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Die Heimerziehung in Deutschland entstand aus der Armenfürsorge im Mittelalter. Neben Kindern und Jugendlichen wurden in Armenhäusern Alte, Kranke und geistig Verwirrte versorgt. Armenhäuser waren z. T. geschlossene Anstalten. In der Neuzeit wurden zunehmend Waisenhäuser gegründet, die neben der reinen Versorgung auf die Erziehung verwaister und verwahrloster Kinder und Jugendlichen abzielten bspw. das „Rauhe Haus“ in Hamburg von Wichern.
Diese beiden Entwicklungslinien der Heimerziehung sind
in der alten Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre erkennbar: Aus der Armenfürsorge entwickelten sich Fürsorgeerziehungsheime, in denen bis zu mehrere hundert Zöglinge
unter strafvollzugsähnlichen Bedingungen getrennt nach Geschlechtern lebten. Hier wurden straffällige, sozial auffällige, geistig oder körperlich behinderte oder psychisch kranke Kinder und Jugendliche diszipliniert und
aus dem öffentlichen Leben verbannt. In den Waisenhäusern entwickelten sich z. T. ambitionierte Konzepte zur Erziehung alleinstehender Kinder und Jugendlicher in alters- und geschlechtsgemischten familienähnlichen Gruppen. Die Zweiteilung fand schließlich in den 1920er Jahren ihren Niederschlag im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz (vgl. Jugendwohlfahrtsgesetz), wo zwischen Fürsorgeerziehung und Hilfe zur Erziehung unterschieden wurde.
Bundesrepublik Deutschland
Ein evangelisches Kinderheim 1957 in Frankfurt
In der Zeit nach dem Krieg beschäftigten die ca. 3000 Heime und Anstalten häufig noch dasselbe Personal, das bereits während der Zeit des Nationalsozialismus dessen Erziehungskonzepte umgesetzt hatte. Immer wieder kam es zu willkürlichen und entwürdigenden Bestrafungen oder die Fürsorgezöglinge wurden eingesperrt. Sie waren rechtlos. Oft mussten sie gewerbliche Tätigkeiten ausüben, ohne dafür vergütet zu werden und ohne rentenversichert zu sein. Viele Jugendliche wurden auch an Bauern verliehen, um dort zu arbeiten. Den Bauern wurde dabei oft die Pflegschaft über die Kinder und Jugendlichen übertragen. Die Behandlung war oft menschenunwürdig. Die Jugendlichen wurden als billige Arbeitskraft gebraucht, da ein Pflegschaftsverhältnis kein Arbeitsverhältnis sein kann, weil es sich gegenseitig ausschließt. Eine berufliche Bildung kam ihnen dabei nicht zu Teil.[6] Viele der Missstände wurden dadurch möglich, dass die Heimaufsicht in dieser Zeit praktisch auf ganzer Linie versagte. Dies hatte strukturelle Gründe, denn Leistungserbringung und die Aufsicht darüber lagen in einer Hand bei ein und derselben Behörde.
1953 wurde das RJGW durch das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) abgelöst und 1961 novelliert. Die Zuständigkeit für die Heimaufsicht wechselte vom Bund auf die Länder. Obwohl verbesserte rechtliche Bedingungen geschaffen wurden, änderte sich die Lage der Kinder und Jugendlichen in der Fürsorge zunächst kaum. Das neue Recht verpflichtete Fürsorgeeinrichtungen und Pflegestellen auf das Kindeswohl. Pflegekinder durften nur noch zu häuslichen und familiären Arbeiten herangezogen werden, die ihren Kräften entsprachen und ihre körperliche, geistige und sittliche Entwicklung nicht beeinträchtigten.
Die Kritik an den ungeeigneten, herabwürdigenden und willkürlichen Erziehungsmethoden (vgl. Schwarze Pädagogik) wurde immer stärker. Durch Skandale, wie z. B. den
sexuellen Missbrauch durch Erziehungspersonen, wurden die Missstände immer bekannter. Einer größeren Öffentlichkeit wurden die skandalösen Zustände in der Heimerziehung durch die „Heimkampagne“ der Studentenbewegung der 1960er-Jahre zugänglich gemacht. Hier engagierten sich auch Andreas Baader und Ulrike Meinhof, die das Drehbuch für den Film Bambule schrieb, in dem die Missstände in den Heimen thematisiert wurden. In der so genannten „Heimrevolte“ flohen viele Jugendliche aus den Heimen und wurden von Studenten-Wohngemeinschaften aufgenommen oder sie wurden Trebegänger. Die Revolte führte zur Veränderung der Konzepte in der Heimerziehung und zur Entwicklung eines erweiterten Kanons der Hilfen zur Erziehung. Entsprechend benannte sich die „Internationale Gesellschaft für Heimerziehung“ in „Internationale Gesellschaft für Erzieherische Hilfen“ um[7][8].
Literatur1972 erschien der Jugendroman „Orte außerhalb“ des Schriftstellers Wolfgang Gabel, der das Schicksal eines Heimkindes behandelt.
Der 2004 erschienene, nicht autobiografische Jugendroman „Heim“ der heimerfahrenen Kölner Schriftstellerin Mirijam Günter beschreibt die vergebliche Flucht einiger Heimkinder. Günter kritisiert drastisch die Heimerziehung in Deutschland (ISBN 3-920110-27-7).
2001 erschien die autobiografische Erzählung „Misshandelte Zukunft“ von Harry Graeber. Graebers Schilderungen der eigentümlichen Heimwelt der Nachkriegsjahre und ihrer fragwürdigen Erziehungsmethoden sollen jedoch nicht als Anklage verstanden werden, sondern lediglich die autobiographische Situation wiedergeben. Neuauflage 2006 unter dem Titel „Misshandelte Zukunft – Erschütternder Erlebnisbericht eines Heimkindes im Nachkriegsdeutschland“ (ISBN 3-937624-60-0)
2006 ist das Buch „Schläge im Namen des Herrn“ von Peter Wensierski erschienen. In diesem Buch geht es um die bisher wenig öffentlichen Lebensbedingungen von Heimkindern in Deutschland in den Jahren 1950 bis 1970. Systematische Kinderarbeit sowie Prügel und Erniedrigungen bei geringsten Anlässen scheinen nach Aussagen des Buches eher die Regel als die Ausnahme gewesen zu sein. Das Buch besteht zu großen Teilen aus Reportagen von ehemaligen Heimkindern, die mittlerweile 40 bis 60 Jahre alt sind (Deutschen Verlags-Anstalt, ISBN 3-421-05892-X).
2006 erschien auch das Buch „Heimerziehung. Lebenshilfe oder Beugehaft?“ von Alexander Markus Homes in einer Neuauflage mit dem Untertitel „Gewalt und Lust im Namen Gottes“, in dem er auch aktuelle Fälle von Missständen in kirchlichen Einrichtungen schildert (ISBN 3-8334-4780-X).
2009 erschien der Kriminalroman Kleine Aster von Moritz Wulf Lange, der unter anderem durch eine Rezension von Wensierskis Buch inspiriert wurde[25] und, neben anderen, auch das Motiv der Misshandlungen in Kinderheimen aufgreift. (Bloomsbury Berlin, ISBN 978-3-8270-0793-3).
2010 erschien das Buch Die ungeliebten Kinder. Endstation Heim? von Dagmar Wortham. Dieses Buch erzählt von den Zuständen in österreichischen Heimen, es schildert Schicksale von Heimkindern, den emotionalen Auswirkungen erlebter Traumata und der Hilflosigkeit der Betreuer auf Grund mangelnder Ausbildung und mangelnder Mittel hier speziell gegensteuern zu können und der daraus resultierenden Resignation auf beiden Seiten. [26] (Goldegg Verlag, Wien, ISBN 978-3-902729-03-3).
2012 erschienen im Auftrag der Bundesregierung die Expertisen "Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR" von Ruth Ebbinghaus, Karsten Laudien, Christian Sachse, Martin Sack und Frederike Wapler (
http://www.agj.de/Detail.132.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=732&cHash=c6b56f99b09e16add4f50ef36f298e5b). Es ist die wohl solideste Darstellung der Heimproblematik der DDR.
Andreas Völker: Stromzeit - Erinnerungen an das Kinderheim Schloss Beuggen. 2011, ISBN 978-3-942066-03-7.
Volker Rhein (Hrsg.): Moderne Heimerziehung heute - Beispiele aus der Praxis. 3 Bände; Frischtexte Verlag, Herne 2009/11, ISBN 978-3-933059-40-6.
Johann Lambert Beckers: Protokoll eines Heimkindes. Edition Beckers - Tatort: Dalheim Rödgen Kinderdorf St. Josef NRW
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VG Affi