Flucht gescheitert, aus DDR-Knast freigekauft

Flucht gescheitert, aus DDR-Knast freigekauft

Beitragvon Interessierter » 24. November 2018, 02:51

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jung, fit, tatendurstig: Peter Kloimstein, eine DDR-Hoffnung. Foto:KN

Mönchengladbach Peter Kloimstein hat Generationen von Schülern an Gladbacher Gymnasien unterrichtet. Bekannt wurde der gebürtige Leipziger aber in erster Linie durch Hockey - unter anderem 22 Jahre als Spieler und später Trainer des GHTC. Und bis vor kurzem noch in den Niederlanden.

Als er am 14. November 1972 im Auffanglager Gießen ankam, hatte Peter Kloimstein "nicht mehr dabei als Hemd, Hose und meinen Haftentlassungsschein", erzählt er. An diesem Tag entlassen aus dem DDR-Strafvollzug, freigekauft für 130 000 D-Mark von der Bundesregierung in Bonn. 26 war er, der einstmals privilegierte Profisportler der Deutschen Demokratischen Republik, dessen schwimmender Fluchtversuch eineinhalb Jahre zuvor durch die Mündung der Drau in die Donau bei Bratislava vom Sperrfeuer der tschechoslowakischen Grenzsoldaten gestoppt worden war. "Ich wollte nicht mehr in der DDR leben, sondern die Freiheit im Westen", nennt der heute 69-Jährige den Grund für seinen Fluchtversuch.

Drei Jahre und sechs Monate Haft wegen versuchter Republikflucht lautete das Urteil der DDR-Justiz, abzusitzen in Cottbus und Berlin-Rummelburg. Doch Peter Kloimstein kam aus einer Familie, die in Leipzig bis zur Wende ihre Chemiefabrik betreiben durfte, weil sie international gültige Patente besaß. Und sie kannte einen Weg, wie dem Sohn zu helfen war: Da gab es den "Freikauf" politischer Häftlinge oder "Ausreisewilliger" durch die Bundesrepublik. Kloimsteins Mutter stellte die Verbindung her zum DDR-Anwalt Wolfgang Vogel und seinem bundesrepublikanischen Kollegen Jürgen Stange, die diese inoffiziellen, von der DDR tolerierten, weil devisenbringenden "Deals" aushandelten und Peter Kloimsteins Entlassung mit Abschiebung erreichten.

Und dann lernte er bei Ferienlagern in Prerow auf der Halbinsel Darß junge Tschechen kennen, darunter Milena, die seine Freundin wurde. Und staunte: "Das waren ganz andere Menschen als wir, fröhlich, freier. Sie hörten und machten eine Musik, die bei uns in der DDR nicht gerne gehört wurde. Es war ein ganz anderes Lebensgefühl, sensationell für uns. Da begann ich zu reflektieren, welches Leben ich in der DDR zu erwarten hatte. Mein großes Ziel, die Olympischen Spiele, hatte ich ja auch 1968 nicht erreicht."

So wuchs Stück für Stück der Traum vom freien Leben in der Bundesrepublik. Und er wurde bereit, dafür seine Privilegien in der DDR aufzugeben: Nur sechs Wochen Kurzausbildung in der Nationalen Volksarmee statt eineinhalb Jahre, die schöne Wohnung in Leipzig, den "Trabbi", auf den normale DDR-Bürger zehn Jahre warten mussten, die Reisen zu Spielen ins Ausland. "Ich hatte schon darüber nachgedacht, mich dabei abzusetzen. Doch das Risiko war mir angesichts all der Aufpasser, die uns immer begleiteten, zu groß. Dabei wäre es im Nachhinein wohl besser gewesen", sagt er. "Jörg Berger, der spätere Trainer in der Fußball-Bundesliga, mit dem ich in Leipzig zusammen die Trainerausbildung im Fußball gemacht habe, hat es 1979 in Jugoslawien gewagt - und es hat geklappt."

Peter Kloimstein versuchte es neun Jahre zuvor schwimmend - mit ganz bösem Ende. Ein Bruder seiner Freundin Milena, Soldat an der österreichisch-tschechischen Grenze bei Bratislava, hatte einen Tipp gegeben, wo und wann man hinüberschwimmen könne. Gemeinsam mit zwei Freunden wagte Peter in der Nacht die Flucht. "Doch einer von uns schwamm längst nicht so gut wie er glaubte. Wie kamen nicht schnell genug voran, und plötzlich waren wir im Licht der Suchscheinwerfer, schossen die Tschechen Sperrfeuer. Wir mussten aufgeben und wurden gefangen genommen." So landete er für eineinhalb Jahre im DDR-Strafvollzug: "Es war die schrecklichste Zeit meines Lebens." Er war unglaublich froh, als er freigekauft wurde.

https://rp-online.de/nrw/staedte/moench ... d-21936913
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