Das manipulierte MittelalterWir sind im Jahr 1582. Die Menschen rechnen nach einem Kalender des römischen Imperators Julius Cäsar aus dem Jahre 45 v.Chr. Danach beginnt der Frühling am 21. März, der Herbst am 23. September ("Tag- und Nachtgleiche"). Jedoch ist Cäsars Kalender zu langsam, jedes Jahr um 11 Minuten und 14 Sekunden. In den 1627 Jahren seit Cäsar macht das fast 13 Tage, die die Menschen der Zeit hinterherhinken.
Doch Papst Gregor XIII., einer der größten Gelehrten der Kirche, stellt den Kalender, der bis heute gilt, nur um zehn Tage vor. Der Frühlingsbeginn (Äquinoktie) liegt seitdem wieder auf dem 21.3. Doch warum hat der Papst drei Tage unterschlagen? Auf ein Jahr gerechnet nicht viel, doch bis zur Antike zurück datiert (1582 + 45 = 1.627 Jahre) macht das 300 Jahre!
Die Forscher behaupten, dass sich Gregor auf das Konzil von Nicäa (325) bezog, weil damals der Kalender entweder korrigiert oder zumindest der Frühlingsbeginn auf den 21.3. festgeschrieben worden sei. Doch dafür fehlen die Belege. Somit wäre der Abstand zwischen Cäsar und Gregor XIII. um rund 300 Jahre kürzer als bislang gedacht. Leben wir heute nicht im Jahre 2009, sondern im Jahr 1709? Wo sind die Jahrhunderte geblieben?
Der renommierte Historiker Heinz Quirin und Hans-Ulrich Niemitz, Professor für Technikgeschichte an der Universität Leipzig, sprechen von einer groß angelegten Fälschungsaktion der Kirche, die im Mittelalter alle Dokumente vernichten oder manipulieren ließ. Hunderte von Mönchen waren im Vatikan und den Klöstern damit beschäftigt Pergament zu beschreiben und erfanden 300 Phantom-Jahre mit Päpsten und Kaisern, die nie gelebt haben.
Der Münchener Systemtheoretiker Heribert Illig ist in seinen Büchern "Das erfundene Mittelalter" und "Wer hat an der Uhr gedreht?" dem frühen Mittelalter ausführlich auf den Grund gegangen. Kritisch vergleicht er die schriftlichen Zeugnisse mit den archäologischen und architektonischen Befunden jener Zeit. Zum Vorschein kommen zahllose Widersprüche, die bislang nicht gelöst, sondern nur vertuscht werden konnten.
Um die Widersprüche zu lösen, schlägt Illig eine verblüffende wie fundierte Lösung vor: Knapp drei Jahrhunderte Mittelalter, genauer gesagt die Zeit zwischen 614 und 911, hat es in der europäischen Geschichte nie gegeben; sie wurden erst nachträglich eingefügt und müssten danach ersatzlos gestrichen werden. Was freilich auch für die Geschichtsschreibung der gesamten, miteinander synchronisierten Alten Welt von Island bis Indonesien gilt.
In der Tat sind die historischen Überlieferungen in dieser Zeitspanne ebenso dürftig sind wie die archäologischen Funde. In keiner heutigen, ursprünglich römischen Stadt findet sich eine frühmittelalterliche Besiedlungsschicht. Zudem sind die zugehörigen Geschichtsquellen nicht zeitgleich, sondern oft erst Jahrhunderte später verfasst worden. Hunderte byzantinischer Städte scheinen in dieser Zeit unbewohnt gewesen zu sein, und die Funde im islamischen Spanien setzen nicht 711 mit der Eroberung ein, sondern erst im frühen 10. Jahrhundert.
Seltsam mutet auch an, dass wir aus dieser Zeit fast nichts von den Menschen wissen. Sie scheinen apathisch gewesen zu sein und konnten sich offenbar an nichts erinnern: Um 600 n.Chr. etwa fürchten sich die Menschen vor dem Fegefeuer, vergessen aber diese grausige Strafe urplötzlich, bis etwa zum Jahr 1100. Für den führenden französische Historiker Le Goff eine rätselhafte Periode "in der das Nachdenken über das Jenseits anscheinend stagnierte".
Zwischen Columbanus (604, Vogesen) und den Kartäusern (1084) wird merkwürdigerweise kein Mönchsorden gegründet. Wenig später wieder schlagartig: Franziskaner, Klarissinnen, Dominikaner, Servioten, Tertianer, Cölestiner, Augustiner. Auffallend ist auch, dass die letzten Mosaike der Antike im 6. Jahrhundert n.Chr. verlegt werden, zum Beispiel im Katharinenkloster (Berg Sinai). Dann erst wieder 1018 in Venedig. Ist diese Baukunst in der Zwischenzeit verlernt worden?
Die Fiktivität dieser Zeitspanne bringt mit sich, dass auch zahlreiche historische Persönlichkeiten als erfunden angesehen werden müssen, allen voran eine Zentralfigur der abendländischen Geschichte, Karl der Große (743-814), daneben dessen Vater Pippin, seine Großväter Heribert von Laon und Karl Martell sowie Karls Sohn Ludwig der Fromme und die anderen karolingischen Kaiser und Könige. Sind damit die 117 Sagen, die es über den größten Herrscher Europas gibt, bloß Märchen?
Karl der Große wurde 1165 auf Veranlassung von Friedrich I. Barbarossa durch Gegenpapst Paschalis III. sogar heilig gesprochen (von Papst Alexander III. auf eine Seligsprechung reduziert), und damit ein regelrechter Karlskult geschaffen.
In der Tat wird Karl der Große als der perfekte Herrscher dargestellt. Doch wie wirklichkeitsnah sind die Schilderungen seiner Heldentaten und seiner Schaffenskraft?
Er ist ein Bär, hebt zwei bewaffnete Männer mit einem Arm hoch, zerdrückt ein Hufeisen zwischen den Händen. Er reitet unermüdlich, zusammengerechnet viermal um den Äquator (160.000 Kilometer)! Aber: In seinem Reich gab es keine Straßen, nur Schlammpfade.
Karls Geburtsort ist unbekannt, acht Städte streiten sich um die Ehre. Sein Geburtsdatum schwankt zwischen 742 und 747. Ob er ehelich geboren ist, ob die Mutter eine bretonische Prinzessin war, niemand weiß es. Zwar sprach Karls Biograf Bischof Einhard jeden Tag mit dem Kaiser, da er an seinem Hof wohnte, doch seltsamerweise erfuhr Einhard nichts über Geburt, Kindheit und Jugend des Kaisers.
Auch die Krönung ist rätselhaft. Der mächtigste Mann der Welt drückt sich nicht selbst die Krone auf das Haupt (wie dies später Kaiser Napoleon tat). Nein, angeblich hat ihn der Papst mit der Krone "überrascht". Karl sei "zu demütig" gewesen, sie zu fordern.
Karl versammelte die Mächtigen seines Reiches zweimal im Jahr am Gerichtstag. Tag und Nacht waren seine Boten auf dampfenden Pferden unterwegs und überbrachten seinen Bischöfen und Statthaltern die kaiserlichen Befehle. An seinem Hof lebten die Gelehrten seiner Zeit, Dichter, Sänger.
Der König der Franken war so mächtig, dass ihm alles gelang. Er besiegte die Langobarden in Italien, die Sachsen an der Elbe, die Mauren in Spanien, die Ungarn an der Donau, die Awaren, die Böhmen. Er hinterließ ein geeintes Europa, das von Polen bis nach Spanien reichte. Er gründete fünf Klöster pro Jahr. Er führte ununterbrochen Krieg und fand Zeit, mehr als 60 Pfalzen (Regierungssitze) zu bauen, dazu 250 Residenzen!
Karls größte Tat ist der Bau der achteckigen Aachener Pfalzkapelle; schon zur Entstehungszeit ein "Wunderbau" (Ernst Adam) abendländischer Architektur. In Aachen erleben wir die "Weltpremiere für ein großes Kuppelgewölbe aus Hau-Steinen" (Kuppel: 15,3 Meter Durchmesser: 30,5 Meter hoch, 86 Zentimeter stark). Seltsam ist jedoch, dass es keinen vergleichbaren Vorläufer für dieses Bauwerk gibt. Und wieso blieb die Baukunst bei Aachen stehen? Hatten die Architekten mit Karls Tod ihre Kunst jäh vergessen? Der nächste Bau dieser Art liegt fast 300 Jahre später. Fast alle anderen Residenzen Karls sind verschollen oder zu Staub zerfallen.
Illig verortet daher den Aachener Dom als ein Bauwerk des 11. Jahrhunderts, ähnelt er doch stark dem Dom zu Speyer. Entsprechend rückt die Lorscher Torhalle von 770 oder 870 ins frühe 12. Jahrhundert. Die wenigen anderen Kirchen der "Karolingerzeit" lassen sich nach Illig zwanglos den ottonischen eingliedern. Auch die "karolingische" Buchmalerei ist danach als ottonisch einzustufen, da sie sich ohnehin nicht von den Kunstwerken dieser Zeit unterscheidet.
Der beste Historiker des frühen Mittelalters, der Belgier Henri Pirenne, sieht Karl nicht als den "Leuchtturm Europas", sondern als Verwalter eines total verkommenen Kontinents. Angeblich hat Karl die erste Währungsreform der europäischen Geschichte gemacht. Vielen gilt er als Urvater von Maastricht und des Euro. Doch laut Pirenne standen Handel und Wandel auf dem tiefsten Stand der europäischen Geschichte. Es war kein Bargeld im Umlauf, es gab im Reich nicht mal Steuern. Die Menschen handelten über Naturaltausch (zum Beispiel eine Kuh für drei Schafe). Die Häfen waren für jeden Verkehr geschlossen, die Schicht der Großkaufleute verschwunden. Es gab keinen mehr, der den Kirchen Güter schenken konnte, niemanden mehr, der noch Geld verleihen konnte.
Wie also wurden die Heerscharen bezahlt, wie wurde der Aachener Meisterbau finanziert, wie das geeinte Großeuropa? Ohne Geld und ohne Steuern? In der heutigen EU, die Europa nach Karls Modell zimmert, nimmt der Staat seinen Bürgern die Hälfte ihres Einkommens ab, um das alles zu realisieren. Karl aber hatte keinen Steuerzahler.
Geheimnisvoll wie seine Geburt ist auch Karls Tod. Angeblich stirbt Karl am 28. Januar 814. Doch es wird nicht etwa ein großes Begräbnis ausgerichtet, zu dem Kaiser und Könige herbeieilen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Vielmehr wird er "binnen sieben Stunden wie eine Pestleiche verscharrt" (Illig).
Der Historiker Martin Lintzel sieht Karl den Großen als einen "Sehnsuchtskaiser", auf den die Völker des Abendlandes wie einen Heilsbringer gewartet haben. Für Geschichtsforscher Sigurd Graf ist Karl der Große "die Sagenfigur schlechthin". Für Heribert Illig sind die 117 Karls-Sagen erfundene Geschichten über das Ideal eines Herrschers.
quelle:
http://www.freenet.de/nachrichten/wisse ... 02462.html...