L E S E N S W E R T
"Erstmals zeigen Bankdokumente detailliert, wie riesige Summen zu Schweizer Banken flossen. 37 Millionen Dollar landeten auf dem Zürcher Konto eines Putin-Strohmanns.
...«Troika Laundromat» – auf Deutsch: Troika-Waschsalon. Dabei handelt es sich um ein Netz von über 70 anonymen Briefkastenfirmen, das von einer russischen Investmentbank namens Troika Dialog aufgebaut wurde. Hinter der Troika-Bank stand damals der Oligarch Ruben Vardanyan, ein Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Spielte ein zentrale Rolle: Oligarch Ruben Vardanyan mit Wladimir Putin bei der Grundsteinlegung zu Vardanyans Managementschule Skolkovo in Moskau. (Bild: Alamy)
Die drei Etappen des Waschsalons
Aber wie funktionierte der Waschsalon genau? Im Wesentlichen bestand das System aus drei Schritten:
Erster Schritt – der Vorwaschgang: Auf die Konten der Laundromat-Firmen bei besagter Ukio Bank strömte viel scheinbar sauberes Geld. Dazwischen gingen aber auch grosse Summen aus mutmasslichen Verbrechen ein. Das Journalistenkollektiv hat eine Reihe von Firmen identifiziert, die im Verdacht stehen, Profite aus Verbrechen gewaschen zu haben. Die Firmen haben mehr als eine Viertel Milliarde Dollar in den Laundromat einbezahlt. Das bekannteste Beispiel ist ein gewaltiger Betrugsfall, bei dem 230 Millionen Dollar aus der russischen Staatskasse verschwanden. Der Steuerspezialist Sergei Magnizky, der den Fall meldete, starb 2009 nach schweren Misshandlungen in einem russischen Gefängnis. Die Bundesanwaltschaft ermittelt in diesem Fall seit 2011 auch in der Schweiz.
Zweiter Schritt – der Hauptwaschgang: Auf den Konten der Laundromat-Firmen wurden über die Jahre sauberes und mutmasslich schwarzes Geld munter vermischt. Die Zahlungen gingen hin und her, sodass von aussen nicht mehr ersichtlich ist, woher das Geld ursprünglich kam. Und falls doch einmal jemand fragte, gab es eine zusätzliche Sicherung: Strohmänner, die auf dem Papier die Firmen und Konten führten. Teilweise waren das aber Unwissende, denen einfach die Identitäten geklaut wurden. Journalisten aus dem Kollektiv spürten den «Lenker» einer der zentralen Laundromat-Firmen in einem heruntergekommenen Wohnblock in der armenischen Stadt Vanadzor auf. Der Mann trug eine abgewetzte Militärjacke und Mütze, als ihn die Journalisten in seinem kargen Wohnzimmer befragten. Er erzählte, er sei ein Saisonnier, der in der russischen Hauptstadt Moskau auf Baustellen gearbeitet habe. Als er erfuhr, dass seine Unterschrift auf Dokumenten steht, dank denen Millionen in alle Welt flossen, war er baff. Er sagte, dass er noch nie davon gehört habe.
Dritter Schritt – Trockenschleudern: Das Geld floss aus dem Laundromat auf Drittbanken – so wie die zwölf Millionen aus dem seltsamen Kleidervertrag zur Crédit Agricole in Genf. Die Vermutung, dass die Hintermänner des Laundromats den Vertrag gefälscht haben, ist nicht so weit hergeholt. Dokumente aus baltischen Banken, die das OCCRP schon früher veröffentlicht hat, zeigen, dass Bankkunden genaue Anweisungen erhielten, wie sie gefälschte Verträge aufsetzen müssen, damit auch westliche Banken sie akzeptieren.
Klar ist, dass dieses Dreischrittesystem wie geschmiert funktionierte. Crédit Agricole Schweiz zum Beispiel erhielt bei weitem nicht nur die zwölf Millionen aus dem einen Kleidervertrag. Von 2005 bis 2012 flossen durch über 500 Überweisungen umgerechnet rund 150 Millionen Dollar aus dem Laundromat auf fünf Crédit-Agricole-Konten in Genf, mal für Kleider, mal für Computer, mal für «Ausrüstung». Die Konten gehörten fünf verschiedenen Briefkastenfirmen, gelenkt von immer denselben beiden russischen Personen. Konten und Firmen wurden der Reihe nach eingesetzt und alle ein bis zwei Jahre ausgewechselt.
Der Genfer Treuhänder der beiden Russen schrieb bei einer Gelegenheit einmal klar auf, wozu eine der Firmen tatsächlich diente: «Die Firma wird genutzt für private Ausgaben, keine kommerziellen Aktivitäten.» Crédit Agricole wollte keine Stellung nehmen.
Ist das Geld erst mal auf einer scheinbar sauberen Bank, können die Hintermänner damit machen, was sie wollen. Die Daten zeigen, dass Gelder aus dem Laundromat am Schluss in Jachten, Privatjets, Schmuck und Uhren oder Luxusferien flossen.
Für sie floss Geld aus dem Laundromat: Die Mega-Yacht Celestial Hope.
Für den Schweizer Finanzplatz sind die Erkenntnisse aus dem Troika-Laundromat ein Debakel. Kamen über den Laundromat tatsächlich auch Gelder aus illegalen Geschäften zu uns, hätten Schweizer Banken Geld gewaschen. Aber um das bestrafen zu können, müssten Staatsanwälte die kriminelle Herkunft der Gelder lückenlos nachweisen – oft ein Ding der Unmöglichkeit. «Wenn legale und illegale Gelder so vermischt werden, dass die Ursprünge nicht mehr erkennbar sind, nennen wir das Container-Konten», sagt ein Schweizer Ermittler mit jahrelanger Erfahrung in Geldwäscheverfahren. «In solchen Fällen sinken die Chancen gegen null, die Geldwäscherei zu belegen.»
Putins Millionen in Zürich
So haben die Drahtzieher ein leichtes Spiel. Das Datenleck gibt immerhin Hinweise darauf, dass sie in Russland ganz weit oben sitzen. Die Betreiber des Laundromats schickten nämlich auch Millionen an die Zürcher Gazprombank, und zwar direkt auf ein Konto von Sergei Roldugin, dem wohl engsten Freund von Präsident Putin. Roldugin kennt Putin seit Teenagertagen. Er ist der Pate von Putins Tochter und war zeit seines Lebens ein normaler Konzertcellist, der stets versicherte, er sei kein Millionär.
Dank den Panama Papers wurde schon vor drei Jahren klar, dass Roldugin wohl ein Strohmann von Putin persönlich ist. Das neue Leck zeigt nun, dass auf seinem Konto in Zürich über 37 Millionen Dollar landeten. Wie bei den Kleidern wurde ein Teil der Zahlungen mit unrealistischen Verträgen gerechtfertigt. Roldugin und die Gazprombank wollten sich dazu nicht äussern.
Ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei ist in diesem Fall bis heute nicht bekannt. Aber was würde passieren, wenn Schweizer Staatsanwälte tatsächlich einmal nachfragen, wer denn die Millionen an den mutmasslichen Strohmann des russischen Präsidenten in die Schweiz überwies? Nun, die Antwort ist einfach: Die Firma, die das zahlte, wurde unter anderem gesteuert von einem armenischen Saisonnier. Es ist der Mann mit Mütze und Militärjacke, der auf einer Baustelle in Moskau arbeitete. (Redaktion Tamedia)"
https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/st ... soucp-PKS4