Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Beitragvon Interessierter » 19. August 2016, 15:29

Gefangenenchor mit Deutschlandlied

Am 4. Juli 1954 strahlte das Fernsehen in der DDR wie die meisten Sender Europas das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Ungarn und der Bundesrepublik aus. Eine Stunde vor Spielbeginn erfuhr der ostdeutsche Radioreporter Wolfgang Hempel, dass seine Radioübertragung zugleich der Fernsehkommentar sein würde. Hempel war Fußballfan und Fußballfachmann. Bis heute wird er als überaus fachkundig und sachlich geschätzt. Im Gegensatz zu seinem westdeutschen Kollegen Herbert Zimmermann blieb Hempel auch dann noch ruhig, als die Deutschen in Führung gingen. Hempel kommentierte: "Schäfer flankt, Schäfer flankt, da ist Rahn, da, Rahn schießt, nein dribbelt, schießt – Tooor, Tor." Seine Stimme war heiser, durchaus aufgeregt. Was aber dann folgte, war im Radiozeitalter alles andere als typisch und normal. Wolfgang Hempel schwieg nach dem letzten Wort genau 40 Sekunden lang, für eine Radioübertragung eine schier unendlich lange Zeit.

Was sollte er auch tun? Er selbst war, wie viele Zeitgenossen, Anhänger des ungarischen Wunderteams. Mit Ideologie hatte diese Begeisterung nichts zu tun. Zugleich waren ihm von den Funktionären Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg in die Schweiz gegeben worden: "Eure richtigen Freunde", erinnerte sich Hempel 2003, "sind die Ungarn." Die bundesdeutsche Mannschaft sollte wie jede andere nüchtern und sachlich kommentiert werden. Diesem Auftrag kam Hempel nach – bis zur 84. Minute, als er offenbar nicht mehr genau wusste, was er nun tun solle. Freute er sich zu stark, hätten ihm die Ideologiewächter vorwerfen können, Stimmung für den Klassenfeind zu machen. Würde er die drohende Niederlage für das "befreundete" Ungarn beklagen, stieße er bei seinen Zuhörern auf Ablehnung – in der DDR drückte fast jeder Fußballfan der Mannschaft aus der Bundesrepublik die Daumen. Die deutsche Teilung war bei solchen und anderen Sportveranstaltungen – außer bei den Olympischen Spielen von 1956 bis einschließlich 1964 – an den unterschiedlichen deutschen Mannschaften sichtbar. Die ostdeutschen Zuschauer fieberten aber dennoch gesamtdeutsch und drückten bundesdeutschen Sportlern die Daumen, nicht selten stärker als den ostzonalen. Wolfgang Hempel entschied sich spontan für das Schweigen – ein in der Radiogeschichte nicht alltäglicher Vorgang.


Ein Jahr zuvor, am 17. Juni 1953, hat­ten Hunderttausende Ostdeutsche in über 700 Städten und Gemeinden für Freiheit und Einheit demonstriert. An vielen Orten war damals das Deutschlandlied, zumeist die 3. Strophe, gesungen worden. Es war zu einem der Symbole der gescheiterten Revolution von 1953 geworden. Nun, 1954, mussten die Machthaber solche Massenkundgebungen nicht fürchten. Sie hatten die Lektion des Aufstands zumindest sicherheitspolitisch verstanden und gelernt. Und dennoch: Verhindern konnten sie es nicht, dass in vielen Orten, zumeist in Gastwirtschaften, nach dem Sieg der Deutschen die vor dem Radio versammelten Männer spontan aufstanden und das Deutschlandlied intonierten. Als ein Gefangenenchor besonderer Güte ging der Gesang Tausender Häftlinge, darunter viele aus politischen Gründen Verurteilte, im Zuchthaus Brandenburg in die Geschichte ein. Die Häftlinge durften über den Lagerfunk die Reportage von Hempel verfolgen. Nach dem letzten Pfiff des Schiedsrichters begann jemand mit dem Deutschlandlied, das fast alle Häftlinge schnell mitsangen. Ein singulärer Vorgang in der Geschichte der DDR-Gefängnisse.

Den interessanten und längeren Beitrag findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -60/06016/

Auch nach dem mit Panzern unterdrücktem Volksaufstand zeigte sich, was die Deutschen in der SED - Diktatur wirklich bewegte. Nämlich in Freiheit in einem wiedervereinigten Deutschland zu leben.
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Re: Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Beitragvon karnak » 19. August 2016, 15:46

Meine Fresse,mir kommen gleich die Tränen.
1953 war die faschistische Ideologie noch weit verbreitet und tief verwurzelt. Die "Schmach" über den verlorenen Krieg gegen das Untermenschentum saß tief. Und dann der Weltmeister,wenigstens ein Endsieg,dass war Öl für die immer noch verletzte großdeutsche Seele,nichts weiter war das,zumindest war es ein wesentlicher Punkt. Eine Haltung,die auch heute noch bei diversen "Sommermärchen" auf den Fanmeilen immer wieder durchschimmert .
In den Stadien singt man immer gerne mal die erste Strophe dieses unseglichen "Liedes der Deutschen ",wenn der Text zum Spielergebnis passt.Das lässt man natürlich der Volksgemeinschaft über die öffentlich rechtlichen Sender nicht hören.
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Re: Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Beitragvon Interessierter » 19. August 2016, 16:47

Was Du doch nur für ein schlaues Kerlchen bist und glaubst zu wissen, dass nach dem Ende des Spiels, die Deutschen nichts besseres zu tun hatten, als an die Niederlage gegen die " Untermenschen " zu denken... [flash]
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Re: Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Beitragvon karnak » 19. August 2016, 16:59

Interessierter hat geschrieben:Was Du doch nur für ein schlaues Kerlchen bist und glaubst zu wissen, dass nach dem Ende des Spiels, die Deutschen nichts besseres zu tun hatten, als an die Niederlage gegen die " Untermenschen " zu denken... [flash]

[grin] Ich kann es nur nicht tiefgründig beweisen, dass ein paar dieser Fussball Nasen so ticken.Ich weiß aber,dass es so ist,noch nicht mal zu ändern,man muss es hinnehmen, so funktioniert er nun mal der Mensch,zumindest der nicht unerhebliche Teil der eigentlich selbst nichts auf der Pfanne hat. Und so soll es noch nicht mal eine Kritik sein,nur eine nüchterne Feststellung. Was mich betrifft,ich halte mich von solcher Art "Sommermärchen " aus diesem Grunde fern,möchte vor mir selbst da nicht zugehören. Wenn schon Fußball, dann schaue ich zu und freue mich wenn es ein gutes Spiel ist.Das singen peinlicher Lieder und hochhalten irgendwelcher Bundeswimpel tue ich mir selbst nicht an. [flash]
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Re: Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Beitragvon Interessierter » 19. August 2016, 17:20

Zitat karnak:
[grin] Ich kann es nur nicht tiefgründig beweisen, dass ein paar dieser Fussball Nasen so ticken.


Einmal ging es hier nicht nur um " ein paar Nasen " und desweiteren frage ich mich wie Du etwas tiefgründig beweisen willst oder beurteilen kannst, was zu einer Zeit geschah, als Du vielleicht noch nicht einmal geboren warst oder noch in die Hose ge.... hast.

Mein Großvater hätte Dir auf plattdeutsch gesagt: " Du bis een Meckerpott ".


Positiv ist, was Du hier nörgelst, nörgelst Du nicht zu Hause. Schönen Gruss an Heidi... [grins]
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Re: Reaktionen auf den WM-Sieg 1954 in der DDR

Beitragvon karnak » 19. August 2016, 17:24

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