Peinigen und brechen - Schicksale in DDR-Kinderheimen

Re: Peinigen und brechen - Schicksale in DDR-Kinderheimen

Beitragvon Volker Zottmann » 21. Januar 2019, 21:50

Nostalgiker hat geschrieben:Bevor du hier unwissend rumschwätzt Interessierter schau dir einfach den Film "Freistatt" an.
Anschließend erzähl uns das es damals im Westen humaner war .....

Übrigens ist der Film auf allen 'deutschen' Streaminportalen komischerweise nur als "Kaufvideo" verfügbar; ein Schelm der da schlechtes denkt .......


Warum machst Du denn nicht selbst den passenden Thread auf?
Wenn dieser nicht passt, bleib doch einfach still. Hier wird DDR-Unrecht angeprangert. Nichts Anderes!

Gleiches kannst Du doch für die alten Bundesländer eröffnen.
So aber empfinde ich Deine Einlassungen als böswilliges Stören und Verächtlichmachen. (Lies Deinen 1. Satz!)

Volker
Volker Zottmann
 

Re: Peinigen und brechen - Schicksale in DDR-Kinderheimen

Beitragvon Interessierter » 9. Februar 2019, 14:46

Freigelassene Erinnerung

Bild
Keine gemeinsame, aber eine vergleichbare Vergangenheit: Manche der ehemaligen Heiminsassen fühlen noch die Wut und Verzweiflung von damals. Sie möchten gehört und ernst genommen werden. Nicht alle Teilnehmer wollten aufs Bild. © Foto: MZV/Heike Weißapfel


Zehlendorf (MZV) Sie kannten sich bisher nur vom Telefon und von Kontakten auf Roland Herrmanns Internetseite "Kindergefängnis Bad Freienwalde". Jetzt haben sich die ehemaligen Heimkinder erstmals getroffen - und viele Gemeinsamkeiten entdeckt.

Ein gutes Dutzend Frauen und Männer ist gekommen. Sie sehen sich zum ersten Mal, aber sie verstehen sich sofort. Kinder tollen durch den Garten der Zehlendorfer Gastgeberin. Grillfleisch und Salat, dazu gibt's Kaffee, Bier und Likör - eine fröhliche Runde. Doch als Roland Herrmann, der Vorsitzende ihres nicht eingetragenen Vereins, kurz um Ruhe bitten will und dazu mit einem Bund großer altmodischer Schlüssel gegen die Metallstreben des Partyzeltes klopft, fahren viele erschrocken zusammen. Sofort ist sie wieder da, die Erinnerung an die einstigen Erzieher, die mit Schlüsseln warfen und schlugen.

"Das war gar nicht so gut", murmelt Werner Lampe später leise. Er ist aus der Lausitz mit seiner Frau Kerstin gekommen, die seine Hand streichelt und manchmal auch für ihn erzählt. Leicht war es für sie und ihre beiden Söhne nicht mit ihm, sagt sie. Er ist immer neidisch gewesen auf die Jungs, die von ihrer Mutter geliebt wurden, sagt Lampe, der den Namen seiner Frau angenommen hat, weil er aus seiner Familie endgültig rauswollte. Auch das haben viele gemeinsam: die Eltern, bei denen sie nicht erwünscht waren. Als Werner Lampe selbst erst 14 Tage alt war, haben ihn seine Eltern zu den damals bereits alten Großeltern gebracht, denen der Junge zu viel war. Zu Hause durfte er nichts, da habe er eben in der Schule den Kasper gemacht - das war dem Schulleiter zuviel, und so landete er in Bad Freienwalde.

Auch die anderen hat diese Vergangenheit nie ganz losgelassen. Einige leiden unter Schlafstörungen oder posttraumatischen Erkrankungen. In dem Heim, das früher als Gefängnis diente und 1987 geschlossen wurde, seien viele Weichen fürs spätere Leben gestellt worden. "Aber das musste heute erst mal beweisen!", sagt Roland Herrmann bitter. Manche der Heimkinder haben bis heute Angst vor Behörden, andere packt eher die Wut, weil sie sich verhöhnt fühlen.

"Durchgangsheim, Jugendwerkhof, Knast - das war eine Karriere", sagt Carina, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte. Die damals 14-Jährige landete in Bad Freienwalde, weil sie öfter von zu Hause weglief. Ihr Vater hat sie unter Tränen an dem Haus mit den vergitterten Fenstern abgeliefert, in dem sie dann sechs Wochen bleiben musste, erinnert sich Carina, die aus dem Süden Brandenburgs stammt und heute in Oberhavel lebt. "Du bist ein Geschwür am Arsch des Sozialismus", habe sie dort erfahren.

Carina sagt aber auch unumwunden: "Aus Opfern werden Täter. Wer neu war, wurde fertig gemacht - und irgendwann kam die Nächste." Mit ihren eigenen Kindern sei sie selbst später nicht immer gut umgegangen.

"Das Schlimmste waren die ersten Tage in der Einzelzelle", sagt Klaus-Peter Struck. Zelle 5, ein schmaler Raum, aus dem die Pritsche tagsüber entfernt wurde. Da saß der 13-Jährige, der die Schule geschwänzt und im HO-Laden geklaut hatte, auf einem Hocker. Zweites "Möbelstück" war der Eimer mit dem Deckel. "14 Tage in dieser Zelle, da bist du echt versauert." Zehn Monate wurden es insgesamt, bevor der Junge aus Weißenfels immerhin in einen offenen Jugendwerkhof kam. Struck zog nach der Wende nach Delmenhorst.

Klaus-Peter Struck spricht oft mit seiner Familie über diese Zeit und scheint selbstbewusst. "Ich muss mich doch nicht dafür schämen." Auf das Treffen hat er sich in gewisser Weise gefreut. "Ich sehe das Treppenhaus genau vor mir, den Weg zur Dusche." Die anderen nicken. "Einer hat so die Haut unterm Kinn verdreht", macht er vor. Der "Entengang" war keine Sportübung, sondern reine Schikane. Werner Lampe streckt die Unterarme vor. "20 Minuten in der Hocke mit einem Blatt Papier auf den Armen." Wieder wird genickt. Es ist lange her, aber die Erinnerungen sind präsent.

Detlef Jablonski holt seine Gitarre aus dem Auto. Musik ist seine Art, die Trennung von der Mutter, die Zwangsadoption zu verarbeiten. "Wenn ich ein Stasi-Spitzel wär', hätte ich es heute nicht so schwer", singt der Liedermacher mit Inbrunst in den dämmernden Abend.

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