Rechte Netzwerke und Einzelfälle bei der PolizeiIn mindestens 170 Fällen sind in den Bundesländern Polizisten mit rechtsextremem Gedankengut aufgefallen - weit mehr Fälle als die Mail-Drohungen des "NSU 2.0" Hitlergruß, antisemitische Videos und Reichsbürgersymbole: Polizeibeamte in Deutschland sind in den vergangenen fünf Jahren in mindestens 170 Fällen mit rassistischem und/oder rechtsextremem Gedankengut aufgefallen. Das ergab eine Umfrage des Tagesspiegel in den Innenministerien und Polizeipräsidien der 16 Bundesländer.
Ausgangspunkt der Frage nach rechten Tendenzen in den Reihen der Polizei ist die Affäre um die Drohmails mit dem anonymen Unterzeichner NSU 2.0. Spuren in dieser Affäre führen zu Polizeicomputern in Hessen – dem einzigen Bundesland, das nach mehrmaligem Nachfragen eine Auskunft zu Vorfällen mit extremer Gesinnung unter Polizeibeamten verweigert. Bekannt ist, dass es in Hessen Abfragen persönlicher Daten aus Polizeicomputern in Wiesbaden und Frankfurt gab. Diese Daten fanden sich in den Drohschreiben wieder. Betroffen sind mehrere prominente Persönlichkeiten, unter anderem die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die hessische Linkenpolitikerin Janine Wissler und die Comedienne Idil Baydar.
„Der Täter fühlt sich offensichtlich sehr sicher“, sagt Wissler, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel äußert sie Zweifel daran, dass der Absender der Mails, die sie seit Februar erhält, bald ermittelt wird. Die Polizisten, von deren Computern persönliche Daten abgefragt wurden, seien in Wiesbaden „als Zeugen, und nicht als Beschuldigte“ vernommen worden.
Beamte würden sich gegenseitig decken oder hätten Angst, übereinander auszusagen. „Die Kollegen, die etwas dagegen sagen, gelten als Nestbeschmutzer.“ Sie glaube nicht, dass sich das Problem auf Hessen beschränkt.Die meisten Vorfälle gab es in BayernWie aus den Antworten auf die Tagesspiegel-Anfrage hervorgeht, gab es unter den restlichen Bundesländern in Bayern die meisten Vorfälle. Insgesamt 30 Disziplinarverfahren, von denen ein Großteil noch nicht abgeschlossen sei, heißt es aus dem Innenministerium. Dabei sei es um „extremistische Sachverhalte gegangen“, nähere Angaben machte die Behörde nicht. Nur der Hinweis, dass es sich nicht um linksextreme Vorfälle handele.
26 Verdachtsfälle gab es in Schleswig- Holstein, 21 in Nordrhein-Westfalen, jeweils 18 in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Auch in Berlin gab es Vorfälle, nach denen Strafverfahren eingeleitet wurden. Genauere Angaben machte das Polizeipräsidium zunächst nicht. In Hamburg registrierte die Polizei fünf Straftaten in den vergangenen fünf Jahren. In einem Fall hatten Zollbeamte bei einem Polizisten fast 1000 Waffen und Waffenteile, Munition sowie Nazi-Devotionalien sichergestellt. Der Beschuldigte wurde zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe verurteilt. Er sei immer noch im Dienst.Immer wieder werden illegal persönliche Daten abgefragtIndes gehen die unzulässigen Abfragen persönlicher Daten weiter. Bekannt sind sie bislang aus Berlin, Hamburg und Bremen. Die Polizei in Hamburg teilt auf Tagesspiegel-Anfrage mit, zwei Polizeibeamte „erstbefragt“ zu haben. Man habe keinen Hinweis darauf, dass die Polizisten Daten weitergegeben hätten. „Ebenso haben wir keine Erkenntnisse, dass es im Zusammenhang mit rechten Tendenzen, Netzwerken, Strukturen oder gar im Zusammenhang mit NSU 2.0 zu sehen ist“, schreibt eine Sprecherin.
In Bremen teilt die Sprecherin des Innensenators mit, dass es sich dabei um ein rein privates Interesse an der Durchsicht von Daten gehandelt habe. Zu den NSU-2.0-Drohmails gebe es keine Verbindung.
Polizeiinterne Chatgruppen mit rechtsextremen Inhalten formierten sich, soweit bekannt, bisher in Hessen, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Dort waren im ersten Halbjahr 2020 sieben Polizeimeisteranwärter in einer Whatsapp-Gruppe, in der sie Bilder und Texte mit fremdenfeindlichen Inhalten austauschten. Bei allen sei ein sofortiges Entlassungsverfahren eingeleitet worden, teilte das dortige Innenministerium mit.
https://www.tagesspiegel.de/politik/170 ... 62960.htmlWarum kommt mir nur der Zugriff auf Polizeicomputer aus privatem Interesse irgendwie bekannt vor?
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