauerfalls schiebt er Dienst. Die HVA verabschiedet ihn mit 15 000 Ostmark in die ungewisse Zukunft - er war einer ihrer billigsten Top-Leute.

Warum flüchtet der Mann mit den zwei Leben nicht? Er hatte genug Zeit abzuhauen. Angst war sein Begleiter, die VW-Busse des OSI-Kommandos vor dem Haus fielen ihm sofort auf. Die Vermutung liegt nahe, dass er unbewusst die Enttarnung heraufbeschwor, die Gefahr leugnete wie jemand, der weiß, er ist am Ende einer langen Flucht angelangt, und sich dem Schicksal ergibt.

Die Schlinge zieht sich langsam zu. Karney schult zum U-Bahn-Fahrer um. Da bekommen die Journalisten Paul Limbach und Heiner Emde Stasi-Dokumente in die Hand. Die Dossiers mit Hinweisen zu Kid gehen an den Chef des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz, BfV. Gerhard Boeden gibt die Papiere laut dem Buchautor John O. Koehler an die CIA weiter. Boeden habe dafür später in Fort Meade einen Orden verliehen bekommen. Zudem war dem BfV inzwischen Stasi-Hauptmann Hans-Joachim Lehmann zugeflogen. In der "Geheimen" Überläufer-Liste des Amtes vom Februar 1991 erhält er das Pseudonym "Häuserkampf". Der Offizer kannte Kid bestens: "Genosse Hauptmann Lehmann, HA III" steht prominent auf dem Verteiler einschlägiger Protokolle.

38 Jahre Knast in Fort Leavenworth heißt, lebendig begraben sein. Im Gefängnis verflucht Häftling Carney insbesondere zwei Berliner. Kid quält, dass ihn Bekannte ins Nichts gestoßen haben sollen, die er für Freunde hielt. Über einen "Wolfgang" schreibt er: "Er ging ca. 1990 zum US-Konsulat und hat mich dort verpfiffen." Der Mann war Gaststättenleiter, sei Stasi-IM gewesen. Zu seinem Betreuer "Christian" notiert der heute 36-jährige Kid: "Er war der Kronzeuge für CIA!" Carney wünscht sich: "Ihm auch das Leben schwermachen."

Der erwähnte Oberleutnant Christian B. gehörte zu den wenigen Stasi-Mitarbeitern, die Kids Anschrift kannten, dort Geburtstag mit ihm feierten. Den Offizier baggerte nach eigener Angabe 1990 ein Ami namens "Mark" an, für ihn "einer von der CIA". Treffs im Hotel Kempinski folgten. Unter "Einwahlnummer 819 und einer Viererziffernfolge" erreicht er ihn auf der Air-Base Tempelhof. B., ein bulliger Athlet, hat harte, lauernde Augen, als er beteuert, Kid sei beim US-Geheimdienst bereits "von anderen geopfert worden": "Die wussten alles!" Will er damit sagen, die waren auch nicht besser als er? Er wehrt der eigenen Verstrickung mit nicht geheurem Bekennermut: "Richten sie Jeff aus: Ich war's nicht!" Schlussendlich erstattet "Mark" ihm 20 000 Mark "Unkosten". Christian arbeitet jetzt als Vertreter für einen Türhersteller. Sein Lieblingswort ist nun "Service". Bei der Frage nach seiner Namensnennung im Artikel verlässt ihn kurz die Coolness. Ob der 45-Jährige Mitleid für den Häftling empfinde? Es dauert, dann entringt sich seiner breiten Brust ein beschämtes "Ja, doch". Aber das sei alles zehn Jahre her. Neun davon sitzt sein Kumpel im Knast.

Über die Entführung Kids durch OSI-Agenten wird amtlicherseits weiter der Mantel des Schweigens gebreitet. Das Kabinett Kohl beließ es in Washington bei müdem "Protest" gegen die "gewaltsame Rückführung", am 4. Februar 1998 von einem "Assistant Secretary of State" entgegengenommen. Der interne Bonner Schriftverkehr lässt keinen Zweifel: die Ergreifung des Spions auf Berliner Boden stellt "eine klare Völkerrechtsverletzung" dar. Besatzungsrecht galt nicht mehr, die USA missachteten die seit fünf Wochen geltende deutsche Souveränität, klauten den Bürger Karney von der Straße weg, "vergelten Unrecht mit Unrecht", wie Kids Freund klagt. Das stärkste Argument taucht in deutschen Stellungnahmen noch nicht mal auf: Nach dem amerikanischen Rechtsgrundsatz "fruit of the poison trees" (Früchte des vergifteten Baums) hätte Kid gar nicht verurteilt werden dürfen, weil er auf Grund illegaler Aktionen vor Gericht kam. Kid gehörte in Deutschland vor den Richter. Das Bonner Einknicken vor der Supermacht ist ein Skandal für sich. Zumal im Prozess herauskam, US-Botschafter Vernon Walters war direkt in den Vorgang eingeschaltet und drängte auf Eile.

Von den Stasi-Kameraden alleingelassen

Bei den Akten liegt ferner der staatsanwaltliche Befund, Kids Verbringung könne "objektiv strafbar gewesen sein". Die in Betracht kommenden Delikte: "geheimdienstliche Agententätigkeit, gemeinschaftliche Nötigung, Freiheitsberaubung, Amtsanmaßung". Dann folgt der Zusatz: Die Taten seien aber bereits 1996 verjährt gewesen. Also gab es auch kein Ermittlungsverfahren gegen die US-Agenten. Die hinterließen bei Kids Freund A. sogar eine Kontaktnummer, im Verfahren trat etwa "Special Agent Barry" auf. Keine Behörde sah im übrigen bisher Carneys Gauck-Akte ein, das einzige Dokument mit Hinweisen auf dessen DDR-Staatsbürgerschaft. Auch nicht das Außenministerium, das heute auf Anfrage trotzdem erklärt: "Eine Einbürgerung durch eine DDR-Behörde ist nie erfolgt." Kids Dossier legt das Gegenteil nahe.

Für Carneys alte Stasi-Kameraden, die so gern über Solidarität schwadronieren, ist die Sache ebenfalls peinlich. Sonst kümmert sich die "Initiative Kundschafter für den Frieden" um verurteilte Spione. Der Extremfall Kid ist dort überhaupt nicht bekannt. Oberst Rogalla hadert mit der eigenen Deklassierung durch die Wende. Ab und an schiebt sich das Bild des ins Nichts gestürzten Carney ins Bewusstsein, rührt an sein schlechtes Gewissen. Er meint aber, selbst Spendenaufrufe in seinen Reihen brächten nicht genug Geld, um ihm einen US-Anwalt zu finanzieren. So verweist in der Stasi-Szene einer auf den anderen. In Wahrheit wird verdrängt, wieviel Menschen Mielkes Klub ins Unglück gestürzt hat.

Der Mann, der Kid war, ist für den Tagesspiegel nicht zu sprechen. Unseren US-Korrespondenten Robert von Rimscha beschied die Gefängnisleitung, es gebe "grundsätzlich nur Besuchererlaubnis für jene, die Carney vor seiner Inhaftierung persönlich kannten". Jeff schreibt an seiner Biografie, erzählt der Freund. Verräter verraten Verräter ist in Wahrheit ein Tragödienstoff.
(Quelle:http://www.trend.infopartisan.net/trd1199/t161199.html)
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon S51 » 31. Mai 2011, 18:55

Presse...
Nicht aktuell. Vielleicht liest er das ja.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon augenzeuge » 31. Mai 2011, 18:59

S51 hat geschrieben:Presse...
Nicht aktuell. Vielleicht liest er das ja.


Richtig, wir hatten das Thema noch nicht ausführlich behandelt. Und vielleicht kommt man ja zu den aktuellen Dingen, wenn man alle über die Vergangenheit informiert....
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon SkinnyTrucky » 31. Mai 2011, 20:42

Schade, das er nich mehr hier ist.....ist er denn nicht noch Mitglied hier....????

Eigendlich hat er nur für ein millitärisches Gleichgewicht gesorgt, wenn man so will....sowas kann ich wirklich nicht verwerflich finden....und die Isolierhaft, in der er saß, war ja mal sowas von daneben....da hatten wir im andern Forum vor etwas länger her ja schonmal drübber gesprochen.....

groetjes

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Berliner » 1. Juni 2011, 02:00

Ich lernte ihn im Chat ein bisschen kennen (auf Englisch). Er hat ein sehr interessantes Leben gefuehrt und dazu ist er ein sehr netter Kollege. [super]

Duane [hallo]
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Merkur » 1. Juni 2011, 05:57

Berliner hat geschrieben: Er hat ein sehr interessantes Leben gefuehrt und dazu ist er ein sehr netter Kollege. [super]

Duane [hallo]


Warst Du auch mal Kundschafter ? [laugh] [laugh]
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 1. Juni 2011, 10:50

Menschlich habe ich ein Problem mit solchen Menschen. Er ist ein Verräter. Dabei unterscheide ich nicht, in welche Richtung verraten wird. Ich habe für einen ehemaligen Ostmitarbeiter der sein Wissen an den Westen verraten hat, genausowenig Sympathie als wenn es in die andere Richtung ginge. Ein Verräter oder ein Spion verrät im Grunde seine eigene Identität. Es ist eigentlich das mieseste was man sich vorstellen kann.

Wenn ich mir den Bericht durchlese, war er aufgrund seiner eingeengten Persönlichkeit, die keine war, doppelt wertvoll. So einen Menschen zu führen bedarf noch nicht einmal großen Aufwandes. Er soll wohl auch bei seinen alten Beziehungen keine Unterstützung mehr finden. Auf deutsch, er ist ein armes und einsames Schwein.

Hier kann man noch einen Bericht des Spiegel nachlesen, ich habe den Link zur PDF nachstehend eingestellt, dadurch sind einige Fotos von ihm dabei:

http://wissen.spiegel.de/wissen/image/s ... humb=false
karl143
 

Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon SkinnyTrucky » 1. Juni 2011, 14:09

karl143 hat geschrieben:Auf deutsch, er ist ein armes und einsames Schwein.


Ja auf jeden Fall Karl....aber es wäre gut, wenn er sich hier noch äussern würde, denn das war garnichma so unwertvoll.....

groetjes uit Trapani...am Rande Europas....

Mara
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Merkur » 1. Juni 2011, 19:12

karl143 hat geschrieben:Menschlich habe ich ein Problem mit solchen Menschen. Ein Verräter oder ein Spion verrät im Grunde seine eigene Identität. Es ist eigentlich das mieseste was man sich vorstellen kann.


Ich glaube @Karl, dass siehst Du zu oberflächlich und einseitig.
Warum verrät ein Kundschafter seine eigene Identität, wenn er beispielsweise aus der DDR übersiedelt wurde und mit einer operativen Identität in ein Zielobjekt eingedrungen ist ? Dann hat er einen ganz klaren Auftrag unter eine fremden oder "geborgten" Identität.
Oder warum verrät ein Kundschafter seine eigene Identität wenn er eindeutig einen Bruch vollzogen und sich der anderen Seite angeboten hat ? Ab diesem Zeitpunkt steht er doch ganz klar auf der Seite, der er sich angeboten hat.
Ist Richard Sorge ein mieser Typ, weil er Hitlers Angriffspläne an die Moskauer Zentrale übermittelt hat ? Für mich stand er ganz eindeutig auf der richtigen Seite.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon augenzeuge » 1. Juni 2011, 19:24

Merkur hat geschrieben:
karl143 hat geschrieben:Menschlich habe ich ein Problem mit solchen Menschen. Ein Verräter oder ein Spion verrät im Grunde seine eigene Identität. Es ist eigentlich das mieseste was man sich vorstellen kann.



Warum verrät ein Kundschafter seine eigene Identität, wenn er beispielsweise aus der DDR übersiedelt wurde und mit einer operativen Identität in ein Zielobjekt eingedrungen ist ? Dann hat er einen ganz klaren Auftrag unter eine fremden oder "geborgten" Identität.


So wie Günter Guillaume?
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Merkur » 1. Juni 2011, 19:36

augenzeuge hat geschrieben:
Merkur hat geschrieben:
karl143 hat geschrieben:Menschlich habe ich ein Problem mit solchen Menschen. Ein Verräter oder ein Spion verrät im Grunde seine eigene Identität. Es ist eigentlich das mieseste was man sich vorstellen kann.



Warum verrät ein Kundschafter seine eigene Identität, wenn er beispielsweise aus der DDR übersiedelt wurde und mit einer operativen Identität in ein Zielobjekt eingedrungen ist ? Dann hat er einen ganz klaren Auftrag unter eine fremden oder "geborgten" Identität.


So wie Günter Guillaume?
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Von mir aus auch G. G., obwohl er unter seiner wirklichen Identität übersiedelt wurde.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Affi976 » 1. Juni 2011, 21:37

nach seiner Rückkehr, lebte er übrigens in Weimar, sogar ziehmlich in der Stadt, in einem Haus, das man als "Stasihaus" kannte. Und um das sich wahre Mythen rankten.
Natürlich wußte keiner davon.
Wenn nötig, gibts auch noch ein Foto dieses Hauses, daß noch genauso aussieht, wie zu DDR -Zeiten!!!!
20 Jahre nicht bewohnt, warum auch immer, ein Jammer, werdet ihr auf den Bildern dann sehen, aber mittlerweile - Totalschaden! Schade, ich hätts genommen, dann hätten wir unsere Treffen dort abziehen können [grins]
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 1. Juni 2011, 22:06

Merkur hat geschrieben:
karl143 hat geschrieben:Menschlich habe ich ein Problem mit solchen Menschen. Ein Verräter oder ein Spion verrät im Grunde seine eigene Identität. Es ist eigentlich das mieseste was man sich vorstellen kann.


Ich glaube @Karl, dass siehst Du zu oberflächlich und einseitig.
Warum verrät ein Kundschafter seine eigene Identität, wenn er beispielsweise aus der DDR übersiedelt wurde und mit einer operativen Identität in ein Zielobjekt eingedrungen ist ? Dann hat er einen ganz klaren Auftrag unter eine fremden oder "geborgten" Identität.
Oder warum verrät ein Kundschafter seine eigene Identität wenn er eindeutig einen Bruch vollzogen und sich der anderen Seite angeboten hat ? Ab diesem Zeitpunkt steht er doch ganz klar auf der Seite, der er sich angeboten hat.
Ist Richard Sorge ein mieser Typ, weil er Hitlers Angriffspläne an die Moskauer Zentrale übermittelt hat ? Für mich stand er ganz eindeutig auf der richtigen Seite.


Merkur,
ich hatte absichtlich geschrieben, welchen menschlichen Wert für mich ein Spion hat - egal für welche Seite er arbeitet. Willst du jetzt mit dem Vergleich auf Richard Sorge den Carney auch als "guten" Spion einordnen? Ich wollte mit meinem Kommentar nur ausdrücken, das ein Mensch, der soetwas macht, sich irgendwie selber verrät. Ob er jetzt von sich aus den ersten Schritt macht oder nicht, ob er in eine Identität eindringt oder sie schon mitbringt. Was macht das für einen Unterschied. Die Spione und Agenten selber genießen doch menschlich eine ganz geringe Anerkennung ihrer eigenen Führer. Warum ist das wohl so. Ich akzeptiere auch, wenn andere da einen anderen Standpunkt haben. Für mich ist so ein Mensch ein Verräter. Das hat auch nichts mit oberflächlich zu tun.
karl143
 

Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon augenzeuge » 1. Juni 2011, 22:20

Eigentlich kann Merkur Carney nicht so einschätzen. Er weiß zu genau, wie man ihn "geworben" hat. Auch dieser junge Mann wurde vom MfS nur verführt....und immer überwacht, letztlich sogar verraten. Denn man traute ihm nie 100%ig. Heute ist ihm das klar geworden....und das macht ihm das Leben in Deutschland nicht so leicht, wie er es gedacht hatte.

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Berliner » 2. Juni 2011, 02:52

Merkur hat geschrieben:Warst Du auch mal Kundschafter ? [laugh] [laugh]


[peinlich]

"Zeitgenosse" ?

..arbeite noch an meinem Deutsch. [blush]

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Berliner » 2. Juni 2011, 03:03

Merkur hat geschrieben:Ich glaube @Karl, dass siehst Du zu oberflächlich und einseitig.


karl143 hat geschrieben:Willst du jetzt mit dem Vergleich auf Richard Sorge den Carney auch als "guten" Spion einordnen?


irgendwie denke ich hat es mit der Motivation der Person zu tun. Nicht zu sagen, dass eine ueberzeugte Person mit "reinem Herzen" immer das Richtige tut, aber immerhin viel besser als einer, der etwas z.B. aus Habgier bewerkstelligt.

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 2. Juni 2011, 05:47

Berliner hat geschrieben:
irgendwie denke ich hat es mit der Motivation der Person zu tun. Nicht zu sagen, dass eine ueberzeugte Person mit "reinem Herzen" immer das Richtige tut, aber immerhin viel besser als einer, der etwas z.B. aus Habgier bewerkstelligt.


Dadurch würde es Spione einer ersten und einer zweiten Klasse geben. Die, welche aus Überzeugung spionieren sind die moralisch besseren ? Das kann es doch nicht sein. Gilt das auch für Bankräuber, z. B. früher die RAF, die aus "einer Art Überzeugung" die Banken ausraubten. Stehen die moralisch besser dar, als der Bankräuber, welcher überfällt um Geld zu haben ?
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Berliner » 2. Juni 2011, 11:10

karl143 hat geschrieben:Dadurch würde es Spione einer ersten und einer zweiten Klasse geben. Die, welche aus Überzeugung spionieren sind die moralisch besseren ? Das kann es doch nicht sein. Gilt das auch für Bankräuber, z. B. früher die RAF, die aus "einer Art Überzeugung" die Banken ausraubten. Stehen die moralisch besser dar, als der Bankräuber, welcher überfällt um Geld zu haben ?


wenn Dir jemand hinten reinfaehrt, weil er stock besoffen ist (Alkoholiker, der weiss er darf nicht fahren) und einer es tut, weil er versucht seine kranke Mutter schnell ins Krankenhaus zu fahren (war einfach zu schnell), ordnest Du das anders ein, oder ?

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 2. Juni 2011, 12:47

Duane,
das ginge schon in Richtung des übergeordneten Notstandes. Obwohl er hier nicht erfüllt wäre. Trotzdem kann es bei einem Verbrechen wie Spionage kein gut oder böse geben. Es ist ein Verbrechen.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Luchs » 2. Juni 2011, 14:31

Spionieren sollte in der Regel das Gefühl, etwas für die "richtige Sache" zu tun beinhalten. Was die richtige Sache ist, und was man für die richtige Sache hält, ist nicht immer das Gleiche. Zumal niemand ganz genau weiß, was die richtige Sache ist. Also setzt diese Tätigkeit entweder eine starke Überzeugung der eine ziemliche Naivität voraus. Natürlich gibt es auch andere Gründe: Geldgier, James-Bond-Gefühl, ... .

Wie soll man nun einen Spion beurteilen? Natürlich hat man eher Sympathie zu einem Spion, der der eigenen "richtigen Sache" dient, als zu dem, der gegen diese richtige Sache agiert. Aber da beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz. Was ist denn nun die richtige Sache?

Somit gehe ich überwiegend konform mit Karl-Heinz' Äußerungen. Allerdings möchte ich erwähnen, dass auch ich bereits einige Chats mit Kid hatte. Von dort ist er mir als sympathischer Man in Erinnerung. Es wäre schön, wenn er hier mal auftauchen würde und Stellung nehmen könnte.
Viele Grüße [hallo]
Micha
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Thomas 1948 » 2. Juni 2011, 16:24

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Berliner » 4. Juni 2011, 13:42

karl143 hat geschrieben:Trotzdem kann es bei einem Verbrechen wie Spionage kein gut oder böse geben. Es ist ein Verbrechen.

genauso war das illegale uebertreten der Grenze in der DDR ein "Verbrechen".

Spione gehoeren mMn bestrafft, doch zu sagen, dass sie alle "Verräter" sind und, dass das "das mieseste was man sich vorstellen kann [ist]" muss nicht immer zutreffen, oder ?

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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 4. Juni 2011, 13:49

Hallo Duane,

das kann man Mn nicht vergleichen. Das Überschreiten der DDR Grenze war in der DDR ein Verbrechen. Nicht in der Bundesrepublik. Spionage wird aber überall auf der Welt als Straftat geahndet und dementsprechend geurteilt. Aus diesem Grunde meine Meinung, das es keine guten und keine schlechten Spione gibt. Es sind eben Spione, Agenten oder wie man sich auch immer nennen will.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Merkur » 5. Juni 2011, 09:30

karl143 hat geschrieben:Hallo Duane,

Spionage wird aber überall auf der Welt als Straftat geahndet und dementsprechend geurteilt. Aus diesem Grunde meine Meinung, das es keine guten und keine schlechten Spione gibt. Es sind eben Spione, Agenten oder wie man sich auch immer nennen will.


Ich sage mal, ein Kundschafter kann doch aber einer guten Sache dienen. Als Sorge beispielsweise für die Moskauer Zentrale Informationen aus Japan beschaffte, diente er damit der Zerschlagung des Faschismus. Also ist er doch ein "guter Spion", der der richtigen Sache diente und dafür sein Leben gab. Ich jedenfalls habe Hochachtung vor Menschen wie Richard Sorge, Ruth Werner u.v.a.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 5. Juni 2011, 10:25

@ Merkur,

hast du denn auch Verständnis und Hochachtung für Spione wie Werner Stiller. Seine Arbeit diente ja auch der Zerschlagung einer Diktatur. Wenn du wirklich so wie im erstgenannten Fall denkst, müßtest du Stiller auch sympathisch finden.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Merkur » 5. Juni 2011, 11:01

karl143 hat geschrieben:@ Merkur,

hast du denn auch Verständnis und Hochachtung für Spione wie Werner Stiller. Seine Arbeit diente ja auch der Zerschlagung einer Diktatur. Wenn du wirklich so wie im erstgenannten Fall denkst, müßtest du Stiller auch sympathisch finden.


1. Ist Stiller für mich ein Karrierist und kein Mensch der aus rein ideologischen Motiven heraus handelte.
2. Ist für mich kein wesentlicher Beitrag Stillers erkennbar, der zur Zerschlagung der DDR beitrug.
3. Lief Stiller zu einer Behörde über, die sich maßgeblich aus Personen mit brauner Vergangenheit gründete und dem Gegenteil von Sorge entsprach.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon augenzeuge » 5. Juni 2011, 11:04

karl143 hat geschrieben:@ Merkur,

hast du denn auch Verständnis und Hochachtung für Spione wie Werner Stiller. Seine Arbeit diente ja auch der Zerschlagung einer Diktatur. Wenn du wirklich so wie im erstgenannten Fall denkst, müßtest du Stiller auch sympathisch finden.


Ich denke, Merkur war nie an der Zerschlagung der DDR-Diktatur interessiert, da er sie erstens mit der des dritten Reiches nicht vergleichen kann bzw. wird und zweitens grundsätzlich davon überzeugt ist, dass man einer guten Sache dienen wollte. Darüberhinaus kann er sicher nie den Fall Stiller objektiv einschätzen, da er zu stark bei denen involviert war, die ihn gejagd haben und ihn am liebsten dort gesehen hätten, wo Teske endete..... man kann es auch befangen nennen. Stimmts Merkur?
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon Merkur » 5. Juni 2011, 13:02

augenzeuge hat geschrieben: Ich denke, Merkur war nie an der Zerschlagung der DDR-Diktatur interessiert, da er sie erstens mit der des dritten Reiches nicht vergleichen kann bzw. wird und zweitens grundsätzlich davon überzeugt ist, dass man einer guten Sache dienen wollte. Darüberhinaus kann er sicher nie den Fall Stiller objektiv einschätzen, da er zu stark bei denen involviert war, die ihn gejagd haben und ihn am liebsten dort gesehen hätten, wo Teske endete..... man kann es auch befangen nennen. Stimmts Merkur?
AZ


AZ,
ich weiß nicht, wie Du zu obiger Einschätzung kommst.
Objektiv bedeutet für mich neben vorurteilsfrei auch sachlich und tatsächlich über etwas zu reden/zu schreiben. Du kannst mir glauben, dass ich die Fälle Stiller, Teske und auch ähnlich gelagerte Fälle davor und danach ganz gut kenne. Ich habe mich zu Teske mehrfach geäußert und betont, dass ich das Urteil für übezogen halte. Meine Meinung zur Todesstrafe habe ich auch mehrfach unmissverständlich kundgetan, daher ist mir insbesondere die markierte Passage unverständlich.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon augenzeuge » 5. Juni 2011, 13:23

Merkur, eventuell habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Ich meinte, nicht, dass du für Stiller die Todesstrafe letztlich unterstützt hast oder hättest, aber einige Führungseliten des MfS (welche dir mehr oder weniger beruflich nahestanden) haben dies doch getan. Und welche Anstrengungen man unternommen hatte, um ihm habhaft werden zu können, weißt du besser als ich.

Gegenüber dem Verrat von Teske, der in Wirklichkeit nicht vollendet wurde, war der Verrat von Stiller doch deutlich größer. Deshalb war 100%ig sicher, wass ihm gedroht hätte......und ich geh davon aus, dass dies niemand hätte verhindern können.
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Re: Stasi-Spion US-Sergeant Jeffrey Martin Carney

Beitragvon karl143 » 5. Juni 2011, 15:46

Merkur hat geschrieben:
karl143 hat geschrieben:@ Merkur,

hast du denn auch Verständnis und Hochachtung für Spione wie Werner Stiller. Seine Arbeit diente ja auch der Zerschlagung einer Diktatur. Wenn du wirklich so wie im erstgenannten Fall denkst, müßtest du Stiller auch sympathisch finden.


1. Ist Stiller für mich ein Karrierist und kein Mensch der aus rein ideologischen Motiven heraus handelte.
2. Ist für mich kein wesentlicher Beitrag Stillers erkennbar, der zur Zerschlagung der DDR beitrug.
3. Lief Stiller zu einer Behörde über, die sich maßgeblich aus Personen mit brauner Vergangenheit gründete und dem Gegenteil von Sorge entsprach.


Es geht doch hier garnicht um einzelne Personen. Stiller war ein Beispiel. Ich hätte auch jeden anderen nennen können. Merkur, du legst hier aber deine eigenen festgelegten Maßstäbe an. Wahrscheinlich sind dann alle "Kundschafter" Menschen, welcher der Menschheit was gutes tun wollten. Andersherum sind aber alle Spione, die nur aus Karrieregründen oder finanziellen Vorteilen spioniert haben.

Zu 2 muß man es so sehen, das jeder Verrat irgendwelcher Geheimnisse der DDR weh tat und sie damit auch schwächte.
Zu deinem 3. Punkt fällt mir nur ein, das im Verfassungsschutz oder auch im BND 1979 wohl nur noch ganz wenige Altnazis vorhanden war. Ich rede jetzt von solchen, die im dritten Reich auch schon Verantwortung hatten. Das käme vom Lebensalter und der Pensionsgrenze die es im Westen gab garnicht hin.

Merkur, wenn du das Gute bei den Taten so heranziehst: Wie interpretierst du denn die Tatsache, das im Raum Bitterfeld Umweltgruppen Meßergebnisse und Filme heimlich drehten und aus der DDR herausschmuggeln ließen, um sie dann im westdeutschen Fernsehen zu veröffentlichen. Anschließend ga es ja wohl Verhaftungen und Verurteilungen. Diese Leute haben auch nicht aus finanziellen Gründen so etwas getan, sie haben es sogar für den eigenen Staat und deren Menschen getan.

Sind das also für dich auch Gutmenschen ? Das würde ich jetzt gerne wissen.
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