Ein interessanter Beitrag zum Thema:
Früher trugen nur Frauen der Oberschicht den Nikab. Heute ist um die Verschleierung in Ägypten und Tunesien eine heftige ideologische Debatte entbrannt.
http://www.zeit.de/politik/ausland/2016 ... er-schariaZitat:
Als Frankreich vor fünf Jahren den islamischen Gesichtsschleier verbot, erhielten die Pariser Senatoren Beifall von ungewohnter Seite. "An Europa und Frankreich möchte ich als Botschaft schicken – der Nikab hat keine Grundlage im Islam, er schadet vielmehr dem Ansehen des Islam", schrieb Abdel Muti Al-Bayyumi, Mitglied des Hohen Geistlichen Rates der Azhar in Kairo, der höchsten Lehrautorität der sunnitischen Muslime.
In dieser heiklen Frage war sich Al-Bayyumi auch mit seinem Chef einig, Großscheich Ahmed al-Tayeb. Die Debatte hatte allerdings bereits im Oktober 2009 dessen verstorbener Vorgänger Mohammed Said Tantawi angestoßen, als er bei einem Schulbesuch ein verschleiertes zwölfjähriges Mädchen abkanzelte und aufforderte, ihr Gesicht zu zeigen. Ihre Kopfbedeckung habe nichts mit dem Islam zu tun, schimpfte der damalige Chefgelehrte. Anschließend ließ er Campus und Wohnheime der Azhar für voll verhüllte Studentinnen sperren.
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Der Nikab stammt ursprünglich von der Arabischen Halbinsel, wo sich Beduinen und ihre Frauen mit Gesichtstüchern gegen die scharfen Wüstenwinde schützten. Im Koran ist er nicht erwähnt oder gar vorgeschrieben. Im Osmanischen Reich kam der Gesichtsschleier dann zunächst in der Hauptstadt Konstantinopel für Haremsfrauen in Mode. Im 19. Jahrhundert breitete er sich im gesamten Nahen Osten aus als exklusive Kopfbedeckung für Oberschichtfrauen, egal ob Musliminnen oder Christinnen, die sich in ihren Häusern bewusst von der Öffentlichkeit des Straßenlebens fernhielten.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwand dieser Edel-Nikab dann völlig aus den islamischen Gesellschaften entlang des Mittelmeeres, bis er nach dem Ölboom in den siebziger Jahren über die Rückkehrerfamilien aus Saudi-Arabien wieder auftauchte – diesmal als religiöser Marker im Straßenalltag und bei Frauen aller gesellschaftlichen Schichten. Das säkulare Ägypten reagierte indigniert. Noch in der letzten Rede vor seiner Ermordung verspottete Präsident Anwar al-Sadat die schwarzen Hüllen als "Zelte"
Drei Jahrzehnte später gehört der Gesichtsschleier am Nil genauso selbstverständlich zum Alltag wie in Saudi-Arabien, im Jemen und den Golfstaaten. Wie bei frommen Männern der Bart, das knöchellange Gewand und die Häkelkappe, gilt er als demonstratives Bekenntnis zur salafistischen Lebensweise.
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Bei ARTE lief vor...? Eine Reportage über ältere Marokkanerinnen, die im Brüsseler Stadtteil Molenbeek leben. Bei einem Blick in die Fotoalben stellten sie fest, dass keine von ihnen in den siebziger Jahren ein Kopftuch getragen hat. Erst in den neunziger Jahren setzte sich das tragen des Kopftuches durch.
pentium